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IBM fordert Klageabweisung wegen Holocaust-Verbrechen

31.08.2004

IBM hat vor dem höchsten Schweizer Gericht beantragt, eine Klage von Sinti und Roma wegen angeblicher Involvierung des Computerkonzerns in den Holocaust der Nazis abzuweisen. Damit sollen zudem finanzielle Forderungen an Hinterbliebene von durch die Nazis umgebrachte Holocaust-Opfer abgewendet werden.

Eine Interessengruppe der Sinti und Roma unter der Bezeichnung "Gypsy International Recognition and Compensation Action" hatte vor einem Gericht in Genf eine Klage eingereicht. In dieser argumentiert die Gruppe, IBM habe im zweiten Weltkrieg durch Lochkartensysteme, die der Konzern an die Nazis verkauft habe, dazu beigetragen, dass der Holocaust organisiert werden konnte und erst durch diese technischen Hilfsmittel in diesen Ausmaßen möglich wurde. Da Big Blue zu jener Zeit eine Europazentrale in Genf unterhielt, sehen es die Sinti und Roma für Rechtens an, in der Schweiz ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen.

Ein erstinstanzliches Gericht hatte zwar entschieden, dass IBM damals in der Schweiz nur seine "Fühler" ausgestreckt habe. Deshalb könnten Genf und ein Genfer Gericht auch nicht als Gerichtsort für eine Klage in Frage kommen. Diese Entscheidung wurde in einer zweiten Instanz kassiert. Ein Berufungsgericht entschied, dass das erstinstanzliche Urteil falsch sei. Archivauszüge bewiesen nämlich, dass IBM sehr wohl 1936 ein Büro in Genf unter der Bezeichnung "International Business Machines Corporation New York, European Headquarters" eröffnet habe. Das Appellationsgericht wollte deshalb auch nicht ausschließen, dass IBM eine "Komplizenschaft wegen intellektueller Hilfestellungen" für die Nazis zukomme.

Die Sinti und Roma stützen sich bei ihrer Klage und ihren daraus resultierenden finanziellen Entschädigungsforderungen insbesondere auf ein Buch des US-Autors Edwin Black. In "IBM und der Holocaust" gibt Black Big Blue zumindest eine Teilschuld an dem durchorganisierten Holocaust, der in der Ermordung von rund sechs Millionen Juden endete. Zudem sollen bis zu 600.000 Sinti und Roma von den Nazis ermordet worden sein. Die Gruppe fordert von IBM für fünf Sinti und Roma aus Deutschland, Frankreich und einem in Polen geborenen Schweden jeweils 20.000 Dollar Entschädigung für die Ermordung derer Eltern.

IBM lehnte einen Kommentar unter Verweis auf das andauernde Verfahren ab. Ein Rechtsvertreter von Big Blue bestätigte lediglich, dass man vor dem höchsten Schweizer Gericht Berufung gegen das zweitinstanzliche Urteil eingelegt habe. (jm)