Paukenschlag aus Palo Alto

HP besinnt sich zurück aufs Enterprise

19.08.2011
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.

Verstärkung im Softwarebereich

Angesichts dessen ist es nur allzu verständlich, dass HP - im Softwarebereich aus Sicht von Branchenbeoachtern bislang eher schwach auf der Brust - sich mit der Übernahme von Autonomy verstärken will. Hewlett-Packard bietet über seine Tochter HP SPV den Aktionären des größten britischen Softwareherstellers 25,50 Pfund Sterling für jede Aktie oder umgerechnet 42,11 Dollar in bar. Die Offerte hat damit einen Gesamtwert von 10,25 Milliarden Dollar - das dürfte rund das Zehnfache des Jahresumsatzes von Autonomy für 2011 sein. Vor Ankündigung des Deals betrug die Marktkapitalisierung von Autonomy 6,3 Milliarden Dollar.

Autonomy wurde 1996 von Mike Lynch als Spin-off der University of Cambridge gegründet. Lynch, mittlerweile 46, steht seither an der Spitze der Firma und hält selbst noch rund acht Prozent der Anteile. Seine Firma hat historisch betrachtet eine ziemliche Achterbahnfahrt hinter sich - während des ersten Dotcom-Booms wurde Lynch noch als der "britische Bill Gates" gefeiert, nach dem Platzen der ersten Internet-Blase büßten die Autonomy-Aktien aber 90 Prozent ihres Wertes ein. Inzwischen läuft das Geschäft aber wieder rund - 2010 stiegen die Einnahmen um 18 Prozent auf umgerechnet 870 Millionen Dollar, für dieses Jahr ist die Umsatzmilliarde angepeilt.

Die "IDOL"-Software von Autonomy durchforstet unstrukturierte Daten wie Emails, Instant Messages, Aufzeichnungen von Telefonaten, Fotos oder Videos nach Mustern lukrativer oder auch krimineller Aktivität. Sie wird daher sowohl von Unternehmen im Bereich Business Analytics als auch von Geheimdiensten zum Durchforsten abgehörter Kommunikation eingesetzt. HP hat bereits einige Zukäufe im Analytics-Bereich getätigt; Autonomy hat sich in der Vergangenheit ebenfalls verstärkt, um sein Portfolio zu verbreitern - im Mai dieses Jahres hatten die Briten beispielsweise das digitale Archivierungsgeschäft von Iron Mountain für 380 Millionen Dollar übernommen.

"Zusammen mit Autonomy wollen wir die Art und Weise neu erfinden, wie sowohl unstrukturierte als auch strukturierte Daten verarbeitet, analysiert, otpimiert, automatisiert und geschützt werden", erklärte HP-Chef Apotheker. "Autonomy hat ein attraktives Geschäftsmodell mit unter anderem einem starken Angebot an Cloud-basierenden Lösungen, das zu unseren Anstrengungen passt, unseren Portfolio-Mix zu verbessern."

Falls die Akquisition wie geplant durchgeht, soll Autonomy weiterhin eigenständig agieren. Lynch bliebe Chef und würde an Apotheker berichten. Die Verwaltungsräte beider Firmen haben den Deal einstimmig durchgewinkt; das Board von Autonomy empfiehlt den Aktionären ebenfalls einstimmig, das Angebot von HP zu akzeptieren.

"Das ist bemerkenswert nicht allein wegen der Summe, die HP hier ausgibt", sagt Elizabeth Hedstrom Henlin, Analystin bei Technology Business Research. "Aus meiner Sicht ist das ein echter Beweis für das Vertrauen des HP-Verwaltungsrats in Léo Apotheker und seine Vision."

Matt Rosoff beim "Silicon Alley Insider" übt allerdings harsche Kritik am früheren SAP-Chef. Apotheker habe die Kontrolle über HP vollkommen verloren, schreibt Rosoff - nicht wegen der wahrscheinlich für die Zukunft des Konzerns sehr wohl richtigen strategischen Entscheidungen, sondern wegen der Informationslecks im Unternehmen und der unklaren Kommunikation der neuen Strategie. HP wirke "steuerlos und panisch". Und so ähnlich kamen die Meldungen aus Palo Alto ja offenbar auch bei den Anlegern an - die Aktie des Konzerns verlor im Laufe des Handelstages sechs und nachbörslich noch einmal zehn Prozent, deutlich mehr als der ebenfalls gebeutelte Gesamtmarkt.