Branchenmisere zwingt DV-Größen zu mehr Wirtschaftlichkeit

IBM: Die CeBIT-Struktur ist für Universalanbieter nicht optimal

29.03.1991

MÜNCHEN/HANNOVER (bk) - Die Zeiten, da die Großen der DV-Branche für ihre CeBIT-Teilnahme das Geld aus dem Fenster warfen, sind endgültig vorbei. Selbst die IBM Deutschland GmbH, bislang größter Einzelaussteller, will nun einen Schlußstrich unter ihre in den letzten Jahren ausgeuferte Präsenz in Hannover ziehen. Auf der diesjährigen CeBIT waren die Stuttgarter noch mit sieben Ständen vertreten, für 1992 ist Abspecken angesagt.

"Wir können unseren Kunden in dieser aufgesplitteten Größenordnung keinen vernünftigen Überblick mehr über unser Produkt- und Lösungsspektrum bieten", begründet Robert Haak, Messe- und Ausstellungsleiter der IBM Deutschland GmbH, Stuttgart, die geplanten Konzentrationsmaßnahmen. "Unsere Besucher sehen nicht mehr ein, daß sie in drei oder vier Hallen gehen müssen, um sich umfassend über unser Angebot informieren zu können." Deshalb müsse man den Kunden den CeBIT-Besuch erleichtern, wolle man mittelfristig nicht den kürzeren ziehen.

Nun streben die Stuttgarter für 1992 zunächst eine deutliche Konzentration ihrer Aktivitäten auf bestimmte Stände an. Damit folgt IBM anderen Branchengrößen, die bereits zur diesjährigen CeBIT weniger Standfläche als zuvor anmieteten. So reduzierte Digital Equipment beispielsweise von fünf auf drei Stände, Unisys ließ den Plan fallen, einen zusätzlichen Partnerstand zu buchen, und Bull holte die Unix-Partner aus Halle 7 auf den Hauptstand. Dazu ein Insider: "Nirgendwo sonst ist soviel Kapital solange so tot gebunden wie auf der CeBIT. Aber heutzutage kann sich kein Unternehmen mehr leisten, das Geld aus dem Fenster zu werfen. Angesichts der derzeitigen Branchensituation steht die Frage der Wirtschaftlichkeit mehr denn je im Vordergrund."

Das Zusammenfassen der CeBIT-Aktivitäten der IBM auf weniger Stände soll laut Haak indes nur der erste Schritt sein. "Mittelfristig ist unsere Idealvorstellung, uns auch auf der CeBIT an einem einzigen Standort darzustellen.

Auf einer Fläche von 4000 bis 6000 Quadratmetern könnten wir eine prima Messelandschaft zaubern - und dies zudem in einer relativ kurzen Aufbauzeit." Damit kollidieren die Stuttgarter indes noch mit den Vorstellungen der Deutschen Messe AG.

"Die Strukturierung nach Anwendungsschwerpunkten", so Dirk Schomburg von der Hannoveraner Messegesellschaft, "ist vor allem in diesem Jahr vom Besucher voll angenommen und genutzt worden. Dies wurde uns von Ausstellern wie von den Verbänden VDMA, ZVEI und BVB bestätigt. Deshalb werden wir dieses Konzept auf keinen Fall ändern. Wenn wir der IBM, die schon vor einigen Jahren am liebsten eine ganze Halle gebucht hätte, nachgeben würden, kämen andere Unternehmen ähnlicher Größenordnung mit der gleichen Forderung - und dann wäre das Durcheinander wieder da."

Natürlich, so Schomburg weiter, verstehe man die Probleme der IBM, für die es logistisch einfach nicht mehr zu schaffen sei, sieben verschiedene Stände zu unterhalten. Man werde deshalb alles versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden.

Nebenveranstaltungen sollen reduziert werden

Daß die Strukturierung der CeBIT nach Anwendungsschwerpunkten Sinn macht und gelungen ist, ist auch für IBM-Messeleiter Haak unstrittig. "Nur - selbst die beste Struktur kann nicht zu unseren Lasten gehen. Das Haus IBM und Unternehmen vergleichbarer Größe passen in diese Gliederung nicht optimal hinein. Ein Universalanbieter kann nun einmal an einem Platz effektiver und kostengünstiger informieren." Außerdem bekomme man zunehmend zeitliche Probleme mit den Aufbauarbeiten in den verschiedenen Hallen wegen anderer Veranstaltungen auf dem Messegelände im Vorfeld der CeBIT.

Last, but not least sei man auch das ständige Umziehen mit einigen Ständen in andere Hallen leid. "Seit es die CeBIT gibt, mußten wir allein mit dem Stand im Bereich Fertigung schon dreimal die Halle wechseln. Erst waren wir in Halle 18, dann in Halle 23, jetzt in Halle 19. Für das nächste Jahr, das ist bereits bekannt, steht der nächste Umzug an."

Das Dilemma, das Ausstellungsangebot über mehrere Hallen verteilen zu müssen, haben sich die Universalanbieter indes zum Teil selbst zuzuschreiben.

Als die CeBIT 1986 als eigenständige Veranstaltung ins Leben gerufen wurde, waren es gerade einige der Großen der Branche, die sich den nunmehr zur Verfügung stehenden Platz unter den Nagel rissen, um ihr breitgefächertes Angebot ins rechte Licht zu rücken. Da die Hauptstände in Halle 1 nicht zu erweitern waren, bauten sie neue Stände in anderen Hallen auf. Hinzu kamen von Jahr zu Jahr mehr Nebenveranstaltungen, wie etwa die Bankensonderschau oder das Kommunale Anwenderzentrum, die laut Schomburg ursprünglich dazu dienten, die CeBIT als eigenständige Messe attraktiver zu machen und bei denen viele der Namhaften nicht fehlen wollten. Rechtfertigt Haak: "Niemand konnte schließlich ahnen, wie sich die CeBIT entwickeln würde." Damit soll nun ebenfalls Schluß sein, zumal laut Schomburg auch die Branchenverbände die Messe AG aufgefordert haben, derartige Aktivitäten nicht weiter ausufern zu lassen. "Wir werden diese Nebenveranstaltungen sukzessive abbauen."

Ausstellungsfläche wird um zwei Hallen vergrößert

Weiter expandieren dagegen will die Deutsche Messe AG in Sachen Ausstellungsfläche. 1992 sollen zwei weitere Hallen geöffnet werden, was eine zusätzliche Netto-Fläche von 15 000 Quadratmetern beschert. Zwar steht bislang noch nicht fest, ob diese Fläche voll und ganz genutzt werden wird, doch kann sich der Besucher schon jetzt auf noch mehr zu absolvierende CeBIT-Kilometer einstellen.

Bleibt nachzutragen: Die Hannoveraner Messestrategen bilanzierten auch für die diesjährige CeBIT - wer hätte es anders erwartet - einen Besucherrekord. Den Weg auf das Messegelände sollen

570 000 (Vorjahr: 561060) Menschen gefunden haben.