Ortsbestimmung, Datenaustausch, Augmented Reality

Hinter Apples UWB-Chip im iPhone 11 steckt wohl mehr

13.09.2019
Von 
Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.
Im iPhone 11 steckt erstmals ein U1-Chip für UWB, schon vor der Keynote starteten Spekulationen, welche Aufgaben er erfüllen könnte. Es sind mehr, als mancher glaubt.

Nur im Rahmen eines Übersichtsbildes wurde bei der iPhone-11-Präsentation eine komplett neue Funktion der iPhones erwähnt: Als erste Apple-Produkte erhalten sie nämlich einen Chip für so genanntes UWB, der auf den Namen U1 hört. Aktuell erfüllt er anscheinend nur eine relativ exotische Funktion, die es nicht in die Keynote-Präsentation schaffte: Laut der Produktseitezum iPhone 11 kann man per Ultraweitband die Position eines anderen iPhone 11 im Raum identifizieren und gezielt und schneller per Air Drop Daten an dieses Gerät senden. Eine sogenannte Spatial Awareness, die auf knapp zehn Zentimeter genaue Positionsbestimmungen erlaubt.

Wie auf Quora Brian Roemmele hervorhebt folgt aber ein Nachsatz auf der Produktseite: „And that´s just the beginning“. Die Nutzungsmöglichkeiten sind nämlich äußerst umfangreich, wie Roemmele in seinem sehr ausführlichen Artikel ausführt.

Die Technologie UWB kann für zahlreiche Anwendungen genutzt werden, ideal ist sie aber wohl für Anwendungen aus dem AR-Bereich und die lang erwarteten Apple Glasses, da sie eine präzise Ortsbestimmung ermöglicht – eine Schwäche aktueller Geräte, die bei Laser und Infrarot-Sensoren an ihre Grenzen stößt. 

Apple forscht schon länger im Bereich UWB, wie eine stattliche Anzahl an Patenten belegt. Anwendungsgebiete liegen laut Roemmele aber nicht nur in der Ortsbestimmung in Innenräumen, sondern für AR/MR/VR-Anwendungen aller Art, Automotive, Drohnen und Robotik. Kollisionswarnung für Autos oder gar Fußgänger wären etwa ein Anwendungsbereich, eine Art Personal Radar System.

Der Chip

Der von Apple verbaute Chip könnte etwa eine Version des (IR-UWB) DW1000 von Decawave sein, der interessante Leistungsdaten bietet: Die Reichweite liegt bei 290 Meter und man erreicht eine um den Faktor hundert genauere Ortsbestimmung als mit Bluetooth oder WLAN - er ist außerdem sehr stromsparend und um den Faktor 50 schneller als eine GPS-Ortsbestimmung.

Nicht nur im iPhone

Interessant wäre es, wenn der Chip auch in anderen Apple-Geräten verbaut würde, etwa in Airpod oder Airpod-Hüllen, iPads oder den angeblich geplanten Standalone-Geräten. Ein verloren gegangener Airpod wäre dann schnell aufgespürt. Es ist deshalb auch etwas enttäuschend, dass die Apple Watch 5 diesen Chip offenbar nicht besitzt.

Viele Spekulationen gab es vor der Keynote über von Apple anscheinend geplante Standalone-Ortungsgeräte – Produkte ähnlich dem Schlüsselfinder Tile– mit denen man ja beispielsweise auch Haustiere oder sein Gepäck orten könnte. Anbetracht des niedrigen Stromverbrauchs des kleinen Chips könnten diese Ortungs-Disks kleiner als fünf Zentimeter sein.

Mit dieser Technologie ist es übrigens auch möglich, die eigenen Wohnung zu erfassen, also eine Karte der Umgebung zu erstellen. Möglicherweise wird Apple aber die Technologie bald für Entwickler öffnen, um App-Entwicklern neue Möglichkeiten zu erschließen - schon auf der WWDC 2020 gibt es hier vielleicht mehr darüber zu hören.

Apple Glasses

Eine AR-Brille von Apple gilt als ausgemacht, auch hier könnte Apple UWB-Technologie für Funktionen wie Augmented Reality und Mixed Reality verwenden.

Bezahlmethoden

Weitere mögliche Einsatzgebiete lägen außerdem in den Bereichen Mobile Payment, ist doch hier die Lokalisierung von Kunden und Bezahlpunkten ein Problem. Hier kann man UWB auch für die einfachere von Bezahlvorgängen nutzen - in Kombination mit Apple Pay und FaceID. Laut Autor testet Apple in einigen Apple Store sogar bereits AppleLocate-Tags, wie er mit einigen RF-Geräten feststellen konnte. Warum aber hat Apple den U1-Chip nicht auf der Keynote vorgestellt? Vermutlich ist hier einiges noch nicht ganz fertig, weitere Gründe will Roemmele erst zu einem späteren Zeitpunkt nennen.

Unsere Meinung:

Aktuell macht es den Eindruck, als wäre UWB noch nicht ganz fertig. Für Entwickler oder Firmen könnte es aber interessante neue Anwendungsgebiete bieten, vermutlich gibt es aber zur nächsten WWDC da mehr zu erfahren. Bis der Chip auch in anderen Apple-Geräten wie dem iPad oder den Airpods auftaucht, scheint aber noch zu dauern.