Michael-Jackson-Kalkül in der Diskussion:

Hilfe zur Strukturierung des Denkens

04.11.1977

DARMSTADT (uk) - Kritisch äußerten sich die vier Software-Experten Floyd, Sneed, Thurner und Witt auf CW-Befragung nach dem Michael-Jackson-Ansatz zur Programmstrukturierung (CW Nr. 39 vom 23. September 1977 "Von der Daten- zur Programmstruktur"). "Es gibt Probleme, bei denen der funktionsbezogene Ansatz der beste wäre" (Sneed) oder: "Ich bezweifle, daß das Denken von Menschen beim Lösen von nichttrivialen Problemen in dieses Schema eingepreßt werden kann" (Floyd) lauteten Antworten. Diese Aussagen riefen nun den Jackson-"lntimus" Rudolf Legde vom GMD Informatik-Kolleg in Darmstadt auf den Plan. Dort hatte der softe Brite erst kürzlich Erfahrungen ausgetauscht. Mit dem Background von drei Jahren Jackson-Erfahrung korrigiert Legde die vier "Image-Kratzer":

Harry Sneed ist "nicht sicher" ob Jaksons Methodik bei größeren Systemen paktikabel ist. Der "funktionsbezogene Ansatz" (Constantine/Yourden) scheint ihm besser.

Der Unterschied der beiden Ansätze besteht im wesentlichen darin, daß Jakson einen systematischen Weg von Problem zum Programm (-system) aufzeigt, der sicher nicht "ohne weiteres", aber doch mit einem hohen Grad von Sicherheit begangen werden kann, während Constantine/Yourdon außer einer (recht primtiven) hierarchischen input-process-output-Zergliederung lediglich eine Sammlung von Regeln anbieten. - Sicherlich kann man mit diesen Regeln Systeme verbessern oder sie als Optimierungskriterien mitbenutzen: das Finden des Lösungswegs bleibt der Intuition überlassen.

Frau Dr. Floyd sieht einen Vorteil der Jackson-Methode darin, daß sie Schema für die Struktur von Programmen, in etwa vergleichbar mit der Normierten Programmierung, liefert. Das leistet die Jakson-Methode nun sicher nicht. Natürlich kann man mit der Jakson-Methode auf die typischen Aufgaben der Normierten Programmierung lösen, ihr Anwendungsspektrum ist jedoch viel breiter. Neben Problemen der Dialogprogrammierung und Zeichenkettenverarbeitung wird die Methode zunehmend auch bei Echtzeitproblemen, im Compilerbau, in der Prozeßdatenverarbeitung usw. eingesetzt. Die mit der Methode verbundene Denkweise läßt sich darüber hinaus auf im gesamten Bereich der Systementwicklung einsetzen, also im Vor- und Umfeld der Programmierung.

Jakson preßt niemand in ein Schema - er hilft bei der Strukturierung des Denkens.

Dr. Thurner ist in seinem Beitrag sehr stark auf Software-Werkzeuge ausgerichtet. Auf die Jakson-Methode kann durch Software-Werkzeuge unterstützt werden. Ihr wirklicher Wert liegt aber im gestaltenden Bereich, während die Werkzeuge die Produktion unterstützen.

Dr. Witt stellt die Schlagworte "Backtracking" und "Programminversion" an den Anfang seines Beitrags indem er der Jakson-Methode eine; bescheidenen Platz beim ungeliebten Stiefkind der Computer Science, der kommerziellen Datenverarbeitung, zuweist. Nun sind gerade das Backtracking und die Programminversion keine Erfindung von Jakson sein Verdienst besteht vielmehr darin, daß er diese längst bekannten Techniken (Backtracking zum Beispiel bei SyntaxanaIyse - und Spielprogrammen, Programminversion = Coroutinentechnik von Hand) einer größeren Gruppe von Anwendern verfügbar macht und sauber in ein methodisches Instrumentarium einbettet.

"Backtracking" und "sequentielle Bandverarbeitung" haben nichts miteinander zu tun; Backtracking ist eine nützliche Programmiertechnik für eine Fülle von Problemen, sequentielle Bandverarbeitung eine Anwedungsklasse, zu der in der Jakson-Methode keine besonderen Aussagen gemacht werden, die allerdings wegen ihrer praktischen Bedeutung in vielen seiner Beispiele vorkommt.

Mit Untertreibung und Bescheidenheit kann man keine Märkte erobern. Jakson erobert Märkte, aber er tut es nicht mit Überredung, sondern mit Überzeugung und durch die Qualität seines Produkts.

Im Gegensatz zur Ansicht von Dr. Witt ist sein Macht nicht "nur" die kommerzielle COBOL-Anwendungprogrammierung, aber ein Verdienst seiner Methode liegt sicher darin, daß diese nicht ausgeschlossen bleibt.