Netzzugangstechniken/Überlebenshilfe aus dem Orbit

Hohe Gebühren verhindern den Erfolg der Satellitentechnik

31.03.2000
Einen Ausweg aus dem Bandbreiten-Dilemma versprechen die Satelliten-Anbieter. Mit dem Umweg über den Orbit wollen sie die Engpässe auf der letzten Meile umgehen. Hadi Stiel* zeigt Vor- und Nachteile des Internet-Zugangs via Satellit auf.

Eberhard Kurz ärgert sich. Er wartet zusehends länger, bis die gesuchten Informationen aus dem Internet zu Hause auf seinem PC-Bildschirm erscheinen. Nicht viel anders ergeht es ihm tagsüber im Büro. Auch dort muss sich der Berater, der bei Arthur D. Little in Wiesbaden arbeitet, gedulden, wenn er aus der Zentrale Projektinformationen abruft.

Kurz ist kein Einzelfall. Wie ihm geht es derzeit vielen privaten und professionellen Teilnehmern des Internet - rund zehn Millionen in Deutschland, knapp 200 Millionen weltweit machen ähnlich leidvolle Erfahrungen. Besonders unerbittlich schlägt das World Wide Web in Sachen Wartezeit beim Abruf ausgefeilter Präsentationen und beim Herunterladen von Software zu. 10 MB Daten, sechs bis acht aufwendigere Grafiken oder der neue Browser von Netscape oder Microsoft benötigen rund 35 Minuten für die Reise durch das Netz.

So platzt das Internet bereits heute aus allen Nähten, obwohl die eigentliche Herausforderung erst noch bevorsteht: der Transport von bandbreitenintensiven Videos. Kenner der Szene wie Jörg Paradies, Berater bei Diebold Deutschland in München, sehen, diese Option vor Augen, das Internet in seiner heutigen Form bereits kollabieren. Zu schmalbrüstig und unbeweglich, so ihre Kritik, sei das Netz in seiner heutigen Form. Sie fordern ein durchsatzstarkes und mobiles Internet, in dem terrestrische und nichtterrestrische Verbindungen Hand in Hand gehen. Vor allem auf der Strecke zum PC und dabei besonders auf der letzten Etappe bis zum Hausanschluss muss das Web laut Paradies einen Zahn zulegen.

Alternative Techniken, die zumindest auf den letzten Metern bis zum Hausanschluss mehr Fahrt auf den Leitungen erlauben könnten, wie etwa xDSL (Digital Subscriber Line), sind für die breite Masse der Internet-Teilnehmerschaft innerhalb der nächsten drei Jahre nicht in Sicht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Ansturm der Konsumenten mit ihren Multimedia-Erwartungen ein neues Informations-Verbreitungsprinzip erfordert. "Nicht die im Leitungsnetz übliche Punkt-zu-Punkt-Vermittlung ist hierzu besser geeignet, sondern Broadcasting wie bei Rundfunk und Fernsehen", so Consultant Kurz über eine weitere Achillesferse der heutigen Internet-Struktur. Schnelle Hilfe könnte in dieser Situation buchstäblich von oben, aus dem Orbit in 36 Kilometer Höhe, kommen. Europäische Satellitenbetreiber wie Eutelsat und die SES( Société Européenne des Satellites) mit Astra rüsten für den multimedialen Großangriff auf die schmalbrüstigen Internet-Verbindungen.

Ihre Offerte an die ungeduldig wartenden Internet-Teilnehmer klingt wie eine Verheißung: Transferraten bis zu 40 Mbit/s versprechen den rasanten Transport von Text, Grafiken, Video- und Audiodaten auf dem Hinkanal vom Web zum Anwender. Das entspricht einer Beschleunigung um den Faktor 600 bis 8000 gegenüber dem heutigen Status quo im World Wide Wait, wie Zyniker das World Wide Web bereits nennen.

Der Umweg über den Orbit ist zurzeit allerdings noch eine Einbahnstraße. Nur die Daten zum Anwender profitieren von der himmlischen Schnellstraße, während die Informationen vom Anwender ins Internet noch terrestrisch übertragen werden. Nach Ansicht der Satellitenbefürworter ist das jedoch kein Problem. In der Regel benötige die Anfrage einer Web-Seite nur wenig Bandbreite. Dafür biete das Sendeprinzip mit Blick auf die Privatkonsumenten einen gravierenden Vorteil: Web-Inhalte können, wie bei Rundfunk oder Fernsehen auch, wirtschaftlich via Satellit gesendet werden.

