Hosted CRM: Die Kleinen machen Tempo

22.11.2004
Kleine, innovative Anbieter erschließen den Markt für CRM-Mietsoftware. Siebel hat darauf reagiert und kontert mit einem eigenen Angebot. Die SAP zeigt indes keine Aktivitäten.

Salesforce.com erlebt einen Höhenflug seiner Aktien wie einst die Dotcom-Firmen. Seit dem ersten Handelstag des Papiers im vergangenen Juni stieg der Wert von elf auf derzeit knapp 20 Dollar, das bedeutet eine Steigerung um mehr als 80 Prozent. Anders als viele der ehemaligen Dotcom-Überflieger kann Salesforce.com auf ein funktionierendes Geschäftsmodell, steigende Umsätze und sogar Gewinn verweisen: In dem am 31. Oktober abgeschlossenen dritten Geschäftsquartal legten die Einnahmen des Anbieters von gehosteten Customer-Relationship-Management-(CRM-)Lösungen gegenüber Vorjahr um 82 Prozent auf 46,4 Millionen Dollar zu. Unterm Strich blieb ein Plus von 2,2 Millionen Dollar.

Diese erfreuliche Entwicklung ist sicher ein Grund für die starke Nachfrage nach den Salesforce.com-Aktien, möglicherweise spekulieren die Anleger aber auch auf eine Übernahme. "Typischerweise bleiben zum Schluss immer nur die Großen übrig", meint zumindest Meta-Group-Analyst Andreas Bitterer. Wie bereits oftmals in anderen neuen Segmenten geschehen, erschließen kleine, innovative und schnell wachsende Newcomer einen Markt, bevor die Großen auf den Zug aufspringen.

Die Rolle des Wegbereiters übernehmen im Hosted-CRM-Markt neben Salesforce.com Firmen wie Salesnet, Netsuite, Dendrite oder Rightnow. Anders als die früheren Anbieter von Mietsoftware, die nahezu alle gescheitert sind, haben die heute erfolgreichen Application-Service-Provider (ASPs) ihre Software speziell auf die Nutzung via Internet zugeschnitten, und sie konzentrieren sich nur auf das Geschäft, das sie beherrschen: Sie verkaufen CRM-Funktionen von der Stange, hosten sie an einer zentralen Stelle und reduzieren damit den Aufwand an Pflege, Wartung, Updates und Nutzerbetreuung auf ein Minimum. Den Markt für individuell auf einzelne, meist große Unternehmen zugeschnittene CRM-Installationen überlassen sie den Lizenzverkäufern von SAP und Siebel.

Einstweilen wähnen sich die Newcomer vor den Begehrlichkeiten der großen CRM-Softwarehersteller im Hosting-Markt in Sicherheit. "Es ist nahezu unmöglich für Siebel und SAP, in diesen Markt vorzudringen", meint Greg Gianforte, CEO und Gründer von Rightnow, Anbieter von Mietsoftware für die Kundenbetreuung im Call-Center. "Sie müssten dazu ihre Software komplett überarbeiten. Außerdem bremst sie das Ökosystem der Partner, auf das sie Rücksicht nehmen müssen." Zudem, so der Manager, sind die börsennotierten CRM-Softwarehersteller ihren Investoren gegenüber in der Pflicht. Hosting-Verträge erzeugen erst über einen langen Zeitraum große Einnahmen. Würden die Kunden von SAP oder Siebel auf Mietlösungen umsatteln, müssten die Anbieter zumindest vorübergehend mit Umsatzeinbrüchen rechnen, und so etwas sehen die Börsianer ungern.

