PC-Flaggschiff AT angekündigt - neue Modelle für die 4300 und das System 38:

IBM fightet im unteren Bereich wie noch nie

21.09.1984

STUTTGART (CW) - Wie ein Paukenschlag dürfte die jüngste IBM-Preissenkung im Mikrocomputerfeld die Konkurrenz aufschrecken. Um 20 Prozent haben die Stuttgarter den Preis für das Modell PC/XT gesenkt. Gleichzeitig wurde der mehrplatzfähige "PC AT" (Advanced Technology) innerhalb der PC-Familie angekündigt (siehe auch CW Nr. 35 vom 24. August 1984), mit dem Big Blue in den Office-Bereich und in den Markt der mittelständischen Unternehmen eindringen will. Doch damit nicht genug. Als Modellgruppe 3 brache IBM ein neues Einstiegsystem für die 4361-Prozessoren heraus (Seite 4). Schließlich wurde das IBM System /38 um die Modelle 20 und 40 erweitert (Seite 2).

Hatte die IBM nach der PC-Markteinführung vor drei Jahren noch 18 Monate verstreichen lassen, bis sie das Produkt nach Deutschland brachte, so erfolgt die Vertriebsfreigabe für den PC AT praktisch synchron - gleichzeitig in USA und Europa. Man lasse sich indes nicht täuschen: In "Mengen" sei der PC AT, wie der für den PC-Vertrieb zuständige Generalbevollmächtigte der IBM Deutschland GmbH, Bernhard Dom, auf einer Pressekonferenz betonte, erst im Frühjahr 1985 verfügbar. Die Produktion im schottischen Greenock müsse erst anlaufen.

Daß die Erstauslieferung "in Einzelstücken" (Dorn) für November 1984 vorgesehen ist, werten Brancheninsider als Geste gegenüber den europäischen Anwendern, die freilich erst die nunmehr verbilligten PC/XT-Modelle abnehmen sollen. "In diesem Jahr werden mehr Einplatz- als Mehrplatz-PC verkauft", verklausulierte Dorn die IBM-Bemühungen, den Absatz der vorhandenen PC-Modelle nicht zu gefährden. Dazu ein IBM-Kenner: "Der Versuch der IBM, durch Preissenkungen auf Teufel komm raus den PC-Forecast zu erreichen, (erscheint) als Eingeständnis daß der PC in Deutschland doch nicht den Durchbruch erzielt hat, den IBM wollte". (Siehe CW-Blitzumfrage, Seite 23).

Durch zwei AT-Versionen wird das Spektrum der IBM-PC-Familie nach oben ergänzt. Die Basis beider Modelle bildet der Mikroprozessor 80286 von Intel, der mit seiner 16-Daten- und 24-Adreßbit-Struktur die leistungsstärkste Version darstellt. Ebenfalls zur Grundausstattung zählen ein neues Basic-Release im ROM (Read Only Memory) sowie eine batteriegepufferte Echtzeituhr mit Kalender.

In der Einstiegsversion wird das Modell 01 mit einem 1,2-MB-Diskettenlaufwerk und 256-KB-Hauptspeicher 10 130 Mark kosten. Für 15 240 Mark enthält die Systemeinheit Modell 02 ein zusätzliches Festplattenlaufwerk mit 20 MB, einen weiteren Adapter mit serieller und paralleler Schnittstelle sowie 512 KB Hauptspeicherkapazität. Beide Systeme können durch Installationen der 128-KB-Hauptspeichererweiterung auf 640 KB oder durch den Einbau von 512-KB-Erweiterungen auf bis zu 3 MB aufgerüstet werden.

Zum Ausbau der externen Speicherkapazität stehen ein 20-MB-Festplattenlaufwerk, ein zweites 1,2-MB-Diskettenlaufwerk oder eines mit 360 KB zur Verfügung. Die Systemeinheit kann maximal mit zwei Diskettenlaufwerken und einem Festplatte oder zwei Festplatten und einem Diskettenlaufwerk ausgestattet werden, sodaß sich eine maximale externe Speicherkapazität von 41,2 MB ergibt.

Neu angekündigt wurden die Betriebssysteme PC-DOS 3.0, 3.1 und Xenix. Das Release 3.0 enthält alle Funktionen der Version 2.1 und unterstützt den AT. Zusätzlich sind Routinen zur gemeinsamen Dateibenutzung, zur Blocksperrung sowie zur Verwaltung des Hauptspeichers oberhalb einem Megabyte verfügbar.

