"Hoechst komplex und zudem sehr teuer" Stimmen zu CW-Berichten ueber die SAP AG und zur Standardsoftware-Diskussion

31.03.1995

Die Kritik der CW an SAP-Software gehe am Kern der Sache vorbei, schreibt Klaus-Dieter Hoeppner. Der kaufmaennische Geschaeftsfuehrer der H. Andreas GmbH, Wiesentheid, vermisst den Bezug zum Management, zur Organisation und zur Personalentwicklung. Im uebrigen fordert er die deutschen Softwarefirmen auf, sich zusammenzuraufen und sich der Herausforderung im Wettbewerb mit der SAP AG zu stellen, der er einen Vorsprung zuerkennt. Hier seine Stellungnahme: Wir kommen mit der Diskussion der Hauptprobleme im DV-Management nicht weiter, wenn wir nicht einige Binsenweisheiten zeitgemaessen Managements in Unternehmen beachten - gleichgueltig, ob sie gross oder klein sind und ob es sich um Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen handelt. Zunaechst ist festzustellen, dass die Beherrschung sich laufend veraendernder Marktverhaeltnisse sowie der technischen Moeglichkeiten im Produktionsprozess und in der Unternehmensorganisation - alles in allem eben Kundennaehe - die Hauptaufgabe guter Unternehmensfuehrung ist.

Die Dynamik der Entwicklungen bringt denjenigen Unternehmen Vorteile, denen es gelingt, die gesamten Ablaeufe im Unternehmen integriert zu betrachten und zu beherrschen. Das ist originaer kein Problem der Datenverarbeitung (DV) und Informationstechnik (IT).

DV und IT sind Hilfsmittel - allerdings enorm wichtig und fuer den Bestand des Unternehmens unerlaesslich. Nur muss man die Kausalitaet beachten: Wer die Logik und damit die Rationalitaet kundenorientierter Ablaeufe im Unternehmen nicht beherrscht, wird auch mit modernster DV-Technik und -Software keinen Erfolg haben. Umgekehrt gilt: Wer diese beherrscht, hat es einfach, moderne DV und IT gewinnbringend anzuwenden.

Intelligente und die Zusammenhaenge ueberschauende Informatiker koennen nichts bewirken, wenn der Clan der Unternehmer und das gesamte Management nicht in Zusammenhaengen denkt. Grundsaetzlich gilt das fuer alle Mitarbeiter.

Der naechste Punkt ist die revolutionaere Entwicklung und das Preis- Leistungs-Verhaeltnis moderner IT, insbesondere hinsichtlich der Moeglichkeiten, die Verarbeitungsprozesse zu integrieren. Wir haben es mit einer Revolution und nicht mit einer Evolution zu tun, also mit einer Umwaelzung: Sie betrifft Hardware, Betriebssystem, Datenbank, Programmiertechniken, Verarbeitungs-Geschwindigkeiten und so weiter.

Alles zusammen, vor allem die enorme Verbilligung und Verbesserung der Hardware, ermoeglicht:

- die Standardisierung komplexer, integrierter DV im Online- Betrieb bei hohen Freiheitsgraden;

- die Anwendung dieser modernen Techniken in kleinen und mittleren Unternehmen in einem Masse, wie man es bisher nicht gekannt hat.

Das Beherrschen dieser Techniken in komplexen, zusammenhaengenden Standardprogrammen ist - und sicher wird meine Meinung auf Widerspruch stossen - vereinfacht worden, allerdings nur fuer diejenigen Mitarbeiter und Manager, die gewohnt sind, mehrdimensional und in Zusammenhaengen zu denken. Hier liegt der eigentliche Engpass in bezug auf moderne Datenverarbeitung und Informationstechnik.

Ein weiteres dynamisches Element ist die zunehmende Internationalisierung der Geschaeftsprozesse, der sich auch der Mittelstand nicht entziehen kann. Auch hier ergeben sich neue Anforderungen an das Management.

Auf der Grundlage dieser Analyse ist die Entwicklung moderner Software kritisch zu beleuchten:

1. Die Entwicklung der Hardware, der Betriebssysteme, Datenbanken und Netzwerke ist der Entwicklung der Anwendersoftware weit vorausgeeilt. Das hat verschiedene Gruende. Die Entwicklung moderner Anwendersoftware und die Integration der Ablaeufe mit Online-Zugriffen ueber alle Unternehmensbereiche ist hoechst komplex und zudem sehr teuer. Sie erfordert enorme Investitionen und Kapazitaeten - Sachwissen -, die man nicht aus dem Boden stampfen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass der Softwaremarkt der Vergangenheit - Standardsoftware - durch Pakete fuer bestimmte Anwendungsgebiete gekennzeichnet war. Die Internationalitaet war und ist daher nur selten gewaehrleistet. Es versteht sich von selbst, dass auch in grossen Unternehmen die Eigenentwicklung von Individualsoftware fuer eine moderne DV praktisch unbezahlbar ist.

2. Zur Zeit gibt es auf dem deutschen Markt sowohl fuer Grossfirmen wie auch fuer mittelstaendische Unternehmen nur sehr wenige umfassende Standardloesungen mit hohen Freiheitsgraden. Die Kritik an dieser Situation - auch in Ihrer Zeitung - richtet sich meiner Meinung nach zuwenig an die Anbieter von Standardsoftware, sich endlich zusammenzuraufen und rasch gemeinsam an umfassenden Loesungen zu arbeiten. SAP duerfte frueher als alle anderen die Herausforderungen der neuen Hardwaretechnologien, verbunden mit Datenbank- und Netzwerksystemen, erkannt haben.

3. Manager - und es sind viele -, die ihr Unternehmen nicht kundenorientiert, sondern nach dem alten Bibelwort "Die Augen des Herrn machen die Kuehe fett" gefuehrt haben, die sich auch zu wenig um die Weiterentwicklung des Wissens ihrer Mitarbeiter und vor allem ihrer Fuehrungskraefte gekuemmert haben, laufen, was den IT- Einsatz betrifft, eindeutig in Engpaesse hinein.