Unternehmenssteuerung/Parker-Hannifin GmbH: Steuerung bis in die kleinste Zelle

Hohe Liefertermintreue bei niedrigen Lagerbeständen

25.06.1999
Die enge Zusammenarbeit mehrerer Standorte in der Produktion sind die Basis für die flexible Steuerung von Unternehmensbereichen und für eine ausgeprägte Kundenorientierung. Herausforderungen für die Unternehmenssteuerung sind hier die Abbildung der Geschäftsprozesse und vor allem die Kostenkalkulation in Mehrwerksbeziehungen, wie Theo Esser* berichtet.

Nicht zuletzt die Konjunkturschwäche Mitte der 90er Jahre im Maschinenbau und in der metallverarbeitenden Industrie stellten die Hydraulic Controls Division des Industriekonzerns Parker-Hannifin vor die Herausforderung, neue Konzepte auch für die Fertigung zu entwickeln. Ziel war, das Unternehmen marktnäher und flexibler zu organisieren. Die Steuerung und die Flexibilität der einzelnen Unternehmensbereiche mußten verbessert werden.

Die Produktionsstätten der Hydraulic Controls Division sind in sogenannten Fertigungszellen organisiert, wobei jede Produktlinie eine Fertigungszelle darstellt. Beschaffung, Materialwirtschaft und Produktion liegen jeweils in der Verantwortung der Zelle. Somit schuf man für jedes Team ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit, was zu erheblichen Produktivitätssteigerungen führte. Der Materialfluß innerhalb der Werke wird nach dem Kanban-Prinzip gesteuert (Kanban ist ein aus Japan kommendes Regelkreiskonzept zur Optimierung der Material- und Informationsflüsse zwischen Abnehmern und Lieferanten. Anm. der Redaktion). Durch die Zellenfertigung erreicht Parker-Hannifin somit eine optimale Bedienung des Kunden bei gleichbleibend niedrigen Lagerbeständen.

Parallel zur Organisation in Fertigungszellen wurde eine Informationstechnologie- und Telekommunikations-Infrastruktur aufgebaut, die alle deutschen Fertigungsbetriebe und europäischen Vertriebsniederlassungen miteinander verbindet. Durch den Online-Zugriff aller Werke auf den aktuellen zentralen Datenbestand ist Parker-Hannifin in der Lage, auch kurzfristigen Lieferwünschen seiner Kunden nachzukommen. Die Unternehmenssoftware mußte die Zellen- und Mehrwerksorganisation abbilden. Dies war mit der zuvor eingesetzten Software "Mapics" nicht mehr möglich: Das Altsystem war über die Jahre so stark angepaßt und über Schnittstellen erweitert worden, daß es sich kaum mehr verändern ließ und die Implementierung neuer Releases nicht mehr wirtschaftlich erschien. Aus der Standardsoftware war über die Jahre ein starres Individualsystem geworden. Außerdem drückten anstehende Probleme wie die Jahr-2000- und die Euro-Fähigkeit sowie die fehlende Unterstützung einer relationalen Datenbank. Ende 1996 war daher klar, daß nur noch eine Radikalkur helfen konnte: Der internationalen Richtlinie von Parker-Hannifin folgend, stellte Hydraulic Controls Division auf "Worldsoftware" von J.D. Edwards um.

Die Neuorganisation des Unternehmensbereichs in Zellen stützt sich auf diese neue IT-Infrastruktur: Für die deutsche Organisation laufen die Worldsoftware-Module Distribution und Manufacturing auf einem zentralen AS/400-Server in Kaarst bei Düsseldorf. Insgesamt verwaltet das System hier mehr als 90000 Artikel sowie rund 500000 Stücklisten- und 300000 Arbeitsplanpositionen für seine sieben Standorte im deutschsprachigen Raum. Daneben bilden Netware-Server von Novell sowie Lotus-Notes- und Product-Data-Management-Server die Infrastruktur. Über Standleitungen sind alle Produktions- und Vertriebsstandorte an das zentrale System angebunden.

Die Werksvertretungen hingegen wurden per ISDN in das Unternehmensnetzwerk integriert und haben somit Zugriff auf alle relevanten Produkt- und Auftragsdaten. Durch Anbindung der Vertriebsniederlassungen und Werksvertretungen ist es der Division gelungen, den EDI-Anteil (Electronic Data Interchange) der eingehenden Bestellungen auf 50 Prozent zu bringen, wobei ein Ausbau auf 70 Prozent innerhalb der kommenden zwölf Monate geplant ist.

