Mikrocomputer befinden sich auf der Überholspur:

IBM braucht noch Zeit bis zur Spitze

21.10.1983

WIESBADEN (CW) - Erhebliche Wertverschiebungen bahnen sich als Folge des rasant zunehmenden Absatzes von Mikrorechnern am internationalen Computermarkt an. Während 1970 die großen Universalrechner beispielsweise noch 81 Prozent des gesamten Lieferwertes von Hardware ausmachten. wird dieser nach Untersuchungen der International Data Corporation (IDC) bis 1886 auf 40 Prozent fallen. Mikrocomputer werden 1980 bereits 30 Prozent der wertmäßigen Gesamtauslieferungen ausmachen. Minicomputer bringen es dann auf 22,Small-Business-Systeme auf acht Prozent.

In den USA, dem größten homogenen Computermarkt der Welt, hat der Lieferwert der Mikrocomputer bereits den von Terminals und Small-Business-Computern überrundet. In diesem Jahr werden die Mikros den Lieferwert der Minicomputer übersteigen und Ende 1984 sogar die General Purpose Computer überflügeln. Die IDC-Prognose basiert auf den Endabnehmerpreisen für Mikrocomputer und der Annahme, daß 1983 weltweit 7,1 Millionen und 184 11,2 Millionen Mikrocomputer ausgeliefert werden.

"Kollaps-Meldungen" einzelner Anbieter ändern nicht daran daß der Markt selbst die Idee des Mikros akzeptiert und diese durch entsprechende Käufe honoriert. Die Fakten:

1981 überholten die Auslieferungen von Mikros in USA wertmäßig die von Terminals;

1982 wurden die Small-Business-Computer überrundet;

1983 sind die Minicomputer dran und

1984 wird aller Voraussicht nach der Wert der in USA ausgelieferten Mikros sogar die einst allmächtige Domäne der General Purpose Computer auf die Plätze verweisen (gemessen am Enduserpreis).

Dies gilt zunächst für die USA. In Europa und insbesondere in der Bundesrepublik vollzieht sich dieser Prozeß mit einiger Zeitverzögerung. Nichts spricht jedoch dafür, daß eine Parallelentwicklung vollkommen abgewendet werden könnte. Stückzahlmäßig scheint der Markt für Mikrocomputer lediglich durch demographische Zahlen begrenzt. IDC schätzt, daß 1986 weltweit 57998000 Mikro- oder Personal Computer installiert sein werden, wobei in dieser Zahl den PCs vergleichbare Terminals mit eingeschlossen sind.

Davon werden nach IDC-Prognosen 1986

- 62 Prozent für Home/Hobby-Anwendungen

- 32 Prozent für Business-Anwendungen

- 4 Prozent für Education-Anwendungen

- 2 Prozent für technisch-wissenschaftliche Anwendungen

im Einsatz sein.

Im Business/Professional-Markt wird IBM mit dem im August 1981 angekündigten PC schon Ende dieses Jahres eine dominierende Rolle spielen. Der IBM-PC-Umsatz wird in diesem Jahr die Milliarden-Dollar-Marke überschreiten. In den USA hat IBM mit dem PC die Marktführung im Business-Markt bereits übernommen. In den internationalen Märkten, also auch in Europa, wurde der IBM-PC erst Anfang diesen Jahres angekündigt und braucht noch etwas Zeit, um in einzelnen Ländern Westeuropas Marktspitze vorzudringen.

In der Bundesrepublik Deutschland wurden 1982 nach IDC-Recherchen 223000 Mikrocomputer ausgeliefert. 71 Prozent davon gingen in Haushalte, 29 Prozent in Betriebe Schulen und an Freiberufler. Sechs Hersteller teilen sich fast zwei Drittel der Marktanteile mit ihren Mikros. Per Ende 1982 sahen die Marktanteile in Deutschland wie folgt aus:

Commodore 26 Prozent

Apple 11 Prozent

Hewlett-Packard 10 Prozent

Tandy 7 Prozent

Kontron 6 Prozent

Triumph-Adler 5 Prozent

Restliche Anbieter 35 Prozent

Verschiebungen dieser Marktstruktur sind im Gange. IBM, DEC, Olivetti, Burroughs und NCR streben nach vorn. Einige Japaner mischen sich in das Geschehen ein. So wird vermutlich Fujitsu jetzt 15 Händler vorweisen können und NEC mit dem portablen 8200 die Aufmerksamkeit auf sich lenken.

