DV-Anbieter werden zu Dienstleistern

IBM bereitet sich jetzt auf das große Servicegeschäft vor

27.04.1990

MENLO PARK (IDG) - Den unausweichlichen Rückgang des Rechnergeschäftes vor Augen, bastelt die IBM an einem zweiten Standbein: dem Dienstleistungsmarkt. Die Armonker bemühen sich um Unternehmen, die Teile ihrer Datenverarbeitung auslagern wollen. Bisher hat sich Big Blue bereits in etwa 150 amerikanische Rechenzentren eingekauft.

Um sich auch in Zukunft die gewohnten Marktanteile zu sichern, trägt IBM einer weltweiten Entwicklung Rechnung, die sich seit einiger Zeit abzeichnet: dem sogenannten "Outsourcing". Große Unternehmen übergeben zentrale DV-Funktionen an externe Dienstleister - ein Trend, der im vergangenen Jahr durch ein entsprechendes Vorgehen der Eastman Kodak Corp. erstmals einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt wurde.

Das Unternehmen hatte im Sommer 1989 seine RZ-Aktivitäten an IBM und im Herbst das Management sämtlicher Sprach- und Datennetze an DEC übergeben (vgl. CW Nr. 46 vom 10. November 1989, Seite 1: "Kodak überträgt DEC das Management sämtlicher Netze"). Daß diese Entscheidung kein spektakulärer Einzelfall war, zeigten DV-Auslagerungen bei der First Tennessee Bank in Memphis, wo ebenfalls IBM die RZ-Aktivitäten übernahm, oder der Coup der NCR Corp.: Das Unternehmen wartet die Systeme der australischen Commonwealth Bank.

Um auf diesem jungen Markt konkurrenzfähig zu sein, will sich Big Blue im kommenden Jahrzehnt den fremden Systemwelten öffnen. "Die Tage, in denen IBM nur den Service für das hauseigene Equipment angeboten hat, sind endgültig vorbei", prophezeit Marketing Vice-President Thomas Eposito. Der für den Service in den USA Verantwortliche berichtet von IBM-Plänen, nach denen seine Abteilung allein vier Milliarden Dollar in Bereiche wie den LAN-Support oder in die Softwaremigration investieren will.

Eine rücksichtslose Verdrängungsstrategie werden große Hersteller wie IBM oder DEC in dieser neuen DV-Landschaft nicht mehr fahren können. Je zentraler die Rolle der Dienstleistungen, desto wichtiger wird auch die Zusammenarbeit der Serviceanbieter. "Jedes Unternehmen ist zugleich Konkurrent, Mitarbeiter und Kunde", so die ersten Erfahrungen von Henry Pfendt, Direktor der Informationstechnologie-Services bei Eastman Kodak. Ohne eine enge Zusammenarbeit von IBM, DEC und Kodak stünde die Datenverarbeitung in seinem Unternehmen still.

Nach Ansicht von Harvard-Professor James Heskett werden in Zukunft immer mehr Unternehmen von solchen DV-Auslagerungen Gebrauch machen. "Wer seine Geschäfte kontrolliert abwickeln will, muß heute nicht mehr unbedingt ein eigenes Rechenzentrum betreiben", erläutert der Wirtschaftsexperte. Heskett geht davon aus, daß die Überantwortung der Datenverarbeitung an unabhängige Serviceanbieter zu einer Straffung der Unternehmen und zu einer Verbesserung von Produkt- und Dienstleistungsangeboten führen kann.