Kommission fordert wegen illegaler Praktiken Konsequenzen

IBM droht der Ausschluß von Regierungsaufträgen in USA

12.01.1990

MÜNCHEN (CW) - Dicke Luft für IBM. Nachdem Untersuchungen und Anhörungen des US-Kongresses unsaubere Praktiken des Computerriesen bei seinen Geschäften mit Regierungsstellen ans Licht gebracht hatten, droht ihm jetzt der Ausschluß von sämtlichen Regierungsaufträgen.

Als ersten Schritt in diese Richtung hat die US-Marine am 19. Dezember letzten Jahres die bisherigen Untersuchungsergebnisse an ihr "Ausschlußkomitee" mit der Bitte weitergeleitet, binnen 90 Tagen einen Bericht und Empfehlungen für das weitere Vorgehen auszuarbeiten. Das Memorandum der beiden Leiter der Untersuchungskommission, John Conyers und Frank Horton, enthält eine Zusammenstellung der bis jetzt ans Licht gekommenen Unregelmäßigkeiten, die einer näheren Überprüfung - eventuell auch durch die Strafverfolgungsbehörden - bedürfen.

Ein Ausschluß durch die Marine würde bedeuten, daß der Marktführer zu keinerlei Regierungsaufträgen mehr zugelassen wäre. In Armonk gibt man sich dennoch gelassen. Ein IBM-Sprecher beharrte darauf, daß die Untersuchungen nichts ergeben hätten, was einen Ausschluß rechtfertigen würde. Die Untersuchung war im Oktober 1988 durch einen Brief von sechs IBM-Konkurrenten an den damaligen Verteidigungsminister Frank Carlucci ausgelöst worden.

Sie beklagten sich darüber daß die Navy ihre Ausschreibungen regelmäßig auf das Angebot von Big Blue hin formulieren würde.

Im Verlauf der Nachforschungen ergab sich, daß Marine-Angestellte bei ihren

Ausschreibungen des öfteren Formulierungshilfe von IBM-Mitarbeitern erhalten beziehungsweise vertrauliche interne Ausschreibungsunterlagen an diese weitergegeben hatten (siehe COMPUTERWOCHE Nr. 47 vom 17. November 1989, Seite 1). "In mindestens zwei exakt dokumentierten Fällen", sagte Conyers, "wurden die Vertragsvorschriften verletzt, um IBM-Produkte gesetzwidrig zu bevorzugen."

Eine Untersuchung des General Accounting Office ergab, daß während der letzten drei Jahre bei der Anschaffung IBM-kompatibler Mainframes und zugehöriger Peripherie in 72 Prozent der Fälle der Auftrag nach Armonk gegangen war. Das entsprach 84 Prozent der Marine-Ausgaben für derartige Mainframe-Hardware.

Andere Vorwürfe beziehen sich auf eine Anzahl kostenloser Managementschulungen, die IBM führenden Navy-Mitgliedern hatte zukommen lassen und die sie auch dann noch weiter offerierte, nachdem mehrere dies aus ethischen Gründen bereits abgelehnt hatten.

Einer der gravierendsten Anklagepunkte betrifft die Tatsache, daß IBM in den Jahren 1985 bis 1987 mehrfach gebrauchte Hardware geliefert hatte, obwohl neue bestellt und auch bezahlt worden war. Dieses "Versehen" hatte Big Blue im Februar 1987 selbst einem Offizier der General Services Administration (GSA) gemeldet.

Es verging ein Jahr, ehe der Offizier die Meldung an den Generalinspekteur weiterleitete. Als dieser die Untersuchung aufnahm, bot IBM 736 000 Dollar Entschädigung an. Später, als weitere Fälle entdeckt wurden, erhöhte Big Blue das Angebot auf 1,5 Millionen Dollar.

In Armonk wird keine dieser Anschuldigungen für ausreichend erachtet, IBM von Regierungsaufträgen auszuschließen. Vor allem der GSA-Fall könne dafür nicht herhalten, weil er nur ein administratives Mißgeschick ohne jede Betrugsabsicht gewesen sei, das man überdies selbst angezeigt habe. Jeder Versuch, dafür Sanktionen verhängen zu wollen, meinte ein Firmensprecher, würde nur dazu führen, daß andere Firmen künftig in ähnlichen

Fällen den Mund halten. +