Der momentane Preiskampf zeigt wie tief dieser Markt in einen Verdrängungswettbewerb geraten ist. Im Business/Professional-Marktsegment waren im Verlauf dieses Jahres Preisreduzierungen an der Tagesordnung. Die meisten Anbieter reduzierten während der Hannover Messe 1983 (oder kurz danach, häufig wenige Wochen nach der Erstankündigung ihrer Produkte) ihre empfohlenen Endverkaufspreise um durchschnittlich 20 Prozent. Apple senkte den Preis für die in Hannover erstmals gezeigte Lisa kürzlich um 10 Prozent auf 25800 Mark.

Die Homecomputerpreise fielen seit Anfang dieses Jahres in einigen Fällen um 50 Prozent (Commodore) seit 1981 gar um 75 Prozent. Diese Spirale ist nach IDC-Einschätzungen noch nicht abgeschlossen. Vor allem im Home/Hobby-Markt ist nach dem bevorstehenden Eintritt der IBM mit dem "Peanut" noch einige Bewegung zu erwarten.

Wann IBM den "Peanut" bringt, ist momentan schwer abschätzbar. Ursprünglich gingen Marktbeobachter davon aus, daß IBM sich einen Teil aus dem bevorstehenden Weihnachtsgeschäft herausschneiden möchte. Dies hätte auf eine Ankündigung im September/Oktober hingedeutet. Informationen von Zulieferern (Bauteile etc.) lassen eine Ankündigung im Oktober noch für wahrscheinlich erscheinen.

Andererseits sprechen Entwicklungen an der Wettbewerbsfront

dafür, daß IBM sich Zeit lassen kann (oder auch muß) und nicht unbedingt schon im diesjährigen Weihnachtsgeschäft mit einem Homecomputer mitmischt. Immerhin wird auch der PC nicht selten von Privatleuten gekauft, die mit dem Peanut auskommen würden.

Ähnlich sieht es in der geschäftlichen Einsatzsphäre des IBM-PC aus. Die schnelle Akzeptanz des PC im Business/Professional-Markt brachte IBM bereits im letzten Jahr auf 15,5 Prozent Marktanteil, 1981 waren es noch 6 Prozent. Auch hier ist davon auszugehen, daß der PC häufig wegen der Vielzahl der vorhandenen Anwendungssoftware seinen Käufer findet.

Meldungen aus der Mikrobranche

Altos, 1977 in Kalifornien gegründet, hat sich inzwischen auf Platz eins der 500 schnellstwachsenden US-Unternehmen hochgekämpft. Im letzten Geschäftsjahr wurden mit Business-Mikros 350 Millionen Mark umgesetzt. Altos hat sich von Anfang an auf Mehrplatzsysteme spezialisiert und liegt heute mit drei Serien (8 Bit, 16 Bit, 16/32 Bit) im Rennen. In Europa wurden inzwischen 7800 Altos-Mikros (Teamcomputer) abgesetzt, etwa 3000 davon in Deutschland.

Apple startete mit einer Preissenkung um rund elf Prozent jetzt eine weltweite Lisa-Offensive. Auch in Deutschland wurde der Basispreis für die Lisa (1024 KB, 5 MB-Winchester, Grafikbildschirm, Maus und sechs Lisa-Anwendungspakete) von bisher 28500 Mark auf 25800 Mark gesenkt. Die Lisa wird inzwischen auch in Europa (Cork/Irland) produziert.