Xenix ist als Betriebssystem ausschließlich zur Verwendung auf dem AT vorgesehen. Es erlaubt sowohl Einzel- wie auch Mehrplatzbetrieb im Multitasking-Modus mit bis zu drei anschließbaren Stationen. Die Ausstattung umfaßt drei Programm-Editoren, ein hierarchisches Dateisystem, Übertragung von Dateien zu oder von einem anderen PC-DOS-System, Unterstützung des mathematischen Co-Prozessors 80287 von Intel und Sicherung gegen Mehrfachzugriff auf gemeinsam benutzte Dateien.

Speziell für die Familie der Arbeitsplatzrechner entwickelte IBM das lokale Breitbandnetzwerk mit einer Übertragungsrate von 2 MBit pro Sekunde. Als Protokoll verwendet es Carrier Multiple Access/Collision Detect (CSMA/CD).

Der Anschluß an das Netzwerk wird durch eine Adapterkarte hergestellt, die einen freien Steckplatz in den Modellen PC, XT, Portable PC oder AT belegt.

Das PC-Network besteht weiter aus dem Netzwerk-Frequenzumsetzer, einer unabhängigen Einheit, die eine einkanalige Frequenzumsetzung durchführt - pro Netzwerk wird eine Einheit benötigt - und einem Verkabelungs-Set. Mit diesen Komponenten können bis zu 72 Stationen in einem Radius von 300 Metern um den Network-Frequenzumsetzer angeschlossen werden.

Die dazugehörgen PC-Network-Programme sind die auf DOS 3.1 basierenden Datei-, Druck- und Nachrichten-Server. Sie gestatten die gemeinsame Nutzung von Druckern, Platten, Daten und Programmen innerhalb des Netzwerkes. Jeder mit einer Festplatte ausgestattete Arbeitsplatzrechner kann nach Herstellerangaben als Server genutzt werden, wobei gleichzeitig Anwendungsprogramme ausgeführt werden.

Als Ladenpreise für den Network-Adapter nannte IBM 2115 Mark und für den Frequenzumsetzer 1808 Mark. Für jedes Netzwerk ist ein Umsetzer und für jeden anzuschließenden Arbeitsplatzcomputer eine Adapterkarte erforderlich. Die Auslieferung erfolgt voraussichtlich ab dem ersten Quartal 1985.

Neu im Produktvertrieb des Marktführers sind die Programmpakete Finanzbuchhaltung sowie Lohn und Gehalt für die PC-Reihe. Es handelt sich um Pakete nach bundesdeutschen handels-, sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften. Beiden Anwendungen liegt eine identische Benutzeroberfläche zugrunde. Tarifliche und betriebliche Besonderheiten werden durch die Stammdatenverwaltung berücksichtigt.

Mit der Auslieferung der Softwarepakete soll IBM Angaben zufolge noch im Oktober des laufenden Jahres begonnen werden. Für die Finanzbuchhaltung muß der Kunde im Laden knapp 2000 Mark bezahlen, der Preis für Lohn und Gehalt liegt bei 2500 Mark.

Außerdem kündigte die IBM Deutschland eine Reihe neuer Produkte an, die den Betreibern von Telekommunikationsnetzen erweiterte Einsatzmöglichkeiten bieten. Einmal handelt es sich dabei um ein Verkabelungssystem zur internen Vernetzung eines Gebäudes oder Gebäudekomplexes. Eigenen Angaben zufolge entwickelte IBM dieses Konzept, damit Kommunikationsgeräte, die heute noch je nach Terminal-Familie verschiedene, nicht kompatible Kabeltypen benötigen, an ein gemeinsames Verkabelungssystem angeschlossen werden können. Dadurch wird es dem Benutzer ermöglicht, zahlreiche Kommunikationsanwendungen innerhalb einer einzigen Installation zu realisieren.

