Prioritaeten gesetzt

IBM-Anwender fordern: Mit R/3 rasch auf den Mainframe

12.04.1996

"Was ein Client und ein Server ist, moechte ich nicht von der IBM oktroyiert bekommen - das will ich selber entscheiden koennen", verwehrt sich Bruno Bickel, Abteilungsleiter Rechner und Netze beim Energieversorger Neckarwerke, Esslingen, gegen die offenbar als zu starr empfundenen IBM-Konzepte. "Wenn die IBM das begriffen hat, wird vieles in der DV wieder moeglich." In dieselbe Kerbe schlaegt Juergen Leimgruebler von der Norac Rechenzentrum GmbH in Luebeck, der der GSE-Arbeitsgruppe Data Center vorsitzt: "Die Anwender wollen sich die durch die Client-Server-Technik gewonnenen Freiheiten nicht mehr nehmen lassen. Sie wollen keinen Loesungsanbieter und Systemintegrator IBM, der ihnen die muehsam erworbenen Skills streitig macht."

Deutlich liess Bickel in seinem Vortrag ueber Sicherungsverfahren bei den Neckarwerken mit Hilfe des Advanced Distributed Storage Managers (ADSM) auch Kritik an der Produktpolitik des Hauses IBM anklingen. Sein Tenor: Einiges ist gar nicht uebel, und manches gibt es umsonst - doch muss man erst einmal herausfinden, ob ein gesuchtes Produkt existiert, und dann muehsam austesten, was es alles kann. Haeufig seien im Produktumfang zusaetzliche undokumentierte Tools versteckt, da sich die IBM nur jeweils fuer den Mindestumfang zustaendig erklaere.

Die Benutzer verlangen Service statt DoktrinenH4>/H4>

Auch zum Thema Migration meldet Bickel Kritik an. Die Neckarwerke haben Cobol-2-Programme auf das objektorientierte Cobol /370 umgestellt. Ein bisschen mehr Unterstuetzung habe man sich schon von der IBM erhofft, letztlich musste alles selbst ausprobiert und konfiguriert werden. Im Resuemee: " Bei vielen Misserfolgen spricht man von Erfahrung. Wir haben viel Erfahrung."

Geradezu glaenzende Augen bekamen Bickel und andere Referenten allerdings beim Thema Kostenersparnis in Verbindung mit neuen und funktionsreicheren Releases. So haetten die Neckarwerke ihre Lizenzkosten bei der Umstellung von ADSM, Version 1, auf Version 2 um 40 Prozent reduzieren koennen. GSE-Vertreter Leimgruebler sprach von Lizenzeinsparungen fuer einen 160-Mips-Rechner in Hoehe von 300000 Mark pro Jahr, die durch einen Release-Wechsel vom Mainframe-Betriebssystem MVS 4.3 auf die Version 5.2 moeglich geworden seien.

Hoch gingen die Wogen auf der Konferenz bei der Diskussion um die Portierung der Client-Server-Standardsoftware R/3 von SAP auf MVS beziehungsweise auf das Nachfolge-System OS/390. Nur ein Mainframe, so die IBM-Anwender, biete die notwendige Kapazitaet fuer den Einsatz der Standardsoftware. Die bisher groesste R/3- Installation sei bislang mit 1700 gleichzeitig angemeldeten Benutzern geplant, fuehrt Leimgruebler aus. Hier aber beherrschten Groessenordnungen von 5000 Usern die Ueberlegungen. In erster Linie solle der Mainframe in einer Drei-Schichten-Architektur mit der relationalen Datenbank DB2 als Daten-Server dienen. Die Forderung nach Integration von DB2 und OS/390 wurde laut. Andere Tagungsbesucher wuenschten sich jedoch auch die Applikationslogik auf den Host. Ihrer Ansicht nach mache die Verteilung keinen Sinn, und ausserdem sei ein Rechnerverbund in Client-Server- Manier zu teuer.

Wie SAP-Manager Ralph Treitz jedoch bestaetigt, ist lediglich daran gedacht, DB2 auf dem Mainframe zu unterstuetzen, nicht jedoch die Applikationslogik von R/3 zu portieren. u