HP definiert Open-Source-Engagement

10.02.2006
Nach einem geräuschlosen Anfang krempelt die neue Linux-Chefin die Ärmel hoch.
Christine Martino, HPs Chefin für den Linux- und Open-Source-Bereich
Christine Martino, HPs Chefin für den Linux- und Open-Source-Bereich

Martin Fink, ihr Vorgänger, war immer für markante Aussagen gut. Doch der ist inzwischen für Hewlett-Packards "Nonstop"-Abteilung zuständig, und im November letzten Jahres übernahm Christine Martino von ihm das Amt "Vice President Open Source and Linux Organization". Sie machte nicht sogleich von sich reden, sondern erklärt noch heute: "Ich trete nicht mit einem Änderungskatalog an." Doch das ist untertrieben.

So teilt Martino die dauernd von Fink vorgetragene Kritik, es gebe zu viele Open-Source-Lizenzformen: "Das macht die Sache komplexer und verlangt von unseren Kunden mehr Umsicht." Aber sie sagt deutlicher, was sie will: "Wir sind Befürworter der General Public License. Die GPL ist eindeutig und garantiert die Verfügbarkeit von Sourcecode. Ich werde mich sehr um die Entwicklung der künftigen GPL-Version 3 kümmern."

Auch in einem anderen Punkt ist ein anderer Wind zu spüren. Vor zwei Jahren hatte HP erklärt, man mache mit Linux jährlich zwei Milliarden Dollar Umsatz. Solche Angaben soll es nicht mehr geben. Allenfalls lässt Martino sich entlocken, HPs Linux-Geschäft sei 2005 "um 67 Prozent gewachsen". Die Geschwindigkeit, mit der sich Linux verbreitet, habe sie überrascht. "Das Wachstum war schneller, als ich noch vor wenigen Jahren erwartet habe."

Die "Ähnlichkeit von Unix und Linux" sieht Martino als eine der wesentlichen Ursachen an: "Es war relativ einfach, Anwendungen umzustellen." Altes sei in neue IT-Szenarien integriert worden. "Linux eröffnet neue Märkte. Besonders in der Telekommunikations-Industrie sind mit Linux eine Menge neuer Anwendungen und Services entstanden", beschreibt Martino den Wandel. "Die Kombination von Linux und kostengünstiger Standardhardware hat es ermöglicht, neue Geschäftsfelder zu erschließen."

Doch im Zuge des Wandels wurden viele Unix-Umgebungen abgelöst, ein auch für HP schmerzlicher Aspekt, weil es die Marktposition des eigenen Unix-Derivats HP-UX anknabbert. Um nicht hausintern als "Kannibalin" angefeindet zu werden, versichert Martino sogleich: "Wir werden HP-UX-Kunden nicht auf Linux treiben." Hewlett-Packard bleibe bei seiner "Multi-OS-Strategie". Die Managerin: "Wir stehen fest hinter HP-UX; wir arbeiten eng mit Microsoft zusammen und genauso mit einigen Linux-Distributoren."

Linux stehe bei HP gleichberechtigt neben HP-UX und Windows, erklärt Martino, "wir werden für alle drei Umgebungen gleiche Service-Levels anbieten". Die Services gruppieren sich vor allem um Software-Stacks, komplette Sets von Linux über Middleware und Treiber bis hin zu Applikationen für bestimmte Anwendungsszenarien. Diese fasst HP in "Linux Reference Architectures" zusammen. Martino: "Wir erklären, welche Versionen von Software und Treibern zusammenarbeiten. Wir haben sie integriert und getestet, so dass sich die Kunden darauf verlassen können."

Dabei geht es allerdings nicht nur um Linux-Umgebungen, sondern auch um alles, was der Interoperabilität dient. "Windows, Unix und Linux werden auf viele Jahre hinaus in den Rechenzentren nebeneinander existieren", stellt Martino fest. Folglich sei Middleware von besonderem Interesse. "Unsere Kunden interessieren sich über Linux hinaus für andere Open-Source-Produkte." Auffällig daran: "Wir stellen ein wachsendes Interesse an Open-Source-Middleware fest."

Um den Anwenderanforderungen näher zu kommen, werde HP deutlich mehr Partnerschaften mit anderen Open-Source-orientierten IT-Anbietern und Community-Projekten eingehen. Darüber hinaus wolle HP Eigenentwicklungen für seine Unix-Umgebung auf Linux portieren und Open Source stellen. "Wir werden das definitiv machen", erklärt Martino, ohne präziser zu werden. "Wir untersuchen gerade, was wir quelloffen herausgeben können. Da gibt es einige interessante Überlegungen." Die Management-Umgebung "Openview" gehört allerdings definitiv nicht dazu.

In einem Punkt aber werde sich bei HP nichts ändern, so Martino: "Wir bevorzugen keine Linux-Distribution." Weltweit werde mit Novell-Suse und Red Hat zusammengearbeitet, auf regionaler Ebene auch mit anderen Distributoren, beispielsweise mit Mandriva in Frankreich und Südamerika oder mit Ubuntu in Südafrika. Darüber hinaus ist bekannt, dass HP eine Vorliebe für Debian hat. Die Vielzahl der Linux-Varianten sei kein Problem. "Ich will nicht weniger Distributionen haben", erklärt Martino. "Aus Sicht der Kunden hat immer die eine oder andere für ihre Anwendungsszenarien herausragende Vorteile."

Der Kern ihrer "Mission" ist ohnehin ein anderer: "Ich werde Linux und Open Source weiter pushen, um unseren Kunden Auswahlmöglichkeiten zu bieten und ihr Vertrauen zu gewinnen, damit sie diese Techniken anwenden." (ls)