HP-Netz akzeptiert IBM-Oberkommando

11.11.1977

GRENOBLE - Als "umfassende Lösung für problemgerechte Dezentralisierung" stellte Hewlett-Packard in Grenoble das Netzwerk-Architektur-Konzept "Distributed Systems Network" (DSN) vor - vorläufiger Schlußpunkt einer Entwicklung bei HP, die bereits 1973 mit der Freigabe von "Verbindungs-Hardware" für die eigenen Prozeßrechner begonnen hatte. Unter DSN können HP-Anwender im "Gemischt-Verbund" mit kommerziellen HP-Rechnern, technisch-orientierten HP-Systemen und "fremden" Hostcomputern auch Steuersprachen-Niveau (ohne Programmierung auf Datenebene!) kommunizieren.

DSN ermöglicht die Verbindung der verschiedenen Systeme der HP-Serien 1000 und 3000 sowie des dedizierten Datenerfassungs- und Datenübertragungsrechners 2026 in einem Netzwerk. Die wichtigsten DSN-Software-Komponenten (teilweise in Mikrocode realisiert) sind DS (Distributed Systems) 3000, DS 1000 und DS 2026.

Nach der traditionellen Unterscheidung von Rechnerverbund-Systemen ist "Distributed Systems Network" weder als "hierarchisches" noch als "verteiltes" Design-Prinzip anzusehen. Denn es beläßt, wie Heinz Blässer, Sales Manager-Europe der HP-Computer Systems Group, gegenüber der Computerwoche erklärte "die Steuerung der ,Physik' einem sogenannten Rechnernetz-Verwalter" (Kontrolle von oben). Darüber hinaus kann ein DSN-Netzwerk mit IBM-Mainframes "gelinked" werden (2780/3780-Prozedur). Das unterscheidet die Netzwerk-Philosophie Hewlett-Packard's von der anderer Minicomputer-Hersteller. Beispiel Digital Equipment: DECnet ist als totale Alternative zu IBM's SNA (System Network Architecture) ausschließlich für die "freie" Kommunikation gleichberechtigter Netzwerk-Partner ausgelegt. Daß sich DSN dagegen dem Kommando großer, zentraler Rechnersysteme unterstellt, begründet Blässer damit, daß die EDV-Investitionen von Großanwendern erhalten bleiben sollen (siehe Interview der Woche, Seite 4). Zudem habe Hewlett-Packard auch langfristig kein Interesse, ins Großrechner-Geschäft einzusteigen: "Wir müssen also dafür sorgen, daß zu den Zentralrechnern entsprechende Verbindungen hergestellt werden."

Unter DSN können Daten dort be- und verarbeitet werden, wo sie entstehen und benötigt werden, wobei die Verarbeitungsorte und damit die Rechner im Verbundsystem beliebig weit entfernt stehen dürfen - HP spricht in diesem Zusammenhang von Ortsunabhängigkeit. Darüber hinaus kann die Definition der Schnittstellen sowie der Steuerungs- und Kontrollfunktionen "logisch" auf den Informationsfluß innerhalb des Rechnernetzes übertragen werden. DSN macht schließlich dem Anwender sämtliche Netzwerk-Operationen transparent: Programme, Dateien, Datenbanken und Peripheriegeräte sind genauso zu handhaben wie auf lokal installierten Systemen. Wermutstropfen für Benutzer von HP-Alt-Equipment: DSN unterstützt lediglich die neue Hardware, allerdings lassen sich alle Systeme mit 21-MX-Prozessor im Feld nachrüsten. Erwähnt werden sollte auch, daß im Rahmen des Distributed Systems Network bisher nur Software erzeugt wurde, die HP-eigene Hardware zum Laufen bringt. Wie Blässer versicherte, gäbe es jedoch ein "Commitment" seitens der HP-Spitze, in Zukunft Verträglichkeit mit den gebräuchlichsten Konventionen und Standards (SDLC, HDLC, X.25) zu gewährleisten. Darüber hätte man gern mehr erfahren.