Japanischer Konzern verteuert NAS Europa um 100 Millionen Dollar:

Hitachi läßt PCM-Deal mit Comparex platzen

05.05.1989

HEIDELBERG (ujf) - Im Poker um die Zukunft des PCM-Anbieters National Advanced Systems (NAS) in Europa ist wieder alles offen. Weil Hitachi Data Systems als neuer Mehrheitseigentümer der NAS statt 200 plötzlich 300 Millionen Dollar für deren Euro-Division verlangte, mußte Comparex-Chef Rolf Brillinger passen: So sei für sein Haus nichts zu gewinnen.

Die Enttäuschung stand Rolf Brillinger ins Gesicht geschrieben, als er die Presse über das vorläufige Scheitern der Verhandlungen unterrichtete. Noch vierzehn Tage zuvor, so der Vorsitzende der Geschäftsführung der Mannheimer Comparex Informationssysteme GmbH, habe er selbst daran geglaubt, daß die zwei Monate alte Absichtserklärung in die Tat umgesetzt werden würde, derzufolge sein Unternehmen für runde 200 Millionen Dollar das Europageschäft des Konkurrenten NAS übernehmen sollte. Dann seien die neuen japanischen Mehrheitseigentümer der NAS plötzlich mit einer Zusatzklausel gekommen, die einen Vertragsabschluß zu einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Risiko hätte werden lassen.

Die aus Sicht der Mannheimer unannehmbare Bedingung erklärten die fernöstlichen Geschäftspartner (von denen nicht nur NAS, sondern auch Comparex seine IBM-kompatiblen Rechnersysteme bauen läßt) Brillinger zufolge mit den steuerrechtlichen Rahmenbedingungen.

In den USA könne der bisherige Eigner des PCM-Unternehmens, der angeschlagene Halbleiterkonzern National Semiconductor, die Erlöse aus dem Verkauf der dortigen Niederlassung mit steuermindernden Verlustvorträgen verrechnen, erläuterte der Comparex-Geschäftsführer.

Deshalb sei der Preis, den Hitachi Data Systems (HDS) für den Amerika-Teil der NAS zu zahlen hat, sehr hoch angesetzt, während der europäische Part in etwa zum Buchwert erworben werde.

Die zu hohen Kosten in den USA hätte HDS durch den Aufpreis kompensieren können, den Comparex für das Durchreichen der umsatzstarken NAS-Europa hinzublättern bereit war.

Gescheitert sind die Verhandlungen laut Brillinger letztlich daran, daß Hitachi die Steuern, die auf diesen Weiterverkaufsgewinn zu zahlen sind, auf Comparex habe abwälzen wollen. Rund 100 Millionen Dollar Zusatzkosten wären damit auf die zu zwei Dritteln von BASF und zu einem Drittel von Siemens gehaltene Gesellschaft zugekommen. Damit stimmten alle Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Deutschen nicht mehr, es blieb nichts als der Abbruch der Gespräche. Während Skeptiker in der Branche davon ausgehen, daß die Japaner es geradezu darauf angelegt hatten, die Mannheimer zum Rückzug zu drängen, macht der Comparex-Boß in Optimismus: "Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, das Ziel dennoch zu erreichen, wenn auch auf anderem Wege!"

Dieser andere Weg führt über eine Verschmelzung der Comparex mit dem europäischen Teil der neugegründeten NAS-Auffanggesellschaft HDS, an der - neben dem Mehrheitsaktionär Hitachi Ltd. - zu 20 Prozent der General-Motors-Unternehmensbereich Electronic Data Systems (EDS) beteiligt ist. Diese Variante, die den Interessen von Hitachi entgegenkommt und das Steuerproblem gar nicht erst entstehen läßt, ist freilich dem deutschen Partner nicht sehr sympathisch: Bei einem Kauf der NAS hätte Comparex bessere Chancen gehabt, sich dort die besten Mitarbeiter herauszusuchen und beim Overhead den Rotstift anzusetzen.

Außerdem dürfte der Einfluß der Japaner in einer auf diese Weise mit NAS verschmolzenen Comparex größer sein, als er bei der ursprünglich geplanten Version geworden wäre. Denn wie aus Andeutungen Brillingers zu schließen ist, müßten Siemens und BASF hinnehmen, daß der Tokioter Elektronikkonzern an einer "neuen" Comparex GmbH einen Anteil von, wenigstens 30 Prozent beansprucht. Ganz ohne eine Hitachi-Beteiligung an der deutschen Gesellschaft wäre es allerdings auch bei der in Mannheim favorisierten Lösung nicht abgegangen.

Brillingers größte Sorge ist derzeit, daß mit der Suche nach einer neuen Lösung nicht allzu viel Zeit vertan wird. Denn wer von einer Unsicherheit im Markt profitiert, so der Comparex-Boß in Anspielung auf ein Stuttgarter DV- Unternehmen, "ist nur der Große Bruder". In den nächsten zwei Monaten soll geklärt werden, auf welcher Basis sich die deutsche Vertriebsfirma und der Nippon-Hersteller einigen können - damit Big Blue und Amdahl nicht noch mehr Profit aus der Hängepartie der Konkurrenten schlagen können.