Hitachi und Mitsubishi in bisher spektakulärsten Fall von Industriespionage im DV-Bereich verwickelt:

Hunger auf XA treibt Japaner in FBI-Falle

02.07.1982

MÜNCHEN (cw) - Die neue Systemsoftware XA (Extended Architecture) des Prozessors 3081 K macht den Herstellern IBM-kompatibler Großcomputer offensichtlich doch erhebliche Schwierigkeiten. Bei der jetzt in den USA aufgedeckten Industriespionage (Hitachi tappte beim Kauf von IBM-Unterlagen in FBI-Falle) wurden von den Japanern angeblich 525 000 Dollar für das Programmpaket MVS/SP Version 2 gezahlt.

Der auf die Affäre angesetzte FBI-Agent Alan Garretson gründete einer VWD-Meldung zufolge südlich von San Francisco eine Consulting-Firma und ließ in der Branche die Nachricht verbreiten, er sei bereit, gestohlene IBM-Unterlagen zu verkaufen. Garretson traf im November 1981 erstmals mit dem leitenden Hitachi-Ingenieur Kenji Hayashi zusammen.

Hayashi erklärte, daß Hitachi möglichst frühzeitig an Informationen über neue IBM-Produkte herankommen möchte. Er versprach 10 000 Dollar für derartige Daten. Garretson machte Hayashi klar, daß dies nur durch Diebstahl möglich sei. Danach bot der Ingenieur 50 000 bis 100 000 Dollar für das Quellenprogramm MVS/SP Version 2.

Später schrieb Hayashi auf die Einwände Garretsons, ein solcher Datendiebstahl werde mit Gefängnis bedroht: "Das Risiko ist für Hitachi unwichtig." Bei einem Treffen Garretsons mit dem General Manager des Hitachi Werkes Kanagawa, Kisaburo Nakazawa, soll dieser gesagt haben, er sei autorisiert, bis zu eine Million Dollar zu zahlen, um Informanten aus dem IBM-Management zu gewinnen.

In den ersten Monaten dieses Jahres drängte Hayashi darauf, endlich das gewünschte Programm zu erhalten. Garretson verlangte erst 250 000, dann 700 000 Dollar. Hayashi erklärte zunächst, dies sei zuviel, später, die Unterlagen seien nicht mehr interessant. Schließlich zahlte er doch 525 000 Dollar. Das Geld wurde am 22. Juni auf Garretsons Konto überwiesen.

Mitsubishi und Hitachi gaben inzwischen zu, insgesamt 568 000 Dollar für IBM-Unterlagen gezahlt zu haben. Dieser Fall von Industriespionage hat weltweites Aufsehen erregt. Kenner des Großrechnermarktes stört indes, daß die Darstellung in der Tages- und Wirtschaftspresse eine Interpretation zuläßt, die die Realitäten im Jumbobereich auf den Kopf stellt. Es werde, so die Analyse von Fachleuten, der Eindruck erweckt, als seien die Japaner auf Diebstahl angewiesen, um technologisch mithalten zu können. Daß IBM einen Know-how-Vorsprung besitze, treibt nicht zu. Die japanischen Computerfirmen könnten, wie die anderen Plug Compatible Manufacturers (PCM), in einer "IBM-Welt" nur bestehen, wenn sie den "Industriestandard" nachbauen. Mit technologischem Wettbewerb habe dies nichts zu tun, urteilen Branchenauguren und verweisen auf die Leistungen der Japaner bei VLSI (Very Large Scale Integration). Die japanische Presse hat denn auch mittlerweile den Spieß umgedreht: Die Ermittlungsmethode des FBI, die die Japaner mit fingierten Unterlagen in die Falle lockte, stößt auf herbe Kritik. Außerdem werden politische Absichten der USA vermutet, Japan zu schaden.