Marktführer will zur NCC im Mai neues Computersystem ankündigen:

IBM /36 soll /34-User bei der Stange halten

25.03.1983

STUTTGART - IBM/34-Anwender mit Kapazitätsengpässen können aufatmen. Erwies sich der Datenbankrechner /38 bisher für viele Aufsteiger als zu teuer und zu kompliziert, so mehren sich inzwischen die Anzeichen, daß der Marktführer während der National Computer Conference (NCC) im kalifornischen Anaheim (16. bis 19. Mai 1983) das schon seit längerem erwartete "Zwischenmodell" System /36 ankündigen wird. Prototypen sollen bereits in den USA und England ausgeliefert sein, zwei Maschinen befinden sich auf dem Prüfstand der IBM-Laboratorien in Mainz und Zürich.

Probleme stehen der IBM mit /34-Benutzern schon seit längerer Zeit ins Haus. Die im Frühjahr 1977 angekündigten Maschinen bringen zwar im unteren Bereich nach wie vor eine solide Leistung, stoßen jedoch bei größeren Anwendungen auf ihre Grenzen. "Die Performance kippt schon", sagt Egon Hendricks, DV-Leiter bei der SDV Schreiner GmbH in Kevelaer, repräsentativ für viele Anwenderkollegen, "wenn mehr als zehn Bildschirme eingesetzt werden."

Daß zwischen dem Bildschirmcomputer (IBM-Bezeichnung) und dem nächstgrößeren Modell, dem Datenbankcomputer /38, eine riesige Lücke klafft, ist den Stuttgarter Marketingbossen natürlich schon längst bekannt. Nur widerwillig lassen sich indes /34-Anwender auf die /38 drücken, gesteht ein IBM-Vertriebsbeauftragter. Das Preis-/Leistungsverhältnis falle insbesondere bei den vergleichbaren kleineren Modellen drei und vier bei nahezu doppelter Miete extrem ungünstig für die /38 aus. Zudem habe sich inzwischen herumgesprochen, daß das Handling des Datenbankrechners für "Schmalspur-Datenverarbeiter" (Branchenhäme) viel zu kompliziert sei. Wie Marktbeobachter wissen wollen, begann das Replacement-Geschäft der IBM in den letzten Monaten zunehmend abzubröckeln. System/34-Benutzer, die den Sprung zur /38 scheuten, mußten sich bei anderen Herstellern nach Alternativen umsehen. Dem Vernehmen nach konnten vor allem Anbieter wie Hewlett-Packard, Siemens oder Wang Ablöseerfolge verbuchen. Konstatiert Wang-Marketier Heiko Flaspoeler: "Wir haben die Chance im /34-Markt erkannt und uns hard- und softwaremäßig auf Umsteiger eingestellt."

Um engpaßgeplagte /34-User bei der Stange zu halten, bemüht sich die IBM nun schon seit längerem, das Performanceloch zur /38 zu stopfen. In den USA soll die /36-Ankündigung bereits zweimal verschoben worden sein. In Deutschland wird seit etwa einem Jahr über ein bevorstehendes Announcement spekuliert.

Halten offizielle Stellen der IBM, getreu der Ankündigungspolitik des Hauses, mit /36-Informationen hinter dem Berg, lassen Vertriebsbeauftragte bei Problemkunden schon mal die Katze aus dem Sack. Demnach sollen die ersten Modelle mit 512 KB Hauptspeicherkapazität ausgerüstet sein und bei einer Zykluszeit von 200 Nanosekunden eine dreimal schnellere Verarbeitung ermöglichen als die größten /34-Maschinen. In der nächsten Ausbaustufe, so die Buschtrommel, würden Rechner bis zur Größenordnung von zwei MB folgen. Als Programmiersprache habe der Marktführer zunächst RPG II vorgesehen, das Betriebssystem sei an das SSP der /34 abgelehnt. Nachdem sich vor allem bei größeren Anwendungen Klagen über den umständlichen Disketteneinsatz häuften, sollen die /36-Systeme nunmehr mit zusätzlichen Bandstationen ausgerüstet sein. Während von der /34 zur /36 eine volle Aufwärtskompatibilität bestehe, erweise sich die /38 weiterhin als "Fremdkörper" in der IBM-Produktpalette. Verträglichkeit, so wird kolportiert, sei gegenüber dem Datenbankrechner nicht gegeben. Andererseits geht jedoch aus Tatarenmeldungen hervor, daß die /36 in einer noch zu erwartenden Version mit einem DB-Mode a la /38 ausgerüstet werden soll.

