Hannover Messe Industrie 2018

KI erobert die Produktion

19.04.2018
Von  und


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

IT-Firmen kommen mit Partnern

Cisco präsentiert sich auf der HMI mit einem eigenen Stand.
Cisco präsentiert sich auf der HMI mit einem eigenen Stand.
Foto: Cisco

Cisco präsentiert auf der Hannover Messe seinen ganzheitlichen IoT-Ansatz. In Halle 6, Stand G30 erleben die Besucher auf einer IoT-Journey anhand von zahlreichen Partner-Integrationen die notwendigen Eckpunkte einer vernetzen Industrie - vom Time Sensitive Networking-Einsatz (TSN) über grundlegende Security-Komponenten bis hin zum zielgerichteten Daten-Management. Ein Partner auf dem Cisco-Stand ist beispielsweise Rockwell Automation. Gemeinsam wollen die beiden Hersteller Unternehmen im Bereich einer sicher vernetzten Produktion unterstützen, um technologische Lücken der Ausrüstung sowie in der Unternehmenskultur zu schließen.

Einen etwas anderen Ansatz fährt die Software AG auf der diesjährigen HMI. Während die anderen großen IT-Konzerne jeweils versuchen, Partner aus dem industriellen Bereich auf ihren Stand zu ziehen, geht die Software AG den umgekehrten Weg und ist bei Partner zu Gast. So ist die Software AG mehrfach vertreten und zeigt, wie sich mit der Technologie für das Internet der Dinge entscheidende Industrieszenarien digitalisieren lassen.

Einen Einblick hierzu gibt das Unternehmen auf den Partnerständen von Siemens, EdgeX Foundry, Huawei und der Deutschen Telekom. Highlights bilden vier Show Cases, die das Digitalisieren anschaulich vermitteln. Sie zeigen etwa das Zusammenspiel der Prozessmodellierungslösung ARIS mit der IoT-Plattform MindSphere von Siemens, Echtzeitanalysen im industriellen Umfeld und im Edge-System eines Windparks sowie den Einsatz von Culumocity IoT für die "Cloud der Dinge" von T-Systems.

Auch für Fujitsu ist die HMI quasi ein Pflichttermin - immerhin unterhält der japanische Konzern seit Juni 2017 in München ein eigenes Kompetenzzentrum Industrie 4.0 und treibt im Augsburger Werk eigene Industrie-4.0-Projekte voran. In Halle 7, Stand E16 präsentiert Fujitsu konkrete Anwendungsbeispiele und Live-Demos rund um die Themen Smart Manufacturing, Smart City und Edge-Computing.

Zu sehen sind unter anderem Projekte des neuen Kompetenzzentrums aus den Bereichen Robotik, Zustandskontrollen mit Hilfe intelligenter Algorithmen und KI-basierte Qualitätskontrolle. Außerdem wird in einer Live-Demo das Fujitsu Intelligent Dashboard vorgestellt, das KI für Echtzeit-Visualisierungen in der Produktion nutzt.

OT-Branche drängt in Software-Business

Doch die digitale Zukunft ist in Hannover nicht allein ein Thema der klassischen IT-Player. Gerade viele Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau engagieren sich ebenfalls stark in Sachen IoT und KI/ML und werden dabei gleichzeitig auch zum Softwarelieferanten für ihre Kunden.

Bosch Rexroth will in Halle 17, Stand A40 etwa zeigen, wie die Fabrik der Zukunft so flexibel wird, dass die Fertigung jederzeit und mit geringem Aufwand auf neue Aufgaben umgestellt werden kann. Dazu hat Bosch etwa eine vollautomatisierte Fertigungslinie als Multitechnologieexponat aufgebaut.

Eine dreimal schnellere Geschwindigkeit als bei herkömmlichen CNC-Maschinen verspricht Bosch im Showcase "Factory of the Future". Mit einer Werkzeugmaschine von Weisser und einem intelligenten Maschinenbett von Rampf demonstriert Bosch Rexroth per Fernzugriff, wie sich verschiedene Anwendungsfälle der Factory of the Future - vorausschauende Wartung, Prozessoptimierung und Nachverfolgbarkeit - mit verteilter Intelligenz vom Maschinenbett bis zur Steuerung, Prozesskontrolle mit Hilfe von Sensorik und offenen Protokollen elegant miteinander verbinden lassen.

Ebenso darf natürlich auch bei Bosch Rexroth in diesem Jahr der Digitale Zwilling als virtuelles Abbild eines Produktes nicht fehlen. Bosch Rexroth zeigt zusammen mit dem Softwareanbieter Dassault Systèmes und dem Maschinenhersteller Gnutti Transfer, welche Möglichkeiten sich durch den digitalen Zwilling für Engineering-Prozesse im Maschinenbau und der Fertigungsplanung ergeben.

