Interview mit Thomas Resch

"Hübsche Büroräume reichen nicht aus"

08.10.2021
Von 
Moritz Iversen ist freier Journalist in München.
Thomas Resch kommt aus einem agilen IT-Beratungsunternehmen und leitet die neue Fachgruppe für New Work beim Bundesverband der Personalmanager (BPM). Die CW hat ihn zum Trendthema Hybrid Work und den Gestaltungsmöglichkeiten von HR befragt.
Tischkicker, Obstkorb oder schickes Inventar reichen nicht, um Mitarbeiter wieder ins Büro zu holen. Das Office muss zum Gesellschaftsraum werden, der gerne genutzt wird, um sich zu treffen und auszutauschen.
Tischkicker, Obstkorb oder schickes Inventar reichen nicht, um Mitarbeiter wieder ins Büro zu holen. Das Office muss zum Gesellschaftsraum werden, der gerne genutzt wird, um sich zu treffen und auszutauschen.
Foto: SofikoS - shutterstock.com

Wohin entwickeln sich die Arbeitsmodelle nach Corona in der deutschen Wirtschaft?

Thomas Resch: Es läuft auf eine völlige Individualisierung hinaus, und es gibt dafür keine Blaupause. Spannend ist, dass Unternehmen jetzt eine bewusste Entscheidung treffen müssen, um sich eine Zukunft zu schaffen. Die einen versuchen, das Rad zurückzudrehen, die anderen vertrauen ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, und dazwischen pendelt es sich mit ein paar Tagen "Mobile Work" pro Woche ein, wenn es vom Jobprofil passt. Mit einem Wort: Kultursache. Daher suchen viele Unternehmen zurzeit nach einer kreativen Lösung, auch weil das Arbeitsrecht nicht Schritt hält. Zudem herrschen viele Ängste vor, dass Außendienstler Anspruch auf Home-Office erheben oder Mitarbeitende nicht mehr zum Kundentermin in die Firma fahren wollen.

"Du musst den Leuten etwas bieten"

Laut einer aktuellen Hays-Studie ist Home-Office stark im Kommen und in der Beratung am weitesten verbreitet. Wie geht Ihr Arbeitgeber, die metafinanz, mit der Flexibilität der Arbeitsorte um?

Resch: Wir setzen auf Eigenverantwortung und Vertrauen. Ob im Unternehmen, Zuhause oder beim Kunden - hier die richtige Mischung zu finden, entscheiden unsere Kollegen selbst. Dabei liegt die Herausforderung darin, den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden, aber auch die Zusammenarbeit im eigenen Team zu ermöglichen. Ganz ohne persönliche Begegnungen wird es auch auf Dauer auch bei uns nicht gehen.

Eigenverantwortung ist im Zuge des Wandels ein wichtiges Thema. Was steckt dahinter?

Resch: Viele Menschen können noch nicht selbst entscheiden und eigenverantwortlich tätig sein, weil sie es noch nie in der Arbeit erlebt haben. Aber man braucht den gesunden Menschenverstand, um die Dynamik zu steuern. Schließlich gibt es ja immer weniger "richtige" oder "falsche" Entscheidungen. In einer komplexen beruflichen Welt kann man nur begrenzt planen und ist auf Menschen angewiesen, die etwas ausprobieren und die Situation der Unsicherheit beherrschen. Tritt die erhoffte Wirkung nicht ein, wird nachjustiert. Das Management muss vor allem Sicherheit im Umgang mit dieser Unsicherheit schaffen. Hier bildet Vertrauen einen Rahmen für die Dynamik. Dazu werden die Leute trainiert und die Entscheidungskultur verändert - auch von Managern, die nur Kontrolle gelernt haben. Hübsche Büroräume reichen nicht.

Thomas Resch, Metafinanz: "Viele Menschen können noch nicht selbst entscheiden und eigenverantwortlich tätig sein, weil sie es noch nie in der Arbeit erlebt haben."
Thomas Resch, Metafinanz: "Viele Menschen können noch nicht selbst entscheiden und eigenverantwortlich tätig sein, weil sie es noch nie in der Arbeit erlebt haben."
Foto: Metafinanz

Wie verändern sich denn die Bürolandschaften im Zuge der Dynamik?

