Am Nutzen von First Tuesday und Co. scheiden sich die Geister

Hilfe für Dotcoms: Tipps bei Käsebrötchen reichen nicht

04.08.2000
Ob First Tuesday, Business Angels oder Venture Lab-Chat: Nie war das Engagement um das Wohl und Wehe von Internet-Startups größer. Doch nicht immer halten die Veranstaltungen und Einrichtungen, was sie versprechen. Von Kathi Seefeld*

Risikokapital allein reicht nicht. Smart-Money, also Startkapital plus guter Verbindungen plus kompetenter Unterstützung, ist das Wichtigste für den Aufbau eines Internet-Unternehmens, sagt Datango-Gründer Alexander Artopé, der mit der Idee der Web-Jockeys bekannt wurde. Risikokapital stehe den Firmengründern auch in Deutschland trotz leichter Zurückhaltung nach Kursstürzen und Pleiten wie etwa des Online-Modehandels Boo.com noch ausreichend zur Verfügung. Guter Rat, auch über die Startphase hinaus, war dagegen bis vor knapp einem Jahr weniger leicht zu haben.

Mittlerweile stehen jeden ersten Dienstag im Monat in weltweit 85 Städten - hierzulande zum Beispiel in München, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Stuttgart und Berlin - Geld sowie erfahrenen Rat suchende Ideenträger beim "First Tuesday" in Doppelreihen Schlange. Die Anmeldung erfolgt per E-Mail. In der Antwort wird bekannt gegeben, wo das Treffen über die Bühne geht. Die Berliner Veranstalter - eine Mischung junger und erfolgreicher Unternehmer, Berater und Kapitalgeber - wählen regelmäßig illustre Orte für ihre Events aus: Das leicht pompöse Palais am Festungsgraben, die wegen angeblicher Scientology-Nähe in Verruf geratene Kneipe Zwölf Apostel oder die maroden Sophiensäle in Berlin-Mitte. In Letzteren blättert die Farbe von den Decken und kündet ein alter Zeitungsausschnitt an der Tür davon, dass der "erste 32-Bit-Rechner der DDR an Erich Honecker" übergeben worden sei.

Doch nicht nur die ausgefallenen Veranstaltungsorte haben den First Tuesday, der 1998 seinen Ursprung in einer Bar des Londoner Stadtteils Soho hatte, zu einem Selbstläufer werden lassen - selbst in Sachsen soll am 29. August ein erstes ungezwungenes Get-Together stattfinden. Namhafte Sponsoren wie Exite@Home, McKinsey, Oracle, Debis Systemhaus oder Ericsson sorgen dafür, dass Berater, Geldgeber und Ideenträger bei Häppchen und Freibier angenehm plaudern können. Immer öfter verlaufen sich Politiker oder andere Prominente in die Veranstaltungen. Die vier Londoner Gründer des First Tuesday haben langfristig ihr Netzwerk schon selbst als börsennotiertes Unternehmen gesehen. Daraus wird nichts, nachdem sie Ende Juli ihre Firma für 50 Millionen Dollar an den israelischen Inkubator Yazam verkauft haben. Ob es in der bisherigen Form weitergeht, wissen die deutschen Organisatoren nicht. Sie, die zum großen Teil ehrenamtlich die Netzwerk-Parties organisiert haben, erfuhren von dem Deal aus der Zeitung und wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Jetzt wollen sie erst einmal basisdemokratisch eine internationale Vertretung wählen, die mit Yazam über die künftige Organisation verhandelt.

Der tatsächliche Erfolg der bisherigen Dienstags-Runden lässt sich schwer messen. Weltweit, heißt es auf der Website der Veranstalter, hätten Dutzende von Gründern ihre Investoren beim First Tuesday getroffen. Bis Juni 2000 seien Investitionen in Höhe von 150 Millionen Dollar zustande gekommen. Deutsche Erfolgsgeschichten finden sich bislang nur drei im Netz. Stattdessen häufen sich die Meldungen enttäuschter Ideenträger. Von vertaner Zeit ist die Rede, "die Gesprächspartner hatten Geld, aber keine Vorstellung von unserem Business", heißt es über den First Tuesday in München. Axel Berg, einer der Berliner Veranstalter, sieht die Sache entspannter, es gebe eine "Vielzahl Success-Stories". Nicht alle Gründer würden sich zurückmelden. Ihm seien mehr als 15 erfolgreiche Geschäftsanbahnungen bekannt, "die Spitze des Eisbergs", behauptet er.

Auch für Diane Jaffe von der Grosch & Link AG ist die Veranstaltung mehr als eine große Party. "Wir schauen, ob wir hier ein paar fähige Leute rekrutieren können." Mit gleichen Ambitionen lassen sich - ohne Schlips und Kragen - regelmäßig die bereits erfolgreichen Jungunternehmer der IT-Branche auf der Bildfläche des First Tuesday blicken. "Ihr Business-Plan im Mülleimer - wie wär''s mit einem Job bei uns" locken Anschläge an der Pinnwand. Monika gehört zu den Glücklichen, die eine Job-Mail erhalten haben. Seit Ende Juni ist sie "dank dem First Tuesday" Praktikantin bei Yellout.de, einem interaktiven Marktplatz für Dienstleistungen und Services im Internet, und gleichzeitig kostenlos wohnende Insassin der ersten Startup-Praktikanten-WG, die Unternehmen in Berlin eingerichtet haben, um neue Mitarbeiter zu locken.

