IBM geht in den elektronischen Consumer-Bereich Neues Vertriebskonzept soll Video- und CD-Laeden ersetzten

18.06.1993

MUENCHEN (CW) - Die International Business Machines Corp. diversifiziert ihr Produktangebot und engagiert sich neuerdings, aehnlich wie AT&T, auf dem Musik- und Videomarkt fuer private Benutzer.

Zusammen mit Blockbuster Entertainment gruendete IBM das Joint- venture "Fairway Technology Associates", das ein neuartiges Vertriebskonzept fuer Musik- und Videotitel ausarbeiten soll. Wie die "Sueddeutsche Zeitung" meldete, will man zunaechst in den 3500 Geschaeften von Blockbuster Kopierstationen fuer CDs und Videos einrichten. Der Kunde ruft ueber Touch-screen-Monitore die gewuenschten Titel ab, deren digitalisierte Daten aus einem zentralen Rechner an die lokale Kopierstation uebermittelt und auf leere Videokassetten oder CDs gespeichert werden. Der Vorteil fuer den Einzelhandel liegt in der handlichen Groesse der Kopierstationen, die auch im Zeitungskiosk Platz finden. Ausserdem entfallen Lagerhaltung und Frachtkosten.

Der Erfolg des Konzepts, das Ende 1994 umgesetzt werden soll, haengt allerdings massgeblich von der Mitarbeit der Lizenzgeber fuer die Produktionen ab. Sony Music, frueher CBS Records, will sich beispielsweise nicht beteiligen, wie die "Sueddeutsche Zeitung" weiter meldet. Die Japaner halten das Kopieren von Musik fuer kommerzielle Zwecke fuer illegal und sehen auch keinen Nutzen fuer den Kaeufer. Blockbuster und IBM glauben aber, dass der Kunde die Kopierleistung nachfragen wird, zumal die Kosten fuer eine CD langfristig sinken werden und auch die Cover per Laserprinter zu reproduzieren sind. Die beiden Firmen wollen zunaechst mit mit der Vermarktung von CDs und Videospielen beginnen.

Eine andere Initiative speziell auf dem Videosektor startete IBM zusammen mit der New Century Communication Inc. (NCCI) und ICTV. Ueber Kabelkanal soll dem TV-Publikum eine Auswahl an Spielfilmen angeboten werden. Dabei laesst sich der Film genauso handhaben, als ob er vom heimatlichen Videorekorder kaeme, der damit ueberfluessig wird. AT&T arbeitet an der gleichen Idee, allerdings unterscheiden sich beide Systeme in der technischen Umsetzung.

Die geplante Ausfuehrung von AT&T basiert hauptsaechlich auf einem interaktiven Video-Server mit asynchronem Uebertragungsmodus und Video-Kompressionsmechanismen fuer schnelle Datenuebertragung. Die Anlage besteht aus drei Komponenten: einem Massenspeicher, auf dem die Daten optisch und magnetisch gespeichert sind, einem Anwendungsprozessor, basierend auf einer Unix-Masschine von NCR fuer die Kundenverwaltung inklusive Rechnungsstellung sowie einem Speichersystem aus den Bell-Labors, das dem Zuschauer alle Funktionen wie Pause, Zurueckspulen etc. zur Verfuegung stellt. Engpaesse treten in diesem System allerdings auf, wenn etwa ein neuer Film vielfach und zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgerufen wird.

Die Loesung von IBM basiert auf einem Mainframe-Rechner. Die "Digital Video Jukebox" ist mit einem ES/9000-Prozessor ausgestattet, der als Server mit einem RISC-Client von Intel verbunden ist. Der Vorteil dieser Anordnung gegenueber der AT&T- Loesung besteht nach Meinung von IBM darin, dass keine spezielle Speicherarchitektur noetig ist. Fraegt ein Client einen Film ab, wird jeweils ein Stueck davon in den Hauptspeicher des Mainframe- Prozessor geladen, womit ein schnelles Vor- und Zurueckspulen des Films moeglich ist. Selbst wenn viele Zuschauer einen Film zu unterschiedlichen Zeitpunkten gestartet haben, muss er nur einmal in den Hauptspeicher gestellt werden.

NCCI uebernimmt die Kundenadministration inklusive Rechnungsstellung und kann das sogar in Echtzeit anbieten. ICTV ist zustaendig fuer die Anbindung des Kundengeraets an den Server ueber den Video-Hub. Hier sind die Kompresssionsmechanismen und die Uebersetzung der Kundenkommandos integriert. Die IBM hofft, mit diesem System eine Marktnische fuer ihre Grossrechner gefunden zu haben und den alten Traum, Mainframes als grosse, schnelle Fileserver einzusetzen, verwirklichen zu koennen. Spoetter weisen allerdings darauf hin, dass die so wichtige Abrechnungssoftware von NCCI nicht auf dem Mainframe, sondern auf einer RS/6000 laeuft.