Web-Technologie macht Mainframes zu Superservern

Host-Zugriff via Browser vereint SNA-Netze und Web

07.02.1997

Nach Angaben der International Data Corp. (IDC) existieren in Deutschland immer noch etwa 2800 Systems-Network-Architecture- (SNA-)Netze. Erhebliche Datenmengen sind auf den in sie eingebundenen Mainframe-Rechnern diverser Hersteller gespeichert. Im allgemeinen zeichnen sich diese Maschinen durch eine hohe Rechenleistung und große Zuverlässigkeit aus. Der Nachteil der Kolosse: Der Zugriff erfolgt über nicht sonderlich benutzerfreundliche, textorientierte Terminals oder entsprechende Emulationen.

Ein deutlicher Trend in Unternehmen geht derzeit dahin, vorhandene Mainframes wie einen Superserver einzusetzen und die auf ihnen gespeicherten Daten in einem Intranet oder gar im Internet zur Verfügung zu stellen. Die AMP GmbH in Langen steht stellvertretend für viele andere Firmen, bei denen solche Überlegungen ebenfalls angestellt werden. AMP betreibt bereits ein Intranet, welches die Niederlassungen des Unternehmens weltweit miteinander verbindet. Nach Auskunft von Lothar Hirschbiegel, DV-Leiter bei AMP, sollen den Mitarbeitern über eben diese Struktur demnächst auch solche Informationen zugänglich gemacht werden, die auf Mainframes gespeichert sind.

Zunächst will man bei APM den Zugriff über gängige HTML-Web-Server-Technologien ermöglichen. Mittels Common Gateway Interfaces (CGIs) wird dann direkt beispielsweise auf das Customer Information Control System (CICS) oder eine relationale Datenbank zugegriffen, wodurch nach Auskunft von Hirschbiegel auf einen Schlag die sonst notwendige Schnittstelle zwischen Host und Client, beispielsweise eine Terminalemulation, wegfällt. Außendienstmitarbeiter brauchen dann lediglich einen der gängigen Java-fähigen Browser, um Daten vom Host-Rechner abzurufen.

Es ist jedoch geplant, später einen Java-Server direkt auf einem OS/390-Host laufen zu lassen. AMP-Mann Hirschbiegel erläutert: "Wir haben damit bidirektionale Kommunikationsmöglichkeiten und werden dann ganz gezielt Java-Applets einsetzen, die wir entweder selbst erstellen oder speziell programmieren lassen." Wo möglich, sollen vorgefertigte, standardisierte Applets zum Einsatz kommen. "Somit befinden wir uns auf dem aktuellen Stand der Technik, ohne von einem Anbieter einer proprietären Lösung abhängig zu sein," fügt Hirschbiegel hinzu.

Ferner schätzt der Manager an dieser Lösung, daß sie Betriebskosten senkt und Wartungsprobleme, wie sie etwa durch Software-Updates bedingt sind, wesentlich vereinfacht. Browser sind mittlerweile Standardmodule, die häufig mit anderen Programmen mitgeliefert werden. Selbst wenn Java-Applets angepaßt beziehungsweise verbessert werden sollen, geschieht das immer nur zentral.

Mit ihren Bemühungen um eine Host-Anbindung an Web-Technologien steht die AMP GmbH nicht allein da: Insider schätzen, daß es weltweit noch 50000 SNA-Netze gibt, von denen sich wie gesagt knapp sechs Prozent allein in Deutschland befinden. Zeichneten sich SNA-Systeme lange Zeit unter anderem dadurch aus, daß sie dank proprietärer Lösungen nur schwer mit anderen Architekturen wie etwa Client-Server-Netzen zu verbinden waren, so hat sich hier zwischenzeitlich einiges getan. Mit TCP/IP hat sich ein offener Standard zur Datenübertragung durchgesetzt, der es Unternehmen ermöglicht, den Anbieter ihrer Lösungen viel freier zu wählen, als dies zuvor der Fall war.

Allerdings schützt auch der Einsatz des Internet-Protokolls nicht vor dem Umstand, daß noch immer eine spezifische Applikation auf einem Rechner installiert sein muß, ohne die an eine Bearbeitung der dank TCP/IP zur Verfügung stehenden Host-Daten nicht zu denken ist. Genau hier kommt die Hypertext Markup Language (HTML) ins Spiel. Setzt man sie ein, wird das Anschaffen einer spezifischen Softwarelösung überflüssig - das plattformunabhängige Hilfsmittel Web-Browser dient als universeller Client.

Ganz problemlos ist die Integration von Host und Web freilich nicht zu bewerkstelligen. Man muß in jedem Fall zunächst einmal den SNA-spezifischen Datenverkehr auf TCP/IP konvertieren, was durch den Einsatz von Gateways wie dem "SNA Server" von Microsoft erreicht werden kann. Eine weitere Hürde stellt die Tatsache dar, daß die SNA-Datenkommunikation Session-orientiert ist, also während der gesamten Kommunikation eine aktive Verbindung zwischen Anwender und Host verlangt.

Die Internet-Technologie dagegen ist verbindungslos: Kommt eine Anfrage von einem Rechner an den Server, so schickt dieser die gewünschten Daten und baut die Kommunikation danach sofort wieder ab. Bei einer erneuten Anfrage des gleichen Rechners benehmen sich beide Geräte, als würden sie zum ersten Mal miteinander kommunizieren. Greift ein Anwender via Web also auf einen Host zu, kann dies eine Sicherheitslücke aufreißen. Während die Verbindung vom Host aus SNA-bedingt offengehalten wird, beendet der Client nach Empfang der Daten die Kommunikation kurzfristig. Hier besteht die Gefahr, daß sich ein nicht autorisierter Anwender in die Host-seitig noch offene Verbindung einhängt und so an nicht für ihn bestimmte Daten gelangt, ohne daß der Host dies bemerkt. Bei einer Host-Web-Verbindung muß also ein Weg gefunden werden, um diesem Problem zu begegnen.

Verschiedene Lösungen bieten sich zur Integration von Hosts und Web-Technologien an. Eine davon sieht so aus, daß SNA-Datenströme in HTML-Dokumente konvertiert werden, so daß sie auf Workstations via Browser zugänglich sind. Diese Methode verlangt natürlich nach einem entsprechenden 3270/5250-HTML-Konvertierprogramm. Zusätzlich zu einem Gateway muß ein Web-Server installiert sein, auf den der Browser zugreift.

Eleganter ist da schon der Einsatz von Active-X-Controls oder Java-Applets (siehe Screenshot), die auf dem Arbeitsplatzrechner als Erweiterung des Web-Browsers ein Terminal emulieren und somit in der Lage sind, sowohl auf Host-Informationen als auch -Applikationen zuzugreifen. Datenströme kommen hierbei via TCP/IP über das Netz zum Rechner und können am Browser-Terminal wie an einem herkömmlichen Terminal bearbeitet werden, wobei sogar die Möglichkeit besteht, eine für neue Anwender leichter zu bedienende grafische Oberfläche zu programmieren.

Dadurch entfällt die leidige Wartung der Emulationssoftware, denn Active-X-Controls werden vom Browser beim ersten Zugriff automatisch auf die lokale Festplatte kopiert und stehen dort für künftige Einsätze zur Verfügung. Java-Applets werden jedesmal neu geladen, was den klaren Vorteil hat, daß Anwender immer mit dem aktuellsten Applet arbeiten.