Höhenrausch

06.06.1980

Von Dieter Eckbauer. Zugesagter EDOS-Komfort und in Aussicht gestellte Performance-Gewinne bringen IBM-Anwender offenbar nicht auf Partnerwechselgedanken. Zu diesem Ergebnis kam CW-Redakteur Manfred Hasenbeck, der 26 DV-Chefs mit 370er Maschinen nach ihren Reaktionen auf das "PC-Soft"-Debüt der Nixdorf Computer AG befragte.

Natürlich begrüße man es, so der Tenor der Antworten, daß jetzt neben Siemens ein zweites deutsches Mainframe-Sternchen am IBM-blauen Himmel auftauche. Aber "ins Große" mag niemand die unbestrittenen MDT-Fähigkeiten der Paderborner extrapolieren (Die 8870 hat mit IBMs Standardmodellen nun mal lediglich zwei Ziffern gemein).

Man wolle abwarten, bis sich die ersten Kunden des neuen Nixdorf-Geschäftsbereiches "Compatible Informations-Systeme" - kurz C.l.S. - die Hörner abgestoßen haben. Und noch habe C.l.S. nicht die ganze Katze aus dem Sack gelassen (Wo ist die Hardware?).

Schließlich sei ungewiß, wie gut sonstige IBM-fremde Software in EDOS-Begleitung laufe.

Zusammengefaßt ließe sich das vorläufige Anwenderurteil - in Abwandlung eines bekannten deutschen Sinnspruches - etwa so interpretieren: Die Werbebotschaft hör ich wohl, allein mir fehlt Vertrauen.

Die Nixdorf-Mannschaft wird nichts anderes erwartet haben. Daß die TCSC-Übernahme nicht zum IBM-Herausforderungsspektakel aufgemotzt wurde, beweist, wie vorsichtig in der Münchner C.l.S.-Zentrale taktiert wird. Ob dieser Einstieg in Raten freilich das richtige Rezept ist, lBM an der Basis beizukommen - und das ist schließlich der Zweck des ganzen Manövers -, darüber bestimmen letztlich die Anwender.

EDOS soll zunächst als Mixed-Software an IBM-Kunden vertrieben werden. Nixdorf schielt dabei auf DOS-Fahrer im Bereich "370/115 aufwärts", von denen es allein 4500 in der Bundesrepublik gibt. Zielmarkt wäre darüber hinaus der immer noch stattliche 360-Park. Wie ist es nun um die Nixdorf-Chancen bestellt?

Ein Seitenblick auf Olivetti mag hilfreich sein. Als die Italiener im Januar dieses Jahres Mainframe-Comeback-Absichten äußerten, gab es ähnliche Anwenderreaktionen, was uns zu der Bemerkung veranlaßte, "es steht dahin, daß sich Anwender von IBM freischwimmen könnten". Die CW schrieb damals: "Die meisten User verlangen ohnehin nur Service-Qualität - alles andere ist für sie weder Kauf- noch Miet-Motiv: Trübe Aussichten für Nicht-lBM-Anbieter?" Trübe Aussichten für Nixdorf? Zumindest auf dem Papier sieht die C.l.S. nicht besser aus als Olivetti. Man vergißt nämlich allzu leicht, daß in Ivrea beachtliche Umsatzzahlen geschrieben werden. Und mit vollen Hosen - sprich Cll-HB-Aktionär St. Gobain im Rücken - ist bekanntlich gut stinken, zumal einer der OEM-Partner Hitachi heißt.

Im Universalrechnerbereich entscheidet freilich nicht mehr die Verfügbarkeit eines Produktes, ob es nun aus einer japanischen Chip-Schmelze (Olivetti/ Hitachi) oder aus einer fernen amerikanischen Software-Küche stammt (Nixdorf/TCSC). Die Schlüsselfrage - aus Herstellersicht - lautet vielmehr: Wie kriege ich das ins Feld? Mit anderen Worten: Das beste Produkt nützt nichts, wenn die Feldorganisation fehlt.

Was den Aufbau einer schlagkräftigen PCM-Truppe anlangt, hat Olivetti gegenüber Nixdorf einen Vorsprung von fünf Monaten. Gegenüber IBM fehlen beiden Jahrzehnte. Der IBM-Kunde weiß das. Entsprechend groß ist sein Vertrauen in den omnipotenten Marktführer. Wie heißt es doch unter Dreibuchstabenspezis: "Wir müssen zwar manchmal Wasser schlucken, aber absaufen läßt uns die IBM nie."