Honi soit qui mal y pense

29.07.1994

Wer bislang glaubte, Bill Gates sei nur der Chef der weltweit erfolgreichsten Softwarefirma, darf diesem Etikett getrost einen weiteren Superlativ anhaengen: Gates ist auch der begnadetste Pokerspieler der Branche.

Neu ist diese Erkenntnis nicht: Schon als Harvard-Zoegling war der spaetere Studienabbrecher als trickreicher Kartenleger beruechtigt. Beim Black Jack mit Ann Bingaman hat er jetzt voll ausgereizt. Die resolute Wettbewerbshueterin galt als Falke des US- Justizministeriums, wurde deshalb auch zur Hoffnungstraegerin aller Microsoft-Konkurrenten. Und musste nun doch passen.

Geblendet von der "amerikanischen Erfolgsstory", so die Beamtin, konnte - oder durfte? - sie sich offensichtlich nicht zu einem harten Vorgehen durchringen, um das Wettbewerbsverhalten des amerikanischen Vorzeigeunternehmens schonungslos zu durchleuchten.

Mit guter Miene zu boesem Spiel aeusserten Vertreter von IBM und Novell optimistisch, der Consent Decree eroeffne ihren Betriebssystemen und Applikationen bessere Marktchancen, weil Microsoft von einigen beanstandeten Lizenzierungspraktiken abruecken muesse.

Wie banal: Jedes Kind der Branche weiss doch, dass es von der Auflagenstaerke eines Betriebssystems abhaengt, auf welche Softwareplattform sich Entwicklerpotentiale konzentrieren. Schon deshalb ist die Haltung von IBM und Novell voellig unverstaendlich. Tatsaechlich haben Microsofts Konkurrenten mit der aussergerichtlichen Wohlverhaltensformel einen furchtbaren Schlag hinnehmen muessen.

Denn mit dem Abschluss der Verpflichtungserklaerung wusch sich Gates von einer Vielzahl an Vorwuerfen rein: Sogenannte Vaporware, also Software, von der kaum eine Zeile Code existierte, habe Microsoft nur deshalb angekuendigt, um den Markt fuer die Konkurrenz einzufrieren. Aus dem freien Informationsfluss zwischen Betriebssystem- und Applikationsentwicklern in Redmond ziehe Microsoft nicht nur grundsaetzlich einen unbilligen Vorteil. Durch die zoegerliche und unvollstaendige Dokumentierung von APIs habe Gates den ISVs das Leben zusaetzlich bewusst schwer gemacht. Mit Preisdumping draenge Redmond Konkurrenten in den Ruin etc.

Alle diese Anschuldigungen gegen die Gatesianer fanden keinen Eingang in die Verhandlungen. Mehr noch: Das Recht der Behoerden, ein wachsames Auge auf Microsofts kuenftiges Geschaeftsgebaren zu werfen, beschraenkt sich ausschliesslich auf den Inhalt der Vereinbarungen des Consent Decree.

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Microsoft kann all die vermeintlich unlauteren, nun aber sanktionierten Verdraengungsstrategien ganz offiziell verfolgen, deretwegen das Unternehmen vier Jahre lang den Argusaugen der amerikanischen Waechter ueber das Kartellrecht ausgesetzt war. Ein Schuft, wer Schlechtes dabei denkt.