IBM-Deutschland-Chef Henkel: Kein Übermut

26.04.1991

Einmal mehr hat die IBM Deutschland GmbH, Musterknabe unter den nationalen IBM-Gesellschaften, ein erfolgreich verlaufenes Geschäftsjahr hinter sich: Mit 13,3 Milliarden Mark legten die Stuttgarter den höchsten Umsatz ihrer Geschichte vor. Dennoch übt sich IBM-Chef Hans-Olaf Henkel in Bescheidenheit, wenn er sagt, man habe "ungefähr mit dem Branchenwachstum Schritt gehalten". Angesichts der miesen Geschäftsergebnisse der meisten Mitbewerber klingt das wie die Untertreibung des Jahres.

Warum diese Zurückhaltung? Sicher nicht, um den Neid der Konkurrenten zu vermeiden. Eher schon aus dem Gefühl heraus, die Erfolge dieses und des letzten Jahres nicht beliebig wiederholen zu können. Henkel weiß nur zu gut, daß sein Haus im Midrange-Bereich (AS1400) von der Nixdorf-Panne profitiert hat. Und im Osten Deutschlands wurden Claims abgesteckt, bevor die Konkurrenz aufwachte. Garanten für einen Dauererfolg sind das nicht.

Indizien dafür, daß auch das "Dickschiff IBM bei unruhiger See in Mitleidenschaft gezogen werden kann, liefern das nur wenig gestiegene Betriebsergebnis und der Hinweis Henkels auf die weiterhin notwendigen Strukturveränderungen.

Wenn die IBM Deutschland in den nächsten Jahren weiterhin als Cash-Cow der amerikanischen Mutter fungieren will, muß sie den Software- und Service-Anteil am Umsatz weiter erhöhen. Für einen Konzern, der die weltweiten Einnahmen aus, "Programmprodukten" aber in erster Linie der installierten Hardwarebasis und der Abhängigkeit großer Teile der Mainframe-Gemeinde von ihren Betriebssystemen MVS, VSE und OS/400 verdankt, ist das allerdings keine einfache Aufgabe. Eine nationale Niederlassung kann in diesem Bereich kaum etwas bewegen.

Sie ist abhängig von der Politik Armonks, die zur Zeit offenbar dahin geht, die Preise für neue Versionen ihre weichen Ware drastisch zu erhöhen. Das aber ist kein Strukturwandel, sondern das Vorgehen eines Monopolisten.

So kann der von Henkel in Aussicht gestellte Strukturwandel sich eigentlich nur auf die Kostenersparnis im immer weniger lukrativen Hardwarebereich beziehen und auf eine Verstärkung der Sales-force im Softwaresektor. Er selbst hat bereits zugegeben, daß die IBM Deutschland in ihren Fabriken zu viele Menschen beschäftigt. Dieser Überhang wird in den nächsten Jahren sicher "sozialverträglich" abgebaut und verhilft zur Kostenreduktion, aber eben nicht zu mehr Umsatz im Softwarebereich. Den kann die IBM - und zwar weltweit nur dann erhöhen, wenn sie ihre wortreich angekündigten Konzepte wie SAA, Officevision, AD/Cycle und nicht zuletzt OS/2 inklusive seiner grafischen Oberfläche endlich mit Leben erfüllt.