Mikro-Programme überrunden Mainframe-Software:

HW-Anbieter behaupten sich im SW-Markt

11.05.1984

WIESBADEN (hh) - Die Gesamtausgaben für Software im Mini-/Mikro-Bereich haben erstmals die Software-Ausgaben für Mainframes überrundet. Zu diesem Ergebnis kommt die International Data Corporation (IDC) in einer Studie mit dem Titel "Packaged Software Market for Mini and Microcomputers".

Demnach wurden 1982 in Europa über 1,2 Millionen Dollar für Mini-/ Mikro-Standard-Softwarepakete ausgegeben, entsprechend 51 Prozent der Gesamtausgaben für Standardsoftware. Die IDC erwartet, daß diese Zahl bis 1988 auf 9,1 Milliarden Dollar anwachsen wird, wovon zirka fünf Milliarden auf Mini-Software und vier Milliarden auf Mikro-Software fallen. Das entspricht einem durchschnittlichen Wachstum von jährlich 32 Prozent (Minis) beziehungsweise 54 Prozent (Mikros).

Mikrocomputer im Sinne dieser Studie sind Einplatzsysteme mit einem Wert von durchschnittlich mehr als 1000 Dollar. Unter die Kategorie Minicomputer fallen Multiuser-Systeme mit einem durchschnittlichen Wert von unter 150 000 Dollar, gleichgültig, ob es sich um General-Purpose-Maschinen, Minis, Small-Busineß-Systeme, Processing-Terminals oder Desktops handelt. Berücksichtigt wurde ausschließlich kommerziell-professionelle und technisch-wissenschaftliche Software. Als Anbieter werden Hardwarehersteller, unabhängige Softwareanbieter und Systemhäuser unterschieden.

Dem Standard-Software-Volumen von insgesamt 970,5 Millionen Dollar im Jahr 1982 stehen Hardware-Umsätze von 3,7 Millionen im Mini-Bereich gegenüber. Für jeden Dollar Software werden also 3,90 Dollar Hardware umgesetzt. Dieses Verhältnis wird sich im Jahr 1988 auf 1 zu 1,84 zugunsten der Software verändern.

Die meisten Hardwarehersteller haben diesen Trend erkannt und verstärken ihre Softwareaktivitäten. Unternehmen, die noch vor kurzem ihren Kunden "Boxes" zugemutet haben, suchen intensiv und zum Teil sehr hektisch nach "Lösungen", schreiben die Marktforscher. Die zumeist angewandten Methoden sind Joint-ventures und Akquisition gut positionierter Firmen. Die Zeiten, als sich die Mini-Hersteller vornehmlich auf Systemhäuser als Softwarelieferanten verließen, sind anscheinend vorbei.

Unangefochten an der Spitze im Standardsoftware-Verkauf der Hardwarehersteller liegt IBM, allerdings mit einem relativ niedrigen Umsatzanteil von 7,5 Prozent. Die nächsten vier Anbieter teilen sich 11,8 Prozent des Gesamtmarktes. Demgegenüber haben die fünf führenden Unternehmen in Mini-Hardware (IBM Olivetti, DEC, Nixdorf und Altos) mit mehr als 40 000 Auslieferungen im Jahr 1982 40 Prozent Marktanteil am Hardware-Umsatz. Dieses Mißverhältnis zeigt die Abhängigkeit der Hersteller von Software-Unterstützung durch Dritte. Daran wird aber auch die Größe der Arena deutlich, die die Hardware-Riesen betreten. Hierbei ist zu berücksichtigen daß ein beträchtlicher Teil der Software-Umsätze der Hardwarehersteller aus Systemsoftware wie Betriebssystemen oder Utilities besteht, die zwar Programmierer unterstützen, jedoch keine Anwendermärkte erschließen.

Der Aufstieg der Mikros in bislang Minicomputern vorbehaltene Domänen mit einem vielfältigen und mehr als doppelt so rasch wachsenden Softwareangebot (Minis: 32 Prozent Mikros: 54 Prozent) macht dieses Problem für die Mini-Framer nur noch akuter. Die IDC erwartet eine gewisse Selektion, da nicht jeder Hersteller den richtigen Kurs finden wird.

Trend zum Standard

Steht bei Minicomputer-Software Deutschland umsatzmäßig an erster Stelle, so hat bei der Mikro-Software deutlich Großbritannien die Führungsposition inne. Auf Gesamteuropa bezogen gilt: Wurden 1982 wertmäßig noch ungefähr dreimal so viele Mini- wie Mikro-Softwarepakete abgesetzt, so werden es 1988 nur noch weniger als anderthalbmal so viele sein. Die Mikros sind also auch in dieser Hinsicht stark im Vordringen. Sowohl für Minis als auch für Mikros zeichnet sich ein deutlicher Trend weg von Individual- und hin zu Standardsoftware ab. Die jährlichen Zuwachsraten für Individualsoftware liegen zwischen 10 bis 20 Prozent während der Umsatz mit Standardsoftware um 30 (Minis) bis 40 (Mikros) Prozent steigt. Die Ursache hierfür ist nach Meinung der Wiesbadener in erster Linie im Boom der Mikro-Hardware zu sehen, der natürlich Software nach sich zieht.