IAO

IAO: "Wir sind innovativer als die Industrie"

02.04.2002
Von Katharina Leimbach
Im Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs hatte es das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) bisher schwer - die Industrie zahlte höhere Gehälter. Doch nun wendet sich das Blatt: Im Gegensatz zu vielen Industrieunternehmen stellt das Forschungsinstitut nach wie vor ein.

Rund 260 Kollegen hat Thorsten Gurzki am Fraunhofer-IAO und dem angeschlossenen Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) an der Uni Stuttgart. Von Langeweile kann da keine Rede sein, zumal er nicht nur auf seine eigene Spezies Informatiker trifft, sondern auch auf Psychologen, Sozialwissenschaftler oder Betriebswirtschaftler.

Doch ihnen widmet Gurzki derzeit keineswegs seine Zeit, sondern einem Verkaufsberater. Der hat zwar im Gegensatz zu den Kollegen kein abgeschlossenes Hochschulstudium, ist aber trotzdem intelligent: Es handelt sich um einen virtuellen Verkaufsberater, dem Gurzki gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern künstliche Intelligenz und natürliche Sprache eingehaucht hat, damit er demnächst bei einem Werkzeughersteller den Handwerkern beim Einkauf mit Rat und Tat zur Seite stehen kann.

Gurzki leitet in diesem Forschungsprojekt die Entwicklung der Systemarchitektur und des Frontend. Dabei programmiert er teilweise, ist aber vorwiegend konzeptionell tätig. Zudem verantwortet er als Projekt-Manager den gesamten Ablauf und die internationale Koordination. Ein breites Aufgabenspektrum also. "Doch das ist genau das, was meinen Job beim Fraunhofer-IAO so interessant macht", stellt er klar. "In der Industrie werden Informatiker häufig als Softwareentwickler eingesetzt, weniger als systematische Denker, die Gesamtlösungen entwickeln. Hier sehe ich nicht nur einen kleinen Ausschnitt eines Projekts, sondern das Ganze." Hinzu kommt, dass die IAO-Mitarbeiter in den Projekten ständig ihre fachlichen Qualifikationen weiterentwickeln.

"Unsere Aufgabe besteht in der industrienahen Entwicklung neuer IT-Anwendungen", erklärt Institutsdirektorin Anette Weisbecker, die auch für das Recruitment neuer Mitarbeiter verantwortlich ist. "Dabei verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz von der Analyse der Geschäftsprozesse und deren Verbesserungsmöglichkeiten über Konzepte zur Umsetzung bis hin zu Einführungsstrategien. Wir setzen vorrangig neue Technologien und Werkzeuge ein und sind somit wesentlich innovativer als die Industrie."

Anette Weisbecker: "Mitarbeiter können ihren Neignungen nachgehen. Wir fördern das eigenverantwortliche Arbeiten."
Anette Weisbecker: "Mitarbeiter können ihren Neignungen nachgehen. Wir fördern das eigenverantwortliche Arbeiten."

Die Innovationskraft drückt sich nicht zuletzt in der Ausstattung des Instituts aus: Vor wenigen Monaten wurde ein neues Hightech-Gebäude auf dem Campus der Uni Stuttgart bezogen. Es bietet eine technische Infrastruktur, die auf dem neuesten Stand ist, innovativ ausgestattete Arbeitsplätze und verschiedene Labors wie das Electronic Business Innovationszentrum. Den Softwareentwicklern steht zudem seit dem vergangenem Jahr der erste sechsseitige Stereoprojektionsraum Deutschlands zur Verfügung, eine Sechswand-Cave.

Sie ermöglicht im virtuellen Raum die Interaktion zwischen Mensch und Rechner - Anwendung findet die Technologie etwa bei der Entwicklung von Produkten. "Derzeit denken wir über die Anschaffung eines 3D-Scanners nach, sodass wir bewegte Gestalten im Computer wie den virtuellen Verkaufsberater lebensnaher darstellen können", gibt Weisbecker ein weiteres Beispiel.

Management-Wissen ist gefragt

Gurzkis Aufgabenspektrum zeigt aber auch, dass das IAO neben den fachlichen Skills sehr großen Wert auf Management-Techniken legt. Während die Industrie allenthalben über mangelndes Management-Wissen bei Technikern klagt, geht das IAO das Problem direkt an. "Bei unseren Einführungsveranstaltungen für neue Mitarbeiter, aber auch in unserem Weiterbildungsprogramm nehmen Soft Skills wie Projekt-Management, Zeit-Management, Konfliktfähigkeit oder Moderation eine ganz zentrale Rolle ein", so Weisbecker. Darüber hinaus sind die IAO-Mitarbeiter innerhalb ihrer Projekte "gezwungen", ihr Know-how auf diesen Gebieten auszubauen.

"Für den Sprung in die Industrie oder auch in die Selbständigkeit sind dies sehr gute Qualifikationen", sagt Gurzki, der wie viele Kollegen am Institut nach dem Hochschulabschluss zunächst in der Wirtschaft sein Geld verdiente. "Der Horizont war mir zu eng", gibt der Junginformatiker zu. Er ist vor gut drei Jahren zum IAO gestoßen, weil er das Forschungsumfeld nicht aus den Augen verlieren wollte.