Honorar-Ratgeber für Freiberufler

16.06.2011
Wie viel muss ein IT-Selbständiger in der Stunde verdienen, damit er am Ende des Jahres nicht schlechter dasteht als sein fest angestellter Kollege?

Die Honorare der Freiberufler sorgen immer wieder für Diskussionen: Vermittlungsagenturen und Kunden erscheinen sie als zu hoch, viele Freiberufler indes klagen vor allem in Krisenzeiten, dass ihre Stundensätze als erste sinken. Zudem herrscht in der Preisfrage wenig Transparenz: Selbständige, die über eine Vermittlungsagentur an ihren Auftrag kommen, wissen in der Regel nicht, welchen Stundensatz die Agentur beim Endkunden berechnet und wie hoch die Marge für den Vermittler ist.

Für viele IT-Profis, die sich selbständig machen, gilt die Faustregel: Sie müssen im Vergleich zu ihrem bisherigen Jahresgehalt als Angestellter den doppelten Umsatz erwirtschaften, um dem hohen unternehmerischen Risiko gerecht zu werden. In der Praxis orientieren sich aber die wenigsten Freiberufler an den Angestelltengehältern, wie eine Umfrage der Vermittlungsagentur Jobhopper + Consulting aus Großhansdorf zeigt. Demnach richten 74 Prozent der Freiberufler die Höhe ihrer Honorare nach Dauer und Laufzeit des Projekts, der Entfernung des Projekts vom Wohnort und der Funktion (leitend oder nicht) aus. Die eigene Ausbildung fließt für jeden Zweiten in die Kalkulation ein, ebenso wie die Frage, ob der Selbständige mit oder ohne Vermittler arbeitet. Grundsätzlich orientieren sich viele an den marktüblichen Stundensätzen, den Honoraren von vergleichbaren Kollegen, ihrem persönlichen finanziellen Bedarf und der Wirtschaftslage.

73 Euro Stundenlohn

"In guten Zeiten besteht eine hohe Nachfrage, und die Freiberufler verlangen mehr", sagt Jobhopper-Geschäftsführerin Susanne Braun-Speck. Sie hat sich gefragt, wie ein Honorar am besten kalkuliert werden kann: "Für Erbsenzähler funktioniert die betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Methode: Errechne den privaten Finanzbedarf pro Jahr, addiere die jährlichen Betriebskosten wie Personal, Auto oder Bürokosten, Urlaub, Krankheitszeiten, Rentenvorsorge, Steuern etc. dazu und teile das Jahresergebnis in die Arbeitsstunden pro Jahr. Das Ergebnis ist sehr individuell, aber die Ausrichtung an Mitbewerbern und Markt fehlt." Stattdessen empfiehlt Braun-Speck eine Kalkulation auf Basis von Angestelltengehältern: "Gegenüber Kunden ist das leicht transparent zu machen und trifft auf Verständnis statt auf Abwehr." Verdient ein Softwareentwickler nach sechs bis acht Jahren in der Telekommunikationsbranche etwa 51.350 Euro im Jahr, kostet er den Arbeitgeber 65.220 Euro pro Jahr (siehe Tabelle). Braun-Speck geht nach Abzug von Urlaub, Feiertagen, Krankheit und Weiterbildung von 207 Arbeitstagen pro Jahr aus: demnach kostet der Softwareentwickler den Betrieb 315 Euro am Tag oder 39,38 Euro in der Stunde. Dieser Tages- beziehungsweise Stundensatz wäre aber für einen Freiberufler deutlich zu niedrig, da er dem Kunden nur 137 Tage in Rechnung stellen (fakturieren) kann. Schließlich hat er nicht nur Leerlauf zwischen den Projekten, sondern muss auch Zeit für die Akquise neuer Auftraggeber aufwenden. Zudem müsse der Freiberufler auf das Jahresgehalt des Angestellten Betriebskosten von 15.000 Euro draufschlagen, die für Büro, Auto oder eine Aushilfskraft anfallen. So komme man auf einen Jahresumsatz von 80.220 Euro, der heruntergebrochen einen Stundensatz von 73,19 Euro ergibt.

Fortbildung kostet

Dass Externe den Kunden auf den ersten Blick teurer kommen, ist in den Augen von Freiberufler Axel Dahmen logisch: "Im Gegensatz zu Festangestellten muss ich mich immer auf dem neuesten Stand der Technik halten und entsprechend Zeit und Geld investieren. Dafür erhält der Kunde Top-Leistung und kann mich jederzeit loswerden, wenn sein Bedarf gedeckt ist. Dieser Vorteil kostet nun mal etwas mehr."

Laut Jophopper-Umfrage set-zen 78 Prozent der Freien ihren Stundensatz auf Verhandlungsbasis fest und schauen sich dann die Projektbedingungen an. Zudem bilden sich 61 Prozent der Freiberufler regelmäßig weiter, wie Barbara Beenen, Sprecherin des Hamburger Arbeitskreises der Gesellschaft für Informatik, berichtet.

Beispielrechnung für Softwareentwickler

Angestellter Entwickler

Freiberuflicher Entwickler

Personalkosten im Jahr

Durchschnittsgehalt 51.350,00 €

Arbeitgeberanteil Sozialversicherung 10.270,00 €

Freiwillige Leistungen wie Pensionsfonds, vermögenswirksame Leistungen etc. (200,-/mon.) 2600,00 €

Weiterbildungskosten 1000,00 €

= 65.220,00 €

Das muss ein Freelancer verdienen

Jahresgehalt des Angestellten 65.220,00 €

Betriebskosten für Freelancer mit 400-Euro-Aushilfskraft, Büro, KFZ, etc 15.000,00 €

= 80.220,00 €

Arbeitstage im Jahr

365 Kalendertage

104 Wochenendtage

30 Urlaubstage

10 Feiertage

8 Krankheitstage

6 Weiterbildungstage

= 207 produktive Tage à 8 Stunden

Fakturierbare Arbeitstage im Jahr

207 Angestellten-Arbeitstage

22 Tage Leerlauf zwischen Projekten, Akquisephase

48 Tage "Heimarbeit"/Tage für interne, nicht an Kunden fakturierbare Arbeitstage (4 Tage pro Monat)

= 137 tatsächlich fakturierbare Arbeitstage

Kosten

65.220 € : 207 = 315,07 € pro Tag

315,07 € : 8 h = 39,38 € pro Stunde

So viel sollte ein Freiberufler kalkulieren

80.220,00 €: 137 Tage = 585,55 € pro Tag*

585,55 €: 8 Stunden = 73,19 € pro Stunde