HP: Der Schattenmann solls richten

05.04.2005
Der vor kurzem berufene CEO von Hewlett-Packard, Mark Hurd, tritt das schwere Erbe von Carleton Fiorina an. Er muss den Konzern neu gegen IBM und Dell positionieren und endlich die Rendite steigern.

Mark Hurd dürfte in seinen kühnsten Träumen wohl eher an einen Sieg in Wimbledon gedacht haben als an den Chefsessel von Hewlett-Packard (HP). Der frisch gebackene CEO des IT-Konzerns wollte eigentlich Tennisprofi werden. Er hatte nach dem Abschluss seines Wirtschaftsstudiums alles andere im Sinn, als bei NCR die Karriereleiter zu erklettern. Dort heuerte er 1980 nach einem kurzen und erfolglosen Intermezzo auf dem Tennis-Court als Verkäufer an und avancierte binnen 25 Jahren in einer Bilderbuchlaufbahn zum Firmenchef (siehe Kasten "Vita Mark Hurd").

Unbeschriebenes Blatt aus Ohio

So überraschend wie der Aufstieg beim Anbieter von Geldautomaten, Kassensystemen, Datenbanken, Rechnern, Software und Services verlief, kam nun auch seine Berufung zum Nachfolger der im Februar gefeuerten Carleton Fiorina. Keiner hatte den NCR-Chef aus Dayton im verschlafenen Bundesstaat Ohio, fern ab von Silicon Valley und Palo Alto, auf der Rechnung. Stattdessen wurden im Kandidatenkarussell Namen wie Ex-Compaq-Boss Michael Capellas, Motorola-Vorstand Ed Zander oder Microsoft-Manager Jeffrey Raikes gehandelt.

Mit der Wahl des "Nobody" traf der Aufsichtsrat eine unerwartete Entscheidung. Nach Meinung der meisten Marktbeobachter erhielt Hurd den Zuschlag, weil er den Konzern zumindest vorerst nicht in einzelne und eigenständige Unternehmen aufspalten wird. Damit befände er sich auf einer Linie mit dem Board, das eine Ausgliederung entweder des lukrativen Druckergeschäfts oder der kränkelnden PC-Sparte wiederholt abgelehnt hatte. Die Vorsitzende des Aufsichtsrates, Patricia Dunn, hatte mehrfach erklärt, dass der Wechsel an der Spitze von HP erfolge, um die operationale Schlagkraft des Unternehmens zu verändern, nicht aber die Strategie.

Auch Hurd betonte bei seinem ersten Auftritt als HP-Boss, dass ihm keine Bedingungen gestellt worden seien. Er scheint HP zunächst als Konzern mit breitem Produkt- und Serviceportfolio weiterführen und auf einen profitableren Kurs bringen zu wollen. Übung darin hat er mit dem "Gemischtwarenladen" NCR bereits erfolgreich gesammelt. Er war es, der den Technologiekonzern 2002 aus der tiefsten Finanzkrise seit der Abspaltung von AT&T herausführte. Damals schrieb das Unternehmen bei einem Umsatz von 5,6 Milliarden Dollar 230 Millionen Dollar Verlust. Entgegen den Erwartungen hielt Hurd die Company jedoch zusammen und wandelte das Minus binnen zwei Jahren in ein Plus von 290 Millionen Dollar um. Außerdem vervierfachte sich der Aktienkurs.

Gesellenstück bei NCR geliefert

Hurd krempelte die Ärmel hoch und beeindruckte durch seine zielstrebige, unprätentiöse Art. Er drückte durch gezielten Personalabbau und Outsourcing die Kosten und tauschte altgediente Topmanager aus. Gleichzeitig gab er sich firmennah. Er suchte den Kontakt zu den Mitarbeitern und arbeitete selbst in einer der für amerikanische Großraumbüros typischen Kabinen. Unter seiner Führung entstand bei den 28 000 Angestellten ein neuer Teamgeist - ein Merkmal, das bei HP unter der Leitung von Fiorina abhanden gekommen war.

Vieles spricht dafür, dass der neue Mann an der Spitze von HP mit seinem Profil und Hintergrund erreichen könnte, was seine Vorgängerin immer versprach, aber nicht hielt: mehr Kontinuität und Rentabilität. "Wir werden unseren Gewinn um 20 Prozent verbessern", hatte Fiorina mehrfach nach dem Kauf von Compaq prophezeit, doch in ihrer Amtszeit fiel der Aktienkurs um 55 Prozent und halbierte sich der Marktwert des Konzerns. Insgesamt erwirtschaftete die Company zwar Profit, blieb bei der Rendite aber hinter den Erwartungen zurück. Immer wieder folgten auf positive Quartale Rückschläge, wobei sich insbesondere PC- und Softwaregeschäft als Sorgenkinder entpuppten. Lediglich die Druckersparte überzeugte und holte mit saftigen Gewinnen die Kastanien aus dem Feuer.