Burroughs erhielt von der US-Luftwaffe einen 20-Millionen-Dollar-Auftrag für 500 Mehrplatzsysteme B20. Die US-Air-Force will die Burroughs-Minis für Trainingszwecke einsetzen.

Commodore erzielte im letzten Geschäftsjahr (30. 06. 83) mit ihrer Deutschland GmbH einen um 66 Prozent gestiegenen Umsatz von 315,8 Millionen Mark. Davon gingen etwa 100 Millionen an den deutschen Abnehmermarkt, der restliche Umsatzanteil kommt aus Braunschweig, wo Commodore Mikros produziert, die auch in andere Länder geliefert werden. Auch das erste Quartal (1. 7.-30. 9. 83) deutet auf einen neuen Rekord im laufenden Geschäftsjahr hin. Die ersten drei Monate brachten Commodore in Deutschland (ohne Werkumsätze Braunschweig) einen auf 50 Millionen Mark gestiegenen Umsatz.

Fortune Systems kündigte jetzt neue Einstiegsmodelle an, die das Unternehmen auch in den Markt für Einplatz-Mikros bringen. Das 32: 16 Modell PS 10 (384 KB und 10 MB Festplatte) liegt knapp unter 20000 Mark Einstiegspreis. Für 31000 Mark wird das Modell PS 20 (512 KB, 20 MB Festplatte und zwei Arbeitsplätze) geliefert. Die neuen Modelle benutzen Unix als Betriebssystem. Fortune hat von der 32:16-Serie bisher rund 10000 Systeme ausgeliefert, davon etwa 1500 in Europa. In der Bundesrepublik verfügt Fortune über 33 Händler und 14 Software-Partner. Weltweit wurde im ersten Halbjahr 1983 ein Umsatz von 32,7 Millionen Dollar und ein Gewinn von 305000 Dollar erzielt.

Fujitsu hat die ersten Händlerverträge für seinen 16-Bit-Mikro geschlossen. 1984 sollen es 50 und 1985 etwa 80 Händler sein. In Japan hat man seit Ankündigung des Mikros (vor drei Jahren) inzwischen 250000 Stück abgesetzt und hält dort einen Marktanteil von 12,5 Prozent. Stärkste Sparte von Fujitsu sind nach wie vor die Großcomputer, mit denen im letzten Geschäftsjahr 2,36 Milliarden Dollar Umsatz (59 Prozent des Konzernumsatzes) erzielt wurden.

Hewlett-Packard kündigte einen neuen PC, das Modell HP 150 an. Die deutsche Version des neuen auf den Business-Markt zielenden HP-Mikros wird ab Frühjahr 1984 von Grenoble (Schweiz) geliefert. Wesentliche Neuheit am HP 150 ist ein "Kontakt-Bildschirm", der durch Berühren von auf dem Bildschirm gezeigten Feldern, den vom Benutzer gewünschten nächsten Arbeitsschritt einleitet. Die Felder stellen in grafischen Symbolen oder erläuternden Texten verständliche Bürofunktionen, wie Ablegen, Drucken, Rechnen etc. dar. Dabei folgt HP von der Xerox (Star) und Apple (Lisa) eingeleiteten Verbesserung der Schnittstelle Mensch/Maschine, ohne hierzu eine "Maus" zu benötigen. Möglicherweise ist HP mit der Kontakt-Technik sogar besser beraten. Der momentan so modernen Maus wird von Fachleuten nicht allzuviel Zukunft eingeräumt.

Olivetti kündigte jetzt unter dem Modellnamen M 10 einen tragbaren Mikro an, der von dem japanischen Hersteller Kyocera entwickelt wurde. Der M 10 hat viel Ähnlichkeit mit dem Tandy-Portable TRS-100. Olivetti entwickelt zur Zeit nach Ansicht von Marktbeobachtern eine weitere Mikro-Serie, die auf den Intel-Prozessoren 8086 und 8088 basiert.

Quelle: IDC Markt Info Service 17/83, herausgegeben von der IDC Deutschland GmbH, Wiesbaden.