Eine Herausforderung für Parker-Hannifin ist die hohe Individualität der Aufträge, die sich häufig auf Kleinstserien oder gar Einzelanfertigungen beschränken. In der dezentralen und in Zellen organisierten Mehrwerksstruktur müssen daher der Preis und damit die Kosten eines Produkts über die einzelnen Standorte und unter Einbeziehung mehrerer Zellen hinweg kalkuliert und der Teilebedarf in diesen Unternehmenseinheiten geplant werden. Zahlreiche Produkte können dabei sowohl direkt verkauft werden als auch in andere Produkte des Unternehmens eingehen. Die Vorprodukte stammen zudem nicht nur aus dem Hydraulikbereich von Parker-Hannifin, sondern können auch Produkte anderer Unternehmensbereiche oder Zulieferer sein. Damit wurden in der Unternehmenssoftware die Mehrwerksbeziehungen auch in der Kostenkalkulation umgesetzt und ein entscheidendes Instrument zur Unternehmenssteuerung geschaffen.

Die hohe Individualität der Fertigung führt kontinuierlich zu neuen Stücklisten und Arbeitsplänen und zu einer Revision der Teileverwendungslisten, die die möglichen Verwendungsarten des betreffenden Teils in einzelnen Produkten abbilden. Die Stückliste jedes einzelnen Produkts muß die unterschiedlichen Unternehmensbereiche als Zulieferer ausweisen. Grund hierfür ist die in der Software festgelegte Verknüpfung des Produkts und damit der Kosten mit dem Produktionsstandort.

Datenqualität ist das A und O für die Steuerung

Alle Informationen, die zu einem Auftrag gehören, etwa Kosten und Mengen, müssen vor der Eingabe des Auftrags feststehen, da die geplanten Gesamtkosten eine entscheidende Steuergröße für das Unternehmen darstellen. Diese Vorgabe unterstützt maßgeblich die Datenqualität im Unternehmen, andererseits führt sie zu der Notwendigkeit der Kostenkalkulation in Mehrwerksbeziehungen.

Bedingt durch die Zellenfertigung müssen alle Informationen aus den Bereichen Beschaffung, Materialwirtschaft und Produktion auf die einzelnen Teams heruntergebrochen werden. Die Lösung der Kostenkalkulation über mehrere Standorte und Unternehmenseinheiten hinweg ist nur aufgrund der auf jeden Organisationsbereich anpaßbaren Datenstruktur der Worldsoftware möglich. Alle notwendigen Daten müssen zudem nicht von lokal verteilten Servern für jeden einzelnen Auftrag zusammengeführt werden, sondern sind auf dem zentralen Rechner in Kaarst für alle Standorte und Unternehmenseinheiten verfügbar. Jede Zelle und jeder einzelne Standort wird dadurch einzeln steuerbar.

Eine besondere Herausforderung ist dabei der Abgleich der Daten aus den Modulen Distribution/Manufacturing in Kaarst mit dem zentralen Finanzssystem in London. Auch für sein Finanzwesen setzt Parker-Hannifin auf DV-technische Zentralisierung. Gründe dafür sind die bessere Konsolidierung der Finanzinformationen, die Möglichkeiten zentraler Analyse und Reporting sowie die übersichtlichere Steuerung der internationalen Aktivitäten.

Nach der Einführung flexibler Unternehmensstrukturen und -prozesse und der Ablösung des zur Individualsoftware erstarrten Altsystems erlaubt die neue Software-Infrastruktur der Hydraulic Controls Division die kundenorientierte Feinsteuerung der einzelnen Fertigungszellen. Darüber hinaus ermöglicht sie die Kostenkalkulation in komplexen Mehrwerksbeziehungen für die Unternehmenssteuerung.

Zugleich bleibt die Software offen für die schnelle Erfüllung neuer Anforderungen: Ab dem Jahr 2000 ist die Umstellung der Hauswährung auf Euro geplant. In Zukunft wird Parker-Hannifin zudem die plattformunabhängige Unternehmenssoftware "Oneworld" parallel einsetzen und damit Anwendungen der beiden J.D.-Edwards-Standardsysteme gemeinsam nutzen. Das Unternehmen zielt vor allem auf eine stärkere Anbindung von Außendienst und Geschäftspartnern sowie eigener PC-Software für Angebotserstellung und das EDI-Bestellwesen.

Angeklickt

Eine Herausforderung für Parker-Hannifin ist die hohe Individualität der Aufträge, die sich häufig auf Kleinstserien oder gar Einzelanfertigungen beschränken. Materialbedarf und Preise müssen daher über mehrere Stufen hinweg kalkuliert werden. Zur Steuerung der Prozesse entschied man sich für "Worldsoftware" von J.D. Edwards.

*Theo Esser ist Leiter EDV und Vertriebsinnendienst bei der Parker-Hannifin GmbH, Hydraulic Controls Division, in Kaarst bei Düsseldorf.