Es sind die Konzernsparten und das Produktportfolio, wo Hurd nun den Hebel ansetzen muss. Fiorina hatte selbst bis zuletzt an der Konzernstruktur herumgedoktert und noch im Januar das Drucker- und PC-Geschäft organisatorisch zusammengefasst. Sie erhoffte sich von dem Schritt Synergieeffekte und höhere Gewinnmargen im PC-Geschäft. Marktbeobachter bewerteten die Maßnahme jedoch als blinden Aktionismus.

Klare Zielvorgaben angekündigt

Zu erwarten ist, dass ihr Nachfolger die bestehende Konzernorganisation nicht beibehalten wird. Hurd hat bereits angekündigt, alle Geschäftsbereiche genau unter die Lupe nehmen und optimieren zu wollen. "Ich werde klare Ziele setzen, die taktische Marschroute vorgeben und Personen in die Verantwortung nehmen", sagte er.

Ansatzpunkte drängen sich für Hurd eine ganze Menge auf. Erst kürzlich hatte Executive Vice President Mike Winkler Fehler im Speichergeschäft eingeräumt. HP habe es versäumt, Produkte aufzufrischen und Leistungsträger im Unternehmen zu halten. Das deutsche Management wiederum machte für die gravierenden Verluste im Notebook-Markt die Politik des Konzerns verantwortlich, im Niedrigpreissegment kein adäquates Angebot zu haben. Deutschland-Chef Uli Holdenried will deshalb schleunigst mit einem stimmigen Go-to-Market-Modell gegensteuern.

Hurd weiß, dass ihm der Wind insbesondere im PC-Geschäft ins Gesicht blasen wird. "Ich bin mir des harten Wettbewerbs in der IT-Industrie bewusst", betonte er mit Blick auf PC-Primus Dell. Unter Fiorina hatte HP im PC-Markt den ersten Rang an den Erzrivalen verloren. Der Konkurrent wächst nicht nur schneller als HP, er ist mit seinen standardisierten Produkten auch profitabler. Im Moment läuft HP sogar Gefahr, im gesamten Hardwaregeschäft hinter die Texaner zurückzufallen.

Schwund im Druckergeschäft

Eine zweite Front tut sich für HP mit IBM auf. Da HP derzeit 70 Prozent seines Umsatzes mit margenschwacher Hardware erwirtschaftet, müssen die Kalifornier den Analysten von Gartner zufolge dringend stärker in die lukrativen Bereiche Software, Wartung und Service investieren. Diesen Weg hat Wettbewerber Big Blue allerdings schon viel früher eingeschlagen und ist daher besser am Markt aufgestellt. Mit dem Verkauf der PC-Einheit an Lenovo ist IBM außerdem ein Problem los, mit dem sich HP noch herumschlägt. Deshalb werden immer wieder Rufe laut, das PC-Geschäft abzustoßen oder auszugliedern.

Neben der Bedrohung durch IBM und Dell lauert für Hurd eine weitere Gefahr im Kerngeschäft, der Druckersparte. Im letzten Geschäftsquartal schmolzen die Einnahmen hier um 13 Prozent. Ein fatales Signal angesichts der Tatsache, dass die Division im vergangenen Fiskaljahr 73 Prozent zum Ertrag beisteuerte.

Hurd ist ferner gut beraten, den Fokus wieder klarer an den Bedürfnissen der Anwender auszurichten. In letzter Zeit häufte sich die Kritik, das Unternehmen habe den Bezug zu seinen Kunden verloren und sei zu sehr mit sich selbst beschäftigt. So forderte zum Beispiel Ashok Bakhshi, CIO des Aufzugherstellers Schindler in den USA, eine bessere Differenzierung des Herstellers am Markt durch die Bündelung von Services mit Hardware. Beispielsweise könnten SAP-Systeme auf HP-Rechnern vorkonfiguriert ausgeliefert werden. Viele Anwender haben auch noch längst nicht das Aus der Midrange-Serie "e3000" samt Betriebssystem verkraftet und verweisen auf IBM, das seine vergleichbaren "I-Series"-Produkte nicht aufgegeben hat. Ebenso trauern sie dem "Alpha Server" und dem Unix-System "Tru 64" nach.

HP-Chef unter Zeitdruck

An Hurd liegt es nun, die Weichen neu zu stellen und negative Entwicklungen zu stoppen. Die Marktforscher von Gartner halten beispielsweise einen Rückzug aus der Unterhaltungselektronik wegen der hohen Fertigungskosten und geringen Margen für denkbar, ebenso die Einstellung von einigen unrentablen Services. Viel Zeit bleibt Hurd nicht, denn als Chef von HP wird er längst nicht so unbeobachtet und ungestört arbeiten können wie in seiner Zeit bei NCR. Sollte er es jedoch schaffen, HP auf konstanten Wachstums- und Renditekurs zu bringen, wäre der Erfolg mindestens so hoch einzuschätzen wie ein Sieg in Wimbledon.