Datei-Kompatibilität zu Zentralrechnern wird immer wichtiger:

IBM auf einen Desktop-Boom gut vorbereitet

11.12.1981

MÜNCHEN (CW) - Obgleich die Verkäufe sogenannter Desktop-Computer (Tischcomputer) erst rund sechs Prozent des Gesamtmarktes ausmachen, so ist das jährliche Wachstum der Auslieferungen von 49,2 Prozent doch erstaunlich. Mit Ausnahme von Burroughs, NCR und CDC haben alle großen DV-Anbieter Desktop-Computer aggressiv auf den Markt gebracht.

Angesichts der sehr starken Nutzung von Apple- und Commodore-Maschinen für die Textverarbeitung haben Anbieter wie Honeywell, Xerox und DEC gleichfalls den TV-Kurs eingeschlagen. Doch obgleich Textverarbeitungsfunktionen notwendig sind, zeichnen sich andere Trends ab:

- OEMs: Systemhäuser und andere Distributoren bereiten sich derzeit auf den Desktop-Boom vor wie auch traditionelle OEM-Lieferanten (Data General oder Digital Equipment). Japanische Anbieter von Tischrechnern werden diesen Weg ebenfalls einschlagen. Softwarehäuser verstärken ihre Anstrengungen, Programme für Kleinstrechner zu entwickeln.

- Kommunikation: 3270 entwickelt sich zum Standard. Diejenigen, die diese Möglichkeit noch nicht anbieten, werden nachziehen. Auch die File-Kompatibilität mit größeren Maschinen der Anbieter setzt sich langsam durch.

- Standard-Bauteile: Nur Digital Equipment und Honeywell benutzen eigene Logik-Chips. Wang, Xerox und Hewlett-Packard kaufen bei Zilog ein, IBM sitzt fest im Intel-Lager mit allen Desktop-Produkten.

- CP/M: Viele Anbieter stimmen darin überein, daß CP/M kein sehr leistungsstarkes Betriebssystem ist und sich auch abhängig vom Rechnertyp unterschiedlich verhält. Dennoch wächst der CP/M-Markt stark an. Die Mehrzahl der Anbieter unterstützt dieses Betriebssystem. Selbst IBMs Schreibsystem ist damit lieferbar. Apple und Tandy scheren noch aus der CP/M-Front aus, doch wird für den Apple II bereits eine CP/M-Karte angeboten.

- Grafik: IBM bestimmt hier die Gangart, indem das Unternehmen bereits seinen kleinsten Personal Computer mit Grafikfunktionen ausrüstet. North Star bietet nach eigenen Angaben das erste Bit-Mapped-Grafikpaket für seine auf dem Z80-Prozessor basierende Serie an.

Größere Systeme haben noch einen Vorsprung bei dem Anschluß von Festplatten, bei verteilten Systemen sowie in der 16-Bit-Architektur. Zur Zeit beherrschen Systeme das Personal Computer-Angebot, die mit Floppy-Disks arbeiten. Doch Tandy brachte kürzlich eine 8,5-MB-Platte auf den Markt, die sich zwei Benutzer teilen können. DEC bietet eine 12-Zoll-Platte für den Decmate an. Mit der wachsenden Leistungsfähigkeit der Desktops sowie damit steigenden Anforderungen seitens der Anwender erhöht sich auch die Nachfrage nach mehr Speicher für die Kleinstsysteme.

Erhöhte Kapazitäten sind auch notwendig, da der größte Vorteil der 16-Bit-Zentraleinheiten weniger in einer erhöhten Verarbeitungsgeschwindigkeit als vielmehr im großen Adreßraum liegt.

IBM ist derzeit der einzige bedeutende US-Anbieter, der einen 16-Bit-Prozessor nutzt. Dies wird sich jedoch ändern, wenn die Tischrechner-Anbieter mit größeren Desktops herauskommen, die gezielt den sogenannten Small-Business-Markt angehen sollen und dabei direkt in Konkurrenz mit "Low-end"-Minicomputern treten werden. Die Fortune Systems (FS) will 8,5 Millionen Dollar aufwenden, um einen gemischten 16/32-Bit-Mikrocomputer zu entwickeln. Er soll auf Motorolas 68000-Prozessor sowie dem Unix-Betriebssystem basieren. FS wird von Gary Friedman geführt, einem Mitbegründer der Itel Corp. Ehemalige Itel-Leute stellen auch den größten Teil des FS-Managements.

Netzwerke ermöglichen eine hohe Rechnerverfügbarkeit sowie die Einsparung teurer Peripheriegeräte. Unter den größeren Anbietern verfügt derzeit nur Tandy über ein Konzept. Das Unternehmen nutzt Datapoints Arc-Protokolle. Nestar hatte einigen Erfolg mit Netzen auf Apple-II-Basis und erwartet ein rasantes Wachstum des Marktes für lokale Netzwerke auf Desktop-Basis in den nächsten drei bis fünf Jahren.

IDC sieht die IBM hier als Gewinner auf der ganzen Linie, obgleich der blaue Riese bisher nur für das Schreibsystem 3270-Emulation anbietet. Sie ermöglicht dem Benutzer, Daten von einem 370/303X/4300-Zentralrechner abzurufen, auf den Desktop-Floppies zu speichern und damit zu arbeiten. Ebenso könne der Anwender Dateien auf seinem Tischrechner erzeugen und im Speicher des Hostrechners ablegen.

Der Gesamtmarkt für Tischcomputer wird IDC zufolge bis 1985 auf eine Milliarde Dollar anwachsen. Der IBM-Anteil soll sich dann auf rund 25 Prozent belaufen. Der Hauptkonkurrent für IBMs Personal Computer könnte nach Ansicht der US-Marktbeobachter aus dem eigenen Hause kommen: das Schreibsystem. Scheinbar nur für die Textverarbeitung ausgelegt, werden doch die DV-Funktionen ständig erweitert. So hat Digital Research CP/M für das Schreibsystem verfügbar gemacht, IBM selbst erweiterte das Gerät um 3270-Kommunikation unter SNA, und die United American Service Company strickte ein Softwarepaket, mit dem das Schreibsystem als Remote-Terminal via 2260 oder 3270 fungieren kann.

Keine große Begeisterung für das Betriebssystem CP/M empfindet das US-Systemhaus Personal Software, Entwickler des Programmpakets Visicalc. Einem Sprecher des Unternehmens zufolge sei es erheblich einfacher, ein Apple-II-Programm so umzuschreiben, daß es auch auf dem (inkompatiblen) Apple III läuft, als ein CP/M-Programm von einem IBM-Desktop zu einem Xerox zu transferieren. Echte Portabilität zwischen CP/M-Maschinen existiert nach Ansicht von Personal Software "tatsächlich nicht". Das Unternehmen zieht für sich den Schluß daraus, Programme für spezielle Maschinen zu entwickeln.