An dieses Produkt, das eine Alternative zu den bisher gemischten Kabelsystemen mit Koaxial-, Twinaxialkabeln, verdrillten Leitern und anderen speziellen Kabeln darstellen soll, können die meisten verfügbaren sowie zukünftigen Endgeräte angeschlossen werden. Im einzelnen listet die IBM in diesem Zusammenhang die Steuereinheiten und Datenstationen der folgenden Systeme auf:

- Bildschirmsystem IBM 3270,

- System IBM 4300,

- Bildschirmsystem IBM 5250,

- IBM-System /36,

- IBM-System /38,

- Informationssystem IBM 8100,

- IBM-Serie / I,

- Bürosystem IBM 5520,

- Kommunikationssystem für Kreditinstitute IBM 3600/4700, Handelssystem IBM 3650

Darüber hinaus sind auch die Mikros IBM PC, PC/XT, IBM PC XT/370. IBM 3270 PC sowie das Schreibsystem IBM 6580 vernetzungsfähig, Damit sind außer dem neuen AT-Modell praktisch alle Rechner aus der Arbeitsplatzcomputerfamilie anschließbar.

IBM verspricht sich von dem neuen Kabelsystem in erster Linie, daß es die Gesamtkosten einer Installation erheblich senkt. Außerdem habe es den Vorteil, daß neue Geräte schnell installiert und problemlos ausgetauscht werden können. Ferner sei es möglich, Netzwerkkonfigurationen an einem oder mehreren Verteilerpunkten zu erstellen und die Verwaltungsvorgänge des Verkabelungssystems zu erleichtern.

Neben dem Verkabelungssystem kündigte die IBM jetzt auch ein PC-Netzwerk an, das es den Benutzern ermöglicht, Daten untereinander auszutauschen und periphere Einrichtungen und Unterstützungen gemeinsam zu nutzen. Das geplante Netz unterstützt Herstellerangaben zufolge die gleichzeitige Ausführung eines Anwender-Programms zusätzlich zu dem IBM PC-Network-Programm.

Ferner beabsichtigt die IBM, ein Token-ring-LAN zu entwickeln Es soll die in einem Gebäude oder mehreren auf einem Gelände befindlichen Unternehmenskomplexen installierten Netzwerke durch Verwendung des IBM-Verkabelungssystems verbinden können.

Schließlich stellte der Branchenführer noch eine Reihe von Hardware- und Softwareentwicklungen vor, die die Möglichkeiten der Systems Network Architecture (SNA) weiter verbessern sollen. Dazu gehörten zunächst einmal der Leistungskonzentrator IBM 3710, der auch als Protokoll-Konverter dient. Mit Hilfe dieses Produktes können Nicht-SNA-Geräte auf die SNA-Anwendungen des zentralen Rechners zugreifen und SNA-Netzwerkfunktionen verwenden.

Die IBM 3710 ermöglicht auch den Anschluß einer Vielzahl von Geräten, die das SDLC-Verfahren (Synchronous Data Link Control), ASCII-Start/Stop-Protokoll (Selected American National Standard) und/oder BSC-Verfahren (Binary Synchronous Communications) für die Verbindung zum NCP (Network Control Program) einer DFV-Steuereinheit IBM 3705 oder 3725 verwenden. Die Verbindung zwischen dem Leitungskonzentrator IBM 3710 und einer IBM 3705 oder 3725 kann über SDLC- oder X.25-Protokolle bis 64 KBit/s erfolgen.

An das Modell 2 der DFV-Steuereinheit IBM 3725 mit jetzt maximal 2 MB Speicher können bis zu 80 Leitungen und vier Kanaladapter angeschlossen werden. Außerdem wird von der IBM 3725 Modell 1 eine Kommunikationsleitung für Geschwindigkeiten von bis zu 1,544 MBit unterstützt. Verbesserte Einsatzmöglichkeiten soll es auch für das Betriebssystem VM/SP in SNA-Netzen geben.

Aus der im Zuge der Produktankündigungen gemachten Absichtserklärung geht hervor, daß das Token-Bus-LAN in den nächsten zwei bis drei Jahren eingeführt werden soll. Wie es dort weiter heißt, wird das LAN den Beiträgen der IBM für die LAN-Standardisierungsgremien der Institute for Electrical and Electronics Engineers (IEEE) und der European Computer Manufacturing Association (ECMA) sprechen. Nähere Einzelheiten über einzelne Produkte waren der Absichtserklärung nicht zu entnehmen. Allerdings führte die IBM im Rahmen einer Stellungnahme zur Unterstützung der ISO/OSI-Protokolle aus, daß sie bisher ausführliche Informationen über ihre System-Netzwerk-Architektur einschließlich der Formate und Kommunikationsprotokolle veröffentlicht habe und dies auch weiterhin tun würde. Dadurch könnten andere Systeme durch andere Hersteller mit IBM SNA-Netzen verbunden werden.