Wettbewerb Anwender des Jahres: Woolworth

Hopp oder topp im Handel

17.11.2005

Ladeninfrastruktur - groß und mächtig

Das Projekt Ladeninfrastruktur stellte, so Hopfenzitz, das "größte und komplexeste Projekt der vergangenen drei Jahre dar". Die Kassensysteme in den 340 Filialen in Deutschland waren alle betagt und in der Regel zwölf Jahre alt. Bedienen ließen sie sich nur mit kryptischen Codes, die Einarbeitungszeit für Mitarbeiter dauerte bis zu vier Stunden. Vor allem aber unterstützten die Kassen keine Sonderpreisprogramme, weil es kein Rabattmodul für sie gab.

Der Austausch von rund 2000 Kassensystemen im Zuge des Ladeninfrastrukturprojekts steht dabei exemplarisch für die gesamte IT-Renovierung des Handelshauses. An ihm zeigt sich, wie die Woolworth-IT - so Hopfenzitz - "eine tradierte IT in eine moderne umwandelte, bei der wir auch mit unseren Geschäftspartnern in eine IT-gestützte Arbeitsbeziehung treten konnten."

Projektsteckbrief: Deutsche Woolworth

Die Deutsche Woolworth hat innerhalb von drei Jahren ihre komplette IT neu erfunden. Hierzu setzte sie unter anderem

  • fünf Teilprogramme mit insgesamt 36 Modulen auf;

  • Letztere untergliederten sich wiederum in über 400 Einzelprojekte;

  • Sie erneuerte ihre Ladeninfrastruktur in rund 340 Niederlassungen;

  • ersetzte das selbst entwickelte Datawarehouse durch eine zugekaufte Lösung;

  • führte ein Forecast- und ein Reporting- sowie ein Projekt- und ein Dokumentenmanagementsystem ein und

  • entwickelte eine neue Strategie für die Auslagerung seines Rechenzentrums an zwei Dienstleister.

In der Regel kamen Großrechner-Terminals als Medium für die Bedienung des Warenwirtschaftssystems zum Einsatz. Die dezentrale Netzinfrastruktur basierte auf Token-Ring-Technologie. Die Anbindung der größeren Zentralen erfolgte über teure Standleitungen. Moderne Bürokommunikation existierte nicht. Der Datentransfer von und zu den mobilen Datenerfassungsgeräten war störanfällig und kompliziert.

Um die IT-Infrastruktur so zu modernisieren, dass alle rund 340 Standorte in die neuen Prozesse und Anwendungen vollständig und ohne Medienbrüche eingebunden werden konnten, musste unter anderem die komplette Netzinfrastruktur ausgetauscht werden. Die Anbindung an das ausgelagerte Rechenzentrum sollte über DSL- und VPN-Technologien sowohl leistungsfähiger als auch preiswerter gestaltet werden.

Nachdem ein erster Rollout-Versuch mit einem Dienstleister im Jahr 2003 scheiterte, weil dieser die Komplexität dieser Aufgabe unterschätzte, wurde das Projekt neu ausgeschrieben und an die Firma Arxes vergeben. Der zweite Anlauf im Jahr 2004 funktionierte dann perfekt.

Plattformstrategien

Alle Projekte hier detailliert zu erörtern, würde den Rahmen sprengen. Angeführt seien allerdings noch strategische Überlegungen zur Ausrichtung der IT-Plattform. Vor der Restrukturierung lag der Knowhow-Schwerpunkt der Woolworth-IT-Mannschaft auf AS/400-Systemen sowie AIX-basierten RS/6000-Maschinen der "SP/2"-Familie. Die SAP-Anwendungen liefen auf HP-UX, waren aber ausgelagert.

Hopfenzitz diskutierte mit seinen Mannen im Zuge der kompletten IT-Restrukturierung die Option, im Unternehmen eine Plattformstrategie "aus einem Guss" zu entwickeln. Letztlich fiel die Entscheidung zugunsten von AIX als Betriebssystemplattform sowie auf AS/400-respektive i2-Systeme sowie auf die DB/2-Datenbank. Letztere erhielt den Vorzug vor Oracle.

Eine weitere Entscheidung bei Woolworth ist, bei allen Vorzügen, die Standardsoftware bietet, doch den Weg einer Best-of-Breed-Strategie zu verfolgen. Bei solch einem Unterfangen stellt sich aber ein grundsätzliches Problem: Die denkbaren Schnittstellen wachsen exponentiell zur Anzahl der zu integrierenden Systeme.

Allerdings zeigte eine Untersuchung, dass diese Systeme nur an den Übergabepunkten der jeweiligen Prozessschritte Daten austauschen. Woolworth entschied sich zudem für eine redundante Haltung der Stammdaten oder von Teilen derselben. Hopfenzitz sagt, wegen des immer noch überschaubaren Datenvolumens seien die Mehrkosten für die redundante Datenhaltung vergleichsweise gering. Zu regeln war allerdings, dass die Stammdatenteile immer nur von einem einzigen System verändert und repliziert werden können. Woolworth musste hierfür also eine Datendrehscheibe (DDS) entwickeln.

Hier war zu entscheiden, ob die technologische Basis eher auf einem klassischen ETL-Produkt oder auf einem EAI-Konzept fußen sollte. Informatica als ETL-Anbieter und IBM mit dem "Websphere-Business-Integrator" standen hier im Wettstreit. Ein hartes aber faires Bewertungsverfahren, das von beiden Firmen mit hohem Einsatz unterstützt wurde, zeigte deutlich das die TCO (über drei Jahre gerechnet) bei einer ETL-Lösung vergleichbar mit einer EAI-Lösung waren. Die geringere Komplexität der ETL-Lösung gab dann den Ausschlag und führte zu der Entscheidung für die Informatica-Suite.

IT-Prozesse

Und als wenn all diese Projekte nicht schon genug gewesen wären, wurden auch die internen IT-Prozesse in den letzten drei Jahren komplett überarbeitet. Ein eigenständiger Betriebsbereich wurde aus über mehrere Abteilungen verstreuten Verantwortlichkeiten geschaffen, die internen Prozesse an ITIL ausgerichtet. Ein striktes Kostenmanagement führte dazu, das die Kosten für die IT (inklusive der Abschreibungen), trotz erheblicher Ausweitung von Systemen und Anwendungen, verbunden mit der kompletten Renovierung der Systemlandschaft, heute auf dem gleichen Niveau wie 2001/02 liegen. "Wir erledigen heute deutlich mehr mit dem gleichen Geld", beschreibt Hopfenzitz den Erfolg dieses Teils der Umstrukturierung.

Wenn man Hopfenzitz heute fragt, ob sich das Mammutprojekt für Woolworth ausgezahlt hat, gibt der CIO, der auch Mitglied der Geschäftsleitung ist, eine klare Antwort. Die umreißt auch die Tragweite einer Entscheidung für eine leistungsfähige und die Geschäftsprozesse eines Unternehmens befördernde IT-Strategie dieser Dimension: "Wenn wir vor drei Jahren nicht angefangen hätten mit dem Projekt zur Umwandlung unserer IT und all unserer Geschäftsprozesse, dann könnten sich Woolworth nicht mehr wettbewerbsfähig aufstellen und marktgerecht agieren."