IBM bündelt sein Collaboration-Portfolio

31.01.2005
Von Michael Wagner
Die IBM führt unter der Bezeichnung "Workplace Collaborative Services" die bisher separaten Groupware-Anwendungen zusammen. Das neue Bundle ergänzt die vor einigen Monaten vorgestellte "Express"-Version.

Die am meisten beachtete Ankündigung auf der diesjährigen IBM-Hausmesse Lotusphere betraf die "Workplace Collaborative Services 2.5". Sie beruhen auf der Java 2 Enterpreise Edition (J2EE) sowie auf der DB2-Datenbank und gelten langfristig als Nachfolger von Notes/Domino. Die neue Version fasst das ausufernde Workplace-Portfolio zu einem Produkt zusammen und wartet mit einem neuen Collaboration-Tool namens "Activity Explorer" auf.

Die Workplace-Produktfamilie besteht somit in der Version 2.5 nur noch aus zwei Produkten: den Workplace Collaborative Services für den Enterprise-Einsatz und den "Workplace Services Express", der Ausführung für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU). Interessanterweise reicht für Ambuj Goyal, General Manager für Lotus, der KMU-Markt bis in die Größenordnung von 5000 Nutzern - erfreulich für die Business-Partner, denn IBM Global Services konzentriert sich auf das obere Segment.

Die Workplace Collaborative Services versammeln alle vormals eigenständigen Workplace-Produkte: "Messaging & Calendaring", "Instant Messaging & Web Conferencing", "Team Collaboration", "Documents", "Web Content Management "und "Learning". Dazu gesellt sich der Activity Explorer als übergreifendes Werkzeug, der "Workplace Builder" für die Konfiguration sowie die "Workplace Client Technology" (WCT) als offline-fähiges Frontend. Das alles soll noch im ersten Quartal 2005 in neuer Fassung verfügbar werden.

Neues Tool für Endbenutzer

Der Activity Explorer ermöglicht eine spontane Zusammenarbeit mit Hilfe gemeinsamer Ordner, Dokumente, dauerhaft gespeicherten Chat- und Whiteboard-Sessions sowie Dateitransfer - all das ohne administrativen Aufwand. Damit bietet die IBM innerhalb von Workplace erstmals ein auf die Bedürfnisse des einzelnen Benutzers zugeschnittenes Werkzeug an, während bislang die auf Policies beruhende, zentrale Verwaltung in den Vordergrund gerückt wurde. Die fehlenden Archivierungs- und Suchfunktionen zeigen aber, dass der Activity Explorer noch am Anfang seiner Entwicklung steht.

Workplace Services Express beschränkte sich bisher auf Mail, Instant Messaging, Team Collaboration und den Workplace Builder. Die nächste Version, die IBM für das zweite Quartal ankündigte, erbt von den WCS die Client Technology und den Activity Explorer. Die verbesserte Installationsroutine von WSE wird umgekehrt den WCS 2.5 spendiert.

Service-Orientierung

Der Begriff "Services" in der neuen Namensgebung kommt nicht von ungefähr. Er soll verdeutlichen, dass nun alle Funktionen der Workplace-Produktpalette auch als Web-Services im Rahmen einer Service Oriented Architecture (SOA) zur Verfügung stehen. Auch wenn die IBM es nicht demonstrierte, dürfte eine Integration mit Microsofts .NET daher recht einfach möglich sein.

Als weiteres Entwicklungswerkzeug neben dem Workplace Builder kündigte IBM den "Workplace Designer" für die schnelle Entwicklung von Workplace-Komponenten an. Der Workplace Designer orientiert sich nicht nur dem Namen nach am "Domino Designer", sondern bietet auch eine ähnliche Arbeitsmetapher. Mit ihm können Entwickler per Drag and Drop Benutzeroberflächen zusammengestellen.

Workplace Designer

Damit hören die Gemeinsamkeiten mit Domino Designer auch schon wieder auf. Dem neuen Werkzeug liegt reines J2EE zugrunde, das lediglich mit einer intuitiven Verpackung ausgestattet wurde. Die Formulare basieren auf "Java Server Faces", das GUI ist in der Regel über Javascript programmierbar und die Paletten mit Oberflächenelementen lassen sich um Controls von Drittanbietern erweitern.

Der Workplace Designer erzeugt Portlets nebst Deployment-Deskriptoren, die sich als Komponenten in das Workplace-Portal einfügen. Mit dem Workplace Builder lassen sich diese Bausteine dann in Templates integrieren und nach der Instanziierung der Schablonen innerhalb von Anwendungen nutzen.