Resch: Es ist nicht mehr reizvoll, dass irgendwo ein Schreibtisch steht und auf Dich wartet. Du musst den Leuten etwas bieten, damit sie sich austauschen können, Inspiration bekommen und sich wohl fühlen, also inspirierende Ecken und eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Bei einer Legebatterie bleiben die meisten lieber zuhause. Das Büro entwickelt sich zum Ort der Begegnung, in den Gebäuden spiegelt sich die neue Flexibilität. Hier sollen sich Mitarbeiter treffen und gemeinsam kreativ arbeiten. Anders gesagt: Damit es im Office menschelt, muss dort Leben und Aktivität sowie Raum für Diskussionen und konzentriertes Schaffen sein.

Die Gretchenfrage lautet dabei: Wer soll das bezahlen?

Resch: Klar, wenn ich wie die metafinanz Büros durch Erlebnisstätten und Arbeitsräume ersetze, brauche ich mehr Platz und muss anmieten. Zugleich fallen durch Home-Office jedoch auch Büroarbeitsplätze weg. Aber Kosten als alleiniges Argument sind Ausdruck des klassischen Managements, wo sich die Realität nur auf das Messbare beschränkt. Die ganze Dynamik im Zwischenmenschlichen fällt dabei unter den Tisch. In unsicheren Zeiten muss ich weg von den klassischen Metriken - hin zu etwas, das nicht mehr greifbar ist, sondern systemisch - der Organismus der Mitarbeitenden. Mit Blutdruck, Größe und Gewicht allein kann man nicht sagen, ob jemand gesund ist oder ob es ihm gut geht.

"Kulturarbeit ist angesagt"

Wie kann HR hier bei der Diagnose unterstützen?

Resch: In der Corona-Krise hat HR deutlich an Stellenwert gewonnen, weil man schnell entscheiden und gestalten musste. Jetzt können sich die Personaler bewähren: Entweder fallen sie wieder ins alte Muster, oder sie fangen an, konsequent die Zufriedenheit abzufragen. Aber nicht nur einmal im Jahr wie bisher. Mit Tools für Spot Surveys können sie theoretisch jeden Tag in die Belegschaft reinmessen, um Reibungsverluste und Probleme in den Abläufen zu erkennen.

Das sind alles Steilvorlagen für Verbesserungen. Man muss aber auch dafür sorgen, dass die Fesseln aufgegriffen und schnell gelöst werden. So kann sich HR an der Schnittstelle zwischen den Mitarbeitenden, der IT und dem Management positionieren, der Mehrwert reicht weit über die klassische Personalarbeit hinaus. Kulturarbeit ist angesagt - diese ist spannend, unplanbar und echter Mehrwert.

Und wie sollte der Nach-Corona-Personaler vorgehen, um New Work zu gestalten?

Resch: Sucht Inspirationen, macht eine gute Standortanalyse: Wo seid Ihr, was braucht Ihr? Startet keine Einzelmaßnahmen, sondern überlegt, wie man sich positionieren will als Arbeitgeber. Das reicht über die Kultur hinaus: Was will ich eigentlich nach innen und außen vermitteln, Kontrolle oder Vertrauen? Schaffe ich Experience-Flächen oder bleibe ich bei der Anwesenheitspflicht? Und gebt Vertrauen und seid authentisch: Man macht ja kein Café auf und zählt dann die Besuche der Mitarbeiter, ob sie "zu oft" kommen.

Zur BPM-Fachgruppe New Work

Um den radikalen Umbruch der Arbeitswelt zu begleiten, hat der Bundesverband der Personalmanager (BPM) eine Fachgruppe für New Work gegründet. Die vielfältigen Aspekte des Themas wie Agilität und agile Organisationsformen, Veränderung der Führung, Selbstorganisation und Mitarbeiterbeteiligung werden Eingang in die Arbeit finden. Die Fachgruppe ist deutschlandweit aktiv und fungiert als weiterer Think Tank des Verbands. Vision ist, als Community die Transformation der Arbeitswelt zu begleiten, damit Personaler Sicherheit im Umgang mit der steigenden Unsicherheit gewinnen.

Das Führungstrio der neuen Fachgruppe setzt sich aus Tomas Resch (metafinanz Informationssysteme), Sabrina Dick (SAP) und Dr. Bernd Blessin (VPV Versicherungen) zusammen. Laut Resch gehe es ihm nicht darum, Althergebrachtes zu bewahren, sondern die Arbeitswelt zu revolutionieren. "Schließlich steckt in den Organisationen noch viel Potenzial, das durch Selbstorganisation und neues Arbeiten gefördert werden kann. Die große Chance, Arbeit, Wirtschaft und persönliche Entwicklung umzukrempeln, möchte ich nicht ungenutzt lassen."