High-Tech-Zirkus

03.10.1986

Auch in der Datenverarbeitung soll jetzt also das Formel-1-Zeitalter heraufdämmern. Nicht nur immer schneller und mächtigere Rechner werden dem Anwender beschert, inzwischen soll er sich auch noch mit dem mysteriösen Gebiet der "Künstlichen Intelligenz" auseinandersetzen.

Zwei Interessengruppen buhlen dabei um die Gunst des "Mannes aus der Praxis": Einerseits die Hersteller, die in den sogenannten wissensbasierten Systemen eine Erweiterung der traditionellen DV sehen und dementsprechend auf konventioneller Hardware für streng umgrenzte Einsatzbereiche neue Techniken anbieten. Ihnen stehen die Spezialisten gegenüber, die sich gerne selbst als Elite betrachten und oft nur wenig Bezug zur Realität in den Anwenderbetrieben finden.

Schon die Limitierung seines Budgets setzt dem DV-Leiter hier meist Grenzen, denn die benötigten Spezialmaschinen sind um einiges teurer als die überlicherweise in den Unternehmen verwendeten Rechner, die sich für ein breites Einsatzspektrum eignen. Hinzu kommt die Hemmschwelle, sich mit einer völlig neuen Art der Software-Denke auseinanderzusetzen. Denn ganz so einfach, wie oft behauptet wird, ist der Umgang mit Expertensystemen meist doch nicht.

Der Vergleich zur Welt des Motorsports bietet sich an: Aus Prestige- und Imagegründen investieren die Automobilhersteller in Formel-1-Renner und beschäftigen hochkarätige Spezialisten als Piloten. Überflüssig zu sagen, daß ein Normalsterblicher mit einem solchen Geschoß gar nicht zurechtkäme. Natürlich fallen dabei Erkenntnisse an, die auch dem normalen Serienwagenfahrer zugute kommen.

Letztlich profitiert der "Mann auf der Straße" von diesem High-Tech-Zirkus jedoch genausowenig wie der normale DV-User von den Elaboraten aus dem Elfenbeinturm der KI: Für die Bewältigung DV-technischer Alltagsprobleme bieten sie nämlich kaum Hilfestellung; oft entstehen für den Anwender sogar nur neue Schwierigkeiten.

Würde sich der User auf ein solches Vabanque-Spiel einlassen, könnte er sich für seine täglichen Einkaufsfahrten auch gleich einen Formel-1-Wagen vor die Tür stellen. Ziel für die KI-Anbieter muß es also sein, die wissensbasierten Systeme von ihrem hohen Podest herunterzuholen und sie endlich auf ein Niveau der Praxis überzuführen.