Der Fokus des 3.500 Quadratmeter großen Siemens-Messestands in Halle 9 liegt auf der branchenspezifischen Umsetzung der Digital-Enterprise-Lösungen über den gesamten Lebenszyklus.
Der Fokus des 3.500 Quadratmeter großen Siemens-Messestands in Halle 9 liegt auf der branchenspezifischen Umsetzung der Digital-Enterprise-Lösungen über den gesamten Lebenszyklus.
Foto: Siemens AG

Richtig krachen lässt es Siemens wieder auf der HMI. Der Fokus des 3.500 Quadratmeter großen Messestands in Halle 9 liegt dabei auf der branchenspezifischen Umsetzung der Digital-Enterprise-Lösungen über den gesamten Lebenszyklus. Beispiele aus den Branchen Aerospace, Automotive, Food & Beverage, Electronics und Maschinenbau sowie Chemie, Fiber und Öl & Gas veranschaulichen, wie Unternehmen mit individuellen Digitalisierungslösungen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können - durch höhere Flexibilität, Effizienz, Qualität und kürzere Markteinführungszeiten. Zum Stand gehört auch die 700 Quadratmeter große MindSphere-Lounge. Dort präsentiert Siemens die die aktuelle Version 3, konkrete Use Cases und Referenzen aus dem eigenen Haus sowie von Partnern und OEMs. Dort ist auch die weltweite Nutzerorganisation MindSphere World zu finden.

Von der Natur lernen

Festo zeigt seine Vision des Arbeitsplatzes der Zukunft.
Festo zeigt seine Vision des Arbeitsplatzes der Zukunft.
Foto: Festo

Ganz im Zeichen des Messe Leitthemas "Integrated Industries - Connect and Collaborate" steht der Messeauftritt der schwäbischen Festo AG (Hauptstand Halle 15, Stand D11). Neben anderen Bionik-Projekten präsentiert Festo den selbstlernenden Arbeitsplatz BionicWorkplace für die Mensch-Roboter-Kollaboration. Er verbindet, so heißt es in dem Familienunternehmen, die Vorteile des pneumatischen Leichtbauroboters BionicCobot mit IT-Systemen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz. Der flexible Arbeitsplatz ist mit zahlreichen Assistenzsystemen und Peripheriegeräten ausgestattet, die miteinander vernetzt sind und untereinander kommunizieren.

Neben künstlicher Intelligenz machen Machine-Learning-Methoden den BionicWorkplace zu einem lernenden und antizipativen System, das sich kontinuierlich selbst optimiert. Der Mensch kann direkt mit dem BionicCobot interagieren und ihn über Bewegung, Berührung oder über die Sprache steuern. Auch eine Fernmanipulation des Systems ist möglich. Diese Mensch-Roboter-Kollaboration ermöglicht laut Festo die Fertigung von individuellen Produkten bis zur Losgröße 1.

Von der Natur lernen: Der teilautonome Festo-Flughund BionicFlyingFox.
Von der Natur lernen: Der teilautonome Festo-Flughund BionicFlyingFox.
Foto: Festo

Was Bionik kombiniert mit KI/ML-Mechanismen zu leisten mag, demonstriert Festo mit dem teilautonom fliegenden BionicFlyingFox. Die Grundprinzipien hierfür haben die Forscher aus der Natur von Flughunden abgeleitet. Das ultraleichte Flugobjekt beherrscht trotz seiner Spannweite von 2,28 Meter enge Flugradien. Möglich macht das seine ausgetüftelte Kinematik nach dem Scherenprinzip. Die Handschwinge klappt sich beim Aufschwung ein und breitet sich zum kraftvollen Abschwung wieder aus. Damit sich der BionicFlyingFox in einem definierten Luftraum teilautonom bewegen kann, kommuniziert er mit einem so genannten Motion-Tracking-System. Die Installation erfasst permanent seine Position. Gleichzeitig plant das System die Flugbahnen und liefert die dazu nötigen Steuerbefehle. Start und Landung führt der Mensch aus.

Gerade die letzten Beispiel zeigen, wie klassische OT-Unternehmen, deren Domäne bislang der traditionelle Shopfloor war, im Zuge von KI und Machine Learning immer mehr in den Bereich der IT-Player vordringen. Eine feste Grenzlinie gibt es bislang nicht, was gerade heuer einen Besuch der Hannover Messe Industrie besonders interessant macht. Vielleicht ergibt ja ein Messerundgang, dass der Partner des nächsten IT-Projekts gar kein klassischer IT-Lieferant mehr ist, sondern der OT-Lieferant mit Software-Know-how und dem wichtigen vertikalen Branchenwissen.