Transponder sind für Internet gerüstet

Romain Bausch, Generaldirektor der SES, ist deshalb überzeugt: "Die multimediale Welle, bisher durch terrestrische Verbindungen gebremst, wird via Satellit binnen der nächsten drei Jahre flächendeckend über Europa schwappen." Die entsprechenden Vorarbeiten haben Satellitenbetreiber wie SES und Eutelsat geleistet. So sind bei Astra 20 der rund 200 Transponder für einen beschleunigten Internet-Durchsatz gerüstet. Beim Konkurrenten Eutelsat können 25 der 240 Transponder Web-Aufgaben übernehmen. "Web-Dienste mit einem Transfervolumen von 2 GB pro Sekunde werden bereits über die Eutelsat-Satelliten abgewickelt", preist Christian Zippel, Area-Manager für den deutschsprachigen Raum bei Eutelsat in Paris, die Leistungsfähigkeit der Systeme an. Bis zum Jahr 2003 rechnet Eutelsat mit einer Verfünffachung dieser Datenmenge im Downlink. Überzeugt von der Leistungsfähigkeit der Satellitenübertragung, hocken die Anbieter multimedialer Dienste in den Startlöchern oder offerieren schon erste Angebote. Die Murdoch-Tochter Bskyb erschließt etwa den britischen Kunden für rund 30 Pfund pro Monat den schnellen Satellitenkanal, das Empfangsterminal beim Kunden eingeschlossen. Die Strato Medien AG in Berlin bietet über acht bei Eutelsat angemietete Transponder über "Sky DSL" Push-Dienste an, mit denen Web-Seiten, E-Mails und Dateien aller Art auf den PC der Teilnehmer geladen werden. 10 MB sind so in Sekundenschnelle auf den eigenen PC heruntergeladen, während die Übertragung im terrestrischen Internet bis zu 35 Minuten dauert. Für das Basispaket mit einem Durchsatz von 128 Kbit/s zahlt der Kunde 29 Mark pro Monat. Dieser Preis versteht sich inklusive Satellitenterminal, elektronischer Post und Cache-Dienst, der den Internet-Teilnehmern automatisch die beliebtesten Web-Seiten auf ihren PC lädt. Dazu kommt die einmalige Installation des Terminals. Kostenpunkt: rund 200 Mark. Der orbitale Dienst ist laut Strato in der ersten Ausbaustufe für 120000 Benutzer ausgelegt.

Seit September 1999 ist mit dem irischen Satellitenterminal-Hersteller und Kommunikationsanbieter Armstrong in Deutschland ein weiterer Anbieter aktiv. Im Gegensatz zu Strato peilt er mit "Web SAT" vor allem professionelle und semiprofessionelle Nutzer in kleinen Büroeinheiten und Heimbüros als Zielgruppe an.

Bei Beta Research in Unterföhring bei München, einem Unternehmen der Kirch-Gruppe, setzt man dagegen auf den Fernseher als Endgerät. Mit der D-Box hat das Unternehmen eine Kommunikationsplattform auf den Markt gebracht, die Anbieter wie die Deutsche Telekom oder Premiere für Fernsehen und Internet nutzen können. "Damit kann am Fernsehgerät bald auch gesurft werden", blickt Manuel Cubero, kaufmännischer Geschäftsführer bei Beta Research, in die Zukunft.

Mit viel Zuversicht sieht auch Europe Online Networks im luxemburgischen Château de Betzdorf, einen Steinwurf von der SES-Zentrale entfernt, dem Internet-Satelliten-Zeitalter entgegen. Als Publikumsmagneten hat der Portalanbieter unter dem Astra-Satellitenschirm unter anderem den Musiksender MTV an Bord, erklärt Candace Johnson, die Präsidentin des Unternehmens: "Internet-Teilnehmer können damit bereits die MTV-Videoclips an ihren PCs abrufen und erhalten dazu Hintergrundinformationen." Weitere Kunden, die laut Johnson auf die Verknüpfung von Fernsehen und Internet setzen, sind der Nachrichtenkanal CNBC, Eurosport, Travel Channel und die spanische Vacaciones TV.

Ebenfalls in die Internet-Satelliten-Ära ist die Pro-Sieben-Tochter Community Media in Köln eingestiegen. Mit dem Dienst E:max wendet sie sich an Diskotheken, Fitness-Studios, Trendshops sowie moderne Gastronomie und Handelsketten. Diese können sich über das terrestrische Internet bis zu zehn Stunden Videoclips aussuchen, die dann über den Satellitendienst Astra in Windeseile auf die PC/Video-Einheit der Kunden geladen werden. Die hoch auflösenden Clips lassen sich dann für die Projektion in den Geschäftsräumen beliebig anordnen sowie durch eigene Moderationen, Grafik- und Textelemente ergänzen.

Zum typischen Angebot von Community Media zählen Video-Häppchen zur Musikszene sowie die Themen Natur, Reisen und Trendsportarten. "Die Web-Offerte ist für die Zielgruppe zwischen 14 und 29 Jahren konzipiert sowie für Unternehmen, die ihr angestaubtes Image via Orbit aufpeppen wollen", unterstreicht Marcus Englert, Mitglied der Geschäftsleitung bei Pro7 Digital Media in München. Zu den Kunden zählten Unternehmen wie die Burger-King-Gruppe, die Drogeriekette Ihr Platz oder Media Markt. Außerdem nutzten bereits 180 Fitness-Studios und mehr als 100 Diskotheken den Service. Für Englert steht deshalb außer Frage, dass das Internet in seiner heutigen, nahezu ausschließlich leitungsgebundenen Form ausgedient hat.