Der bisherige Weg zur Erstellung einer Workplace-Komponente ist die Entwicklung in Java. Dafür stellt IBM ein erweitertes API zur Verfügung. Das API-Toolkit ist auf den Rational Application Designer (RAD, vormals auch als "Websphere Studio Application Developer" - WSAD - bekannt) abgestimmt, alternativ kann aber auch die Entwicklungsumgebung Eclipse direkt genutzt werden.

Für die Workplace-Client-Technologie ist derzeit nur die manuelle Entwicklung von Komponenten möglich. Das API dafür ist aber noch sehr grob und bietet in vielen Bereichen, wie etwa bei der Synchronisierung von Daten, nur unzureichende Unterstützung. Komponenten für den Rich Client sind im Wesentlichen Eclipse-Viewpart-Elemente, die noch weitgehend von Hand programmiert werden müssen. Der Workplace Designer wird im ersten Release (geplant für das zweite Quartal 2005) die Client-Technologie noch nicht unterstützen.

Plugin für Notes-Anwendungen

Aufgrund der starken Kundennachfrage hat sich IBM dazu durchgerungen, die Workplace-Client-Technologie mit Funktionen der Version 7 von Lotus Notes auszustatten. Notes muss dann zwar noch separat installiert werden. Aber das Eclipse-Plugin erkennt den lokalen Notes-Client automatisch und kann alle dafür geschriebenen Anwendungen ohne funktionale Einbußen im Java-Client ausführen.

Linux und Macintosh, die beiden anderen von der Workplace-Client-Technologie unterstützten Plattformen, werden in den Versionen 7.0.x folgen. Dabei kommt es unter Linux teilweise zu einer Neuauflage des mit Notes 4 eingestellten Unix-Clients. Ein vollständiger Linux-Client ist nach den Worten des Lotus-Entwicklungsleiters Mike Rhodin allerdings nicht geplant.

Notes Domino 7

Die Ankündigung von Notes/ Domino 7 für den Sommer 2005 war das zweite große Thema auf der diesjährigen Lotusphere. Wie schon länger bekannt, liegen die Neuerungen des Updates primär auf der Server-Seite. Der Client geht jedoch nicht ganz leer aus.

Zu den Verbesserungen von Notes zählen eine automatische Darstellung von Mail-Threads, konfigurierbare Menüs, die sich mit der rechten Maustaste aktivieren lassen, die Möglichkeit, alle Ordner zu finden, in denen auf ein bestimmtes Dokument verwiesen wird, sowie eine Vielzahl kleinerer Änderungen.

Auf der Server-Seite verspricht die IBM Performance-Gewinne von bis zu 70 Prozent unter Windows und 300 Prozent unter Linux. Möglich werden soll sie vor allem durch eine Verbesserung der Speicherverwaltung sowie des Multithreadings. Von der ebenfalls in Domino 7 erstmals verfügbaren, aber schon auf der letzten Lotusphere vorgestellten Unterstützung für DB2 hängen die genannten Leistungsverbesserungen jedoch nicht ab.

Mit dem Domain Monitoring vereinfacht IBM die Zusammenfassung von Statusinformationen aus einer Hierarchie von Protokolldatenbanken in einer zentralen Ablage. Eine spezielle Software analysiert die gesammelten Daten, identifiziert Probleme, die nicht nur einzelne Systeme betreffen, und stellt Lösungsvorschläge zusammen. Mit dem Domain Monitoring macht IBM einen ersten Schritt in Richtung Autonomic Computing für Domino. Damit möchte das Unternehmen eine weitgehende Selbstverwaltung von Softwaresystemen erreichen.

Für die Entwicklung von Notes- und Domino-Anwendungen gibt es viele kleine und eine wirklich fundamentale Neuerung. Domino wird mit dem Release 7 in die Lage versetzt, Web-Services direkt zu unterstützen. Der Domino Designer kann für Lotusscript- und Java-Funktionen entsprechende Beschreibungen in WSDL 1.1 erzeugen. Sie lassen sich mittels Soap 1.1 über HTTP ansprechen. Als Programmiermodell werden entfernte Methodenaufrufe (RPCs) und asynchrone (Message-orientierte) Web-Services unterstützt. Am umgekehrten Fall von Notes oder Domino als Konsumenten eines Web-Service wird noch gearbeitet.

Koexistenz und Portierung

Die Web-Services-Unterstützung durch Domino kommt nicht von ungefähr. Damit wird die Integration von Notes-Anwendungen in die Workplace-Umgebung deutlich vereinfacht. Alternativ ermöglicht der Workplace-Designer den Import von Notes Design-Elementen in die Welt der Java Server Faces, wobei die Backend-Verbindungen der Benutzerschnittstellen zu Domino automatisch erzeugt werden. (ws)