Benutzer "Gewehr bei Fuß"

Während die Stuttgarter Konzernzentrale weder den Ankündigungstermin im Mai, noch den von /34-Beratern ins Spiel gebrachten First-Shipment-Zeitpunkt im Spätherbst dieses Jahres bestätigt, haben sich Softwarehäuser, so die Karlsruher Command GmbH, bereits auf einen /36-Boom vorbereitet. Wie Geschäftsführer Günter Wiscot bestätigt, begann sein Unternehmen schon vor Wochen, /34-Software auf die Gegebenheiten des neuen Systems umzustellen. Wiscot, der von einem Announcement im Mai "definitiv" Kenntnis haben will, ist von einem guten /36-Geschäft überzeugt: "Ich habe ein halbes Dutzend Kunden, die derzeit Gewehr bei Fuß stehen und die /3 6 unmittelbar nach deren Ankündigung bestellen wollen. "

Der Karlsruher Softwaremanager deutet eine Situation an, die auch von international tätigen Marktforschern bestätigt wird. So hätte ein Großteil der weltweit auf etwa 70 000 geschätzten /34-Anwender inzwischen mit Kapazitätsproblemen zu kämpfen und befände sich in Wartestellung zum System /36. Daß nur wenige /34-Benutzer sich für eine /38 entscheiden wollten, obwohl der Datenbankrechner auch in diesen Kreisen von Big Blue stark forciert wurde, mag die Unternehmenslenker in White Planes bislang kaum begeistert haben. So ergab auch eine kürzlich von der COMPUTERWOCHE durchgeführte Marktanalyse bei /38-Benutzern, daß nur ein verschwindend geringer Teil der DB-User von einer /34 aufgestiegen war. Das Gros wechselte von dem betagten System /3 zur /38.

Kapazitätsprobleme und länger anhaltende Spekulationen um ein /36-Announcement führten auch schon zu Selbsthilfeaktionen bei /34-Anwendern. Mit einer Anzeigenaktion ging kürzlich die Essener Raab Karcher AG auf die Suche nach /36-Interessenten. Wie Bernd Steingräber, Leiter der Abteilung Datentechnik, vermutet, werde die IBM bei der Ankündigung der neuen Maschinen eine Mengenrabattstaffel bekanntgeben, die er aber allein nicht ausschöpfen könne. Originaltext des Raab Karcher-Inserates: ". . . Deshalb suchen wir vorsorglich schon jetzt Gleichgesinnte unseres Formates mit ernsten Absichten für den Tag X, die ihre Order zwecks Rabattmaximierung mit unserer poolen wollen." Über mangelnde Resonanz kann Steingräber, der mehrere /36 für dezentrale Anwendungen einsetzen will, indes nicht klagen. Auf Anhieb meldete sich knapp ein Dutzend Interessenten, denen es nicht nur um Rabattvorteile, sondern vor allem um eine bessere Lieferposition gehen soll.

Neudesign bei DB-Anpassung

System /38-Benutzer, die erst kürzlich von einer /34 wechselten, bereuen inzwischen ihre Entscheidung. "Hätten wir rechtzeitig erfahren, daß es schon bald eine /36 geben würde, wären wir mit Sicherheit nicht auf eine /38 gegangen", sagt Hans Ochsenkühn, Org./DV-Leiter bei der Alu-Metall GmbH in Nürnberg. Die Umstellung von der /34 habe sich als "Riesenproblem" herausgestellt. Für den Einsatz der Datenbank sei ein komplettes Neudesign der Maschine erforderlich gewesen. Resümiert Ochsenkühn: "Bis auf der /38 alle Anwendungen unter DB-Gesichtspunkten laufen, dauert das eine Ewigkeit."

"Geradezu Kundenverdummung"

Über Umstellungsprobleme klagt auch der DV-Leiter der Reichl Bräu AG in Kulmbach, Georg Schelter. Der süddeutsche /38-Anwender will gar festgestellt haben, daß die alten /34-Prozessoren in den meisten Anwendungen schneller sind als die der kleineren /38-Modelle. Auch Schelter gibt zu, daß er unter diesen Gesichtspunkten lieber noch einige Zeit auf die /36 gewartet hätte.

Unverständlich ist für viele /34-Benutzer, daß sie bezüglich der /36-Ankündigung von der IBM noch immer im unklaren gelassen werden, obwohl die Spatzen das bevorstehende Announcement schon von den Dächern pfeifen. So lud der Marktführer noch am 21. März zu einem Seminar in das Vertriebszentrum Frankfurt ein, bei dem das Thema "Vergleich System /34 zu /38" behandelt wurde. Diskutiert wurden Datenbankkonzepte, die Dateien der /38 sowie die Dienstprogramme SDA, DFÜ und Query - eine /36-Alternative wurde nur am Rande erwähnt. Ärgert sich ein Teilnehmer über die Ankündigungspolitik der IBM: "Da jeder weiß, daß die /36 unmittelbar vor dem Markteintritt steht, grenzt dies geradezu an Kundenverdummung."