Die bislang vorgestellten Angebote haben jedoch alle ein Manko: Sie nutzen die schnellen Satelliten nur zum Download, während die Daten vom Anwender ins Internet nur über schmalbandige ter-restrische Leitungen laufen. Entsprechend arbeiten die Satellitenbetreiber mit Nachdruck an Systemen, die Hin- und Rückkanal über Satellit abwickeln. So schickte SES hierzu einen Satelliten in den Orbit, der West- und Mitteleuropa mit seiner Ausleuchtzone abdeckt. Eutelsat offeriert in Zusammenarbeit mit Armstrong bereits die bidirektionale Form der Satellitenkommunikation.

Einer breiten Marktakzeptanz stehen aber die zu hohen Preise für interaktive Satellitenterminals, die beide Kanäle bedienen können, entgegen. So kosten interaktive Terminals von Anbietern wie Armstrong oder Gilat rund 5000 Mark. Bei Tachyon bezahlt der Kunde für den professionellen Internet/Satelliten-Einsatz mehr als 6000 Mark pro System. Bei Alcatel und Marconi fallen 20000 beziehungsweise 60000 Mark an. Dafür erhält man ein LAN-fähiges System, das im Rückkanal mit Transferraten von bis zu 3,75 Mbit/s dienen kann.

Anwender, die bei Astra auf rückkanalfähige Systeme warten, müssen sich noch gedulden. Eine gemeinsame Initiative mit dem Hersteller Nortel Dasa zur Entwicklung interaktiver Terminals verlief nämlich im Sand. Martin Halliwell, General-Manager für globale multimediale Netzwerke bei SES, geht jetzt von einem marktreifen Produkt "nicht vor Ende dieses Jahres" aus. Dann hofft er diese Teilnehmerbox zu einem Preis von rund 1000 Euro anbieten zu können.

Angesichts diese Preise dürften die interaktiven Internet-Angebote derzeit für das Gros der privaten User noch uninteressant sein. Diebold-Mann Paradies siedelt die Obergrenze für diese Services unterhalb des Preisniveaus von Einwegterminals an, die heute zwischen 500 und 800 Mark kosten: "Nur dann dringt die interaktive Satellitenkommunikation in Gebiete ohne ausreichende Infrastruktur vor."

Das generell hohe Preisniveau bei den Satellitenterminals ist auch für Ralph-Peter Seraphin, verantwortlich für die Strategieberatung im Bereich Telekommunikation bei Andersen Consulting in Sulzbach bei Frankfurt am Main, ein Grund dafür, dass die Internet-Übertragung via Satellit womöglich nur eine Nischenlösung bleibt. Zumal alternative Technologien, allen voran Richtfunk und UMTS (Universal Mobile Telecommunications System), daneben die xDSL-Techniken ADSL und VDSL sowie die interaktive Kommunikation über das Kabelnetz um die Gunst des Kunden buhlen. "Durchsatzstarke Richtfunkverbindungen sind eventuell schon in einem Jahr für die Internet-Teilnehmer aktuell und UMTS in nur zwei Jahren", glaubt Seraphin. "Soll der Satellit im Internet eine echte Verbreitungschance haben, müssen die Preise insbesondere für interaktive Terminals noch in diesem Jahr kräftig nach unten gehen", urteilt der Experte.

Angeklickt

Die Satellitentechnik gehört zu den alten Bekannten im Bereich der Access-Verfahren und verspricht eine hohe Flexibilität. Dennoch konnte sie sich bisher nur eine Marktnische erobern. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass die Satellitendienste für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zu teuer sind. Ein weiteres Manko ist der Einbahnstraßencharakter.

*Hadi Stiel ist freier Journalist und Berater in Bad Camberg.

Problemfall

Für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ist die Satellitenkommunikation ungeeignet. Die Kapazitäten der Transponder im Orbit reichen derzeit für einen breiteren Einsatz nicht aus. Entsprechend kostspielig ist das Angebot an Punkt-zu-Punkt-Verbindungen via Satellit mit hohen Transferraten, wie es beispielsweise Eutelsat im Rahmen seines D-Sat-Dienstes bietet. So bewegen sich die Mietpreise für einen Transponder mit einem Gesamtdurchsatz von 2 Gbit/s in schwindelerregenden Höhen: SES verlangt eine Jahresmiete von sechs Millionen Euro, Eutelsat berechnet drei Millionen Euro.

Abb. 1: Sky DSL

In der Regel muss der Kunde auch die Empfangshardware bezahlen. Quelle: Strato

Abb. 2: Sky DSL-Aktuelles Tarifmodell

Hohe Bandbreiten via Satellit sind auch für Privatkunden noch teuer. Quelle: Strato

Abb. 3:Interaktive Satelliten-Terminals

Der Wunsch nach einem Rückkanal-fähigem Satellitensystem dürfte häufig noch am Preis scheitern. Quelle: Stiel