IBM: Demontage eines Denkmals

06.12.1991

Seit Jahrzehnten stellt die IBM in den Köpfen von Branchenbeobachtern eine eigene Kategorie dar. Sie ist das DV-Unternehmen mit dem höchsten Umsatz (1990 rund 51 Milliarden Dollar mehr als der Branchenzweite) und mit den meisten Installationen. Daß der Gewinn des blauen Riesen ebenfalls nicht seinesgleichen fand, verwundene angesichts der monopolartigen Stellung im Mainframe-Bereich ebenfalls niemanden. IBM hatte auch beim Mitbewerb die Aura der Unschlagbarkeit: Nicht selten steckten sich die Konkurrenten das Ziel "Zweiter hinter IBM" zu werden. Niemand war so vermessen, Mother Blue aus ihrer Führungsrolle verdrängen zu wollen.

Ist das vorbei? Ist das Denkmal IBM zur Demontage freigegeben? Die Zeiten jedenfalls könnten für die Armonker nicht schlechter sein. Seit 1986 büßte das Unternehmen neun Prozent seines Marktanteils ein, der Mainframe-Markt wächst nicht mehr wie gewohnt, die PC-Clone-Hersteller machen der IBM das Geschäft ebenfalls schwer, und die AS/400-Hausse dürfte angesichts des sich abzeichnenden Unix- und Workstation-Booms auch nicht mehr allzulange vorhalten.

In diesem Jahr nun rechnet Big Blue wegen der angekündigten außerordentlichen Belastung in Höhe von drei Milliarden Dollar nicht nur mit roten Zahlen für das vierte Quartal, sondern gegenüber 1990 auch mit Umsatzeinbußen von vier Milliarden Dollar für das gesamte Jahr.

Viel schwerer wiegt jedoch, daß es Chairman John F. Akers bisher nicht geschafft hat, die Weichen richtig zu stellen. Seine zahlreichen Umstrukturierungsversuche haben keine nachhaltige Richtungsänderung des IBM-Zuges bewirkt. Auch die ausdrückliche Aufforderung an die 373 000 Mitreisenden, doch gefälligst mehr Leistung zu zeigen, schließlich arbeite man in einem gewinnorientierten Unternehmen, das es sich nicht leisten könne, uneffektive Mitarbeiter mitzuschleppen, hat außer Entrüstung bei den Angesprochenen nichts bewirkt.

Nun steht also die nächste - von Insidern auch als "blaue Revolution" apostrophierte - Umstrukturierung ins Haus. Verdient hat sie sich diese auf große Umwälzungen hindeutende Bezeichnung noch nicht. Akers hat bislang nicht erklärt, wie die Abnabelung ihrer Business-Units vom Headquarter funktionieren soll, wo IBM verstärkt investieren will, und welche Personen die dann unabhängigen Bereiche führen sollen. Einziges bisher bekanntes Faktum ist die weitere Reduktion der Mitarbeiterzahl um 20 000 Leute im nächsten Jahr. Alles andere erfolge schrittweise in den nächsten Jahren, hieß es aus Armonk.

Daß es Akers dieses Mal schafft, das Unternehmen auf die richtigen, sprich: zukunftsweisenden, Gleise zu bringen, darf also bezweifelt werden. Wallstreet glaub jedenfalls nicht daran.