Ansprüche halten den Realitäten nicht standIngmar Janson, Vorstandsvorsitzender der Berliner Unternehmensberatung Market Lab, hält bei allem Spaß den eigentlichen Anspruch des First Tuesday für nicht erfüllbar. Demnach sollten Risikokapitalgeber die Möglichkeit haben, "kurz- oder langfristig ihr Wagniskapital in attraktive Geschäftsideen rund ums Internet zu investieren und Gesellschafter neuer Börsenaspiranten zu werden". Dafür seien die Veranstaltungen jedoch zu groß, der Ansatz falsch. Der Unternehmensberater bevorzugt kleine, konzentrierte Foren des Austauschs mit vorausgewählten Teilnehmern und Workshop-Charakter. Der "Foundersday" habe einen solchen Rahmen geboten. Als erstes Forum öffentlicher und privater Einrichtungen hatte es Internet-Newcomer unterstützt und beraten. Den Unternehmen fehlte es jedoch nach einiger Zeit an Kraft, das Angebot aufrechtzuerhalten, der öffentliche Partner - die Berliner Industrie- und Handelskammer - zog sich auf seinen nur grundlegend beratenden Ansatz zurück, um nicht in den Verdacht zu geraten, gestandenen Unternehmensberatungen bei der Hilfe für Startups Konkurrenz machen zu wollen.

Ganz uneigennützig scheint das Dotcom-Hilfe-Syndrom in keinem Fall ausgebrochen. Auch in der "Internetlounge", einem weiteren Ort für beratende Plaudereien in Berlin, treffen sich Netzaktivisten. Diesmal am ersten Montag im Monat. Zwar, so der Veranstalter Volkmar Schmidt, solle das Treffen nicht für Investoren sein, aber wenn es handfesten geschäftlichen Nutzen brächte, wäre das auch nicht so schlecht. Schmidt selbst will mit der "Internetlounge" eine Stammkneipe etablieren.

"Wer als Startup wirklich Unterstützung sucht, sollte den Weg zu Beratungsprofis nicht scheuen", meint Unternehmensberater Janson. Zwar sei Hilfe auch bei Market Lab, einem Beratungsunternehmen aus dem Hause Scholz & Friends, schon längst nicht mehr für eine Kiste Bier zu haben. Net Market Lab, eine spezielle Ausgliederung zur Unterstützung von Internet-Gründern, lässt sich unter anderem mit Firmenanteilen bezahlen. Der Anbieter gilt zumindest als Adresse, die sich eingehend mit der IT-Branche beschäftigt hat. Im Frühjahr hatte das Unternehmen eine Analyse von 500 Business-Plänen vorgestellt, welche die zehn häufigsten und größten Fehler von Startups offen legt. Zu der unzureichenden Marktanalyse, dem Irrglauben, Erster am Markt zu sein, und dem fehlenden Wissen über potenzielle Kunden kommen unrealistische Vorstellungen über Personalkosten oder unzureichende Einschätzungen der eigenen Schwächen als mögliche Gründe für ein Scheitern. Jedes zweite Unternehmen beherrsche zudem die einfachen Regeln von Rechtschreibung, Gliederung und angemessener Tonlage eines Business-Plans nicht.

Inkubatoren:-Zieht hier die Professionalität ein?Derartige Kritiken lassen sich ohne Frage angenehmer unter vier Augen statt zwischen Käsebrötchen und neugierigen Blicken Dutzender anderer potenzieller Gründungswilliger vortragen. Eine nicht weniger gepriesene Form des Unternehmensstarts ist die mit Hilfe von so genannten Inkubatoren, die mittlerweile wie Pilze aus dem Boden sprießen. Ob die Econa AG oder der von Multimedia-Dienstleister Pixelpark gegründete Venturepark in Berlin, das Venturelab der IVC Venture Capital AG oder der "Startup Campus" in einer Jugendstilvilla in Frankfurt - sie alle wollen Gründerteams bei der Umsetzung ihrer Ideen zur Seite stehen. Unter www.wer-weiss-was.de (I-D Media) erfahren Gründungswillige nicht nur, wo sie Startkapital auftreiben können oder welche Unternehmensform für sie die günstigste ist. Hier werden denjenigen auch schon mal die Köpfe gerade gerückt, die meinen, eine Domain als Kapital zur Gründung einer GmbH einbringen zu können. "Du kannst doch auch keine Videokamera mit 100000 Mark anstelle von 12000 Mark einbringen, nur weil du in Zukunft damit vielleicht das Video der ,Back Street Boys'' drehen könntest. Kümmer dich lieber um Existenzgründer-Kredite und mach was Seriöses!", heißt es da.

Was wirklich seriös ist, bleibt eine Glaubensfrage. Der Berliner Anwalt Kilian Lenard warnt vor den Inkubatoren. Durch die hohen Beteiligungen - bei Venturepark sind es nach eigenen Angaben bis zu 50 Prozent - würden sie zu guter Letzt das geförderte Unternehmen dominieren. Startups sollten sich nach anderen Hilfen umsehen, Gelder vom Staat, wie sie die Deutsche Ausgleichsbank vergibt, in Anspruch nehmen oder in den etwa 300 Gründerzentren in Deutschland für deutlich niedrigere Gebühren eine entsprechende Infrastruktur nutzen. Lenard selbst ist Vorstand bei "Berlin Startup", noch einer Einrichtung, die "Orientierungsplattform für Investoren, Gründer, potenzielle Kunden und Öffentlichkeit" sein will.

* Kathi Seefeld ist freie Journalistin in Berlin.