T-Systems testet Siebel

Doch Siebel probt bereits den Spagat zwischen beiden Modellen, wenngleich Helmuth Gümbel, Consultant von Strategy Partners, abwinkt: "Siebel engagiert sich nicht so beherzt wie etwa Salesforce.com." Bei seinen Gehversuchen in einem dem Softwarehersteller völlig neuen Marktsegment vertraut Siebel seiner abgespeckten und auf Basisfunktionen reduzierten CRM-Software sowie der Hilfe einiger, mächtiger Partner: Hosting-Vereinbarungen bestehen etwa mit British Telecom, der spanischen Telefonica Soluciones, der IBM sowie T-Systems. Vor allem der Flächenvertrieb der Telekom-Tochter öffnet Siebel das Tor zum Mittelstand und kleinen Unternehmen. Allerdings muss sich Siebel darauf verlassen, dass die T-Systems-Verkäufer den Service tatsächlich an den Mann bringen wollen. Nutzbringend könnte sich hier erweisen, dass T-Systems auch seinen eigenen Vertrieb mit der Hosted-CRM-Lösung ausstattet. Intern ist die Lösung bereits in fünf Ländergesellschaften ausgerollt und steht 1000 Mitarbeitern zur Verfügung.

Siebels Hosted-CRM-Geschäft wächst derzeit Quartal für Quartal um über 30 Prozent, völlig untätig erscheint dagegen die SAP. "SAP ist mit Netweaver beschäftigt", meint Bitterer. "Sie hat das Thema Hosted CRM ganz bestimmt auf dem Radar, aber auch ihre Entwicklungsressourcen sind endlich." Dass sich die SAP mit den Vorgängen in dem Markt auseinander setzt, davon ist auch Gümbel überzeugt. Er vermutet sogar, dass die Walldorfer eine fertige Lösung in der Schublade liegen haben. Derzeit besteht für den Softwarekonzern keine Notwendigkeit, aktiv zu werden, weil das klassische Geschäft gut läuft.

"Die SAP hat viel mehr zu verlieren als ihre Wettbewerber", erläutert der Strategy-Partners-Analyst. "Sie wird an ihrem bisherigen Lizenzmodell so lange festhalten, wie es irgendwie geht. Umsatzsteigerungen versucht die SAP etwa mit anderen Lizenzmodellen wie dem Engine-Pricing zu erzielen." Wie die SAP-Strategie aussehen wird, darüber darf spekuliert werden, denn offizielle Angaben dazu gibt es nicht.

Die Bedrohung der Hosting-Anbieter mit ihren Anfangserfolgen hält sich für das SAP-Geschäft derzeit auch in Grenzen, denn sämtliche ASP-Lösungen stecken noch in den Kinderschuhen. Nach wie vor decken die einzelnen Anbieter nur Teilfunktionen des CRM-Marktes ab, Salesforce.com - nomen est omen - beschränkt sich auf Unterstützung des Außendienstes, Rightnow liefert mit seinem Mietpaket Software für den Kundenservice. Analytische CRM-Funktionen etwa für das Kampagnen-Management sind nur rudimentär vorhanden, zudem mangelt es an Branchenlösungen.

Rudimentäre CRM-Funktionen

Vor allem Salesforce.com hat dieses Problem schon lange erkannt und arbeitet an der Ausweitung des Portfolios. Dazu zählen etwa der kürzlich vorgestellte Service "Supportforce.com" für das Kunden-Management und das Entwicklungs-Tool "Sforce", das unabhängige Softwarehäuser zum Erstellen von Branchenlösungen ermuntern soll. Doch auch hier besteht noch Nachholbedarf. "Sforce ist mit anderen Entwicklungswerkzeugen wie Eclipse, Websphere oder Weblogic nicht zu vergleichen?, schildert Bitterer. "Gemessen an diesen Lösungen ist Sforce Schnee von gestern."

Entwickeln sich die Angebote jedoch konsequent weiter, könnten sie auch für größere Kunden eine Alternative darstellen. Dazu müssten die Mietangebote allerdings komplette ERP-Funktionen umfassen oder die Möglichkeit bieten, unterschiedliche Hosting-Angebote zu einem Paket zu verbinden. Spätestens wenn das möglich ist, wird sich auch die SAP regen müssen, in welcher Form auch immer: Entweder mit einer fertigen Lösung aus der Schublade oder mit einer Akquisition. "Die großen Konzerne haben die Macht und finanziellen Mittel, spät in einen Markt einzusteigen und sich dennoch ein großes Stück vom Kuchen zu sichern", erwartet Bitterer.