Die Telekom betreut das ATM-Campusnetz

High-noon auf der CeBIT für die Netzwerker der Messe AG

13.03.1998

Die CeBIT ist das Maß aller Dinge. Diese Aussage hat zumindest die Networking-Task-Force auf dem Messe-Gelände in Hannover verinnerlicht. "Die CeBIT gibt den Takt vor. Wenn wir die meistern, können wir jede Messe bewältigen", erklärt Andreas Bade, Leiter der Abteilung Kommunikation bei der Deutschen Messe AG in Hannover. In den ruhigen Zeiten zwischen den Veranstaltungen koordinieren sechs Mitarbeiter der Messe kommende Ereignisse, und die Deutsche Telekom AG beschäftigt dort eine Rumpfmannschaft. Unmittelbar vor der CeBIT befinden sich dagegen 120 Netzexperten im Dauereinsatz.

Dann mobilisiert die Deutsche Telekom alle verfügbaren Kräfte, engagiert Subunternehmen und legt Sonderschichten ein, um pünktlich zum Messestart am Donnerstag um neun Uhr alle Strippen verlegt, Switches angeschlossen und Router konfiguriert zu haben. Sie greift dabei auf ein festinstalliertes Asynchronous-Transfer-Mode-(ATM)-Backbone und eine Synchronous-Digital-Hierarchy-(SDH-)Architektur zurück, die je nach Bedarf mittels Kupferkabel, Lichtwellenleiter oder TK-Leitungen bis zum Stand der Aussteller verlängert werden.

Flexibilität heißt das Gebot. Vier Wochen vor CeBIT-Beginn ist für die Aussteller der offizielle Meldeschluß. Bis zu diesem Zeitpunkt können sie Anschlüsse ordern. Doch erfahrungsgemäß laufen auch wenige Tage vor der Toreöffnung Nachfragen von Nachzüglern und Änderungswünsche ein, denen noch entsprochen werden kann. Für die Nutzer der Stände gibt es kaum Beschränkungen. Sie können auf ihren Flächen Ethernet, Token Ring, FDDI, Switched Multimegabit Data Service (SMDS), Frame Relay oder schnurlose Übertragungstechniken nutzen, ATM-Dienste wie Multiprotocol over ATM (MPOA) oder LAN-Emulation (LANE) einfordern sowie remote Anbindungen via ISDN oder Festleitungen realisieren. Lediglich definierte Schnittstellen und die allgemeinverbindlichen Normen der Standardgremien sind zu beachten.

Gegenüber den Vorjahren, in denen die Telekom auch Kabel und Netzkomponenten bis zu den Ständen verlegt hat, haben die Betreiber eine grundlegende Änderung herbeigeführt. In der Vergangenheit gab es kein Kernnetz. Die Verbindungen wurden je nach Bedarf verlegt. Nun beendet der Auftragnehmer der Hausherren bis zur CeBIT die Installation der ATM- und SDH-Plattform, die das Dienstespektrum erweitert und bis in die Hallen eine dauerhafte Datenautobahn etabliert.

"Die feste physikalische Struktur erlaubt es uns, auch kurzfristig logische Netze zu aktivieren", beschreibt Hans Gaentzsch, Projekt-Manager in der Projektabteilung Expo 2000 bei der Deutschen Telekom AG, Hannover, die Funktionalität.

Die Schlüsselkomponente ist das Netzwerk-Management, mit dem sich auch noch während des IT-Spektakels Dienste freischalten lassen.

Mit dem Öffnen der Tore zur weltgrößten Computer-Show zeigt sich, ob die ausgelegte Infrastruktur den Anforderungen standhält. "99, 9 Prozent Verfügbarkeit oder andere übliche Qualitätsmerkmale sind für uns während der CeBIT zu wenig", schildert Bade die wichtigste Herausforderung für die Networking-Crew. Nach der Dramatik der Vorbereitungsphase gilt es, keine Fehler im Betrieb zuzulassen.

Auf der CeBIT, dem Prestige-Event für fast alle IT-Hersteller, ist die Installation auf dem Stand nicht nur Kommunikationsmittel, sondern oftmals wichtiges Bindeglied in den Präsentationen und in den Show-Einlagen. Sie bestellen die erforderlichen Dienste, Bandbreiten und Verbindungen bei der Abteilung Kommunikationstechnik. Insgesamt ordern die CeBIT-Aussteller 3000 ISDN-Verbindungen sowie 9000 Anschlüse an die TK-Anlage, viele davon sind Sprachverbindungen oder schmalbandige Anwendungen. Darüber hinaus hängen während der CeBIT bis zu 1000 Clients am lokalen Backbone auf dem Messegelände. Doch verläßlich ist diese Angabe nicht, denn: "Wir kennen zwar die Verbindungen der Unternehmen, wissen aber letztlich nicht, was sie damit machen", räumt Bade ein.

Auf dem Laatzener Gelände am südlichen Rand der niedersächsischen Landeshauptstadt spiegelt sich in konzentrierter Form das Leben der IT-Welt wider. Das Gros der Aussteller benötigt einen Internet-Zugang, wobei die erforderlichen Bandbreiten variieren. "Etwas schwieriger sind jedoch Dienste wie LAN-LAN-Kopplung", weiß Bade aus den Erfahrungen der letzten Jahre. Mit derartigen Services wollen die Firmen auf der CeBIT häufig die Leistungsfähigkeit der eigenen mitgebrachten Produkte demonstrieren.

Einen Schwachpunkt im Netz der Messe AG darf es nicht geben. Leicht auszumalen, wie der Spott des Publikums einen Aussteller trifft, wenn die Live-Demonstration seines Produktes scheitert, weil Übertragungsprobleme im Messenetz auftreten. "Aus diesem Grund sind die Anforderungen an unser Netz besonders groß", erklärt der Netzexperte der Messe AG.

Als Kontrollinstanz dienen den Hausherren die Kunden in den Hallen. Die Abteilung Kommunikationstechnik, die ihre Büros in der Halle 15 hat, fungiert als Stabsstelle zwischen den Ausstellern und der Telekom. Im Vorfeld aller Messen laufen hier die Wünsche der Kundschaft ein, während der Veranstaltung sind es die Probleme oder Änderungswünsche. "Die Forderungen leiten wir umgehend zur Telekom weiter, und die ist dann in der Pflicht", erläutert Bade. Durch dieses Procedere hält die Messe AG alle Fäden in der Hand und kann durch die Aussagen der Aussteller die Arbeit der Telekom jederzeit beurteilen.

Damit das Verhältnis zwischen Telekom und Messe klar geregelt ist, wurde das erforderliche Leistungsspektrum in einem Provider-Vertrag festgelegt. Die darin enthaltenen Services umfassen TK-Dienste, und zwar vom analogen Telefonanschluß bis zur breitbandigen ATM-Verbindung. Die Zuständigkeit der Telekom endet jedoch nicht im angestammten Geschäft, sondern erstreckt sich zudem auf die genannten lokalen Netztechniken, "und zwar immer, was gerade State of the art ist", beschreibt Bade. Die Aktualität hat jedoch ihre Grenzen: "Wir haben nicht den Anspruch, alles zu unterstützen, was gerade angepriesen wird", relativiert Telekom-Manager Gaentzsch die Hatz nach neuen Entwicklungen. Nicht berücksichtigt werden etwa alle neuen Verfahren mit offenen Standardisierungsfragen.

Für die nächsten Jahre fühlen sich Gaentzsch und Bade vorerst gewappnet. Mit der Wahl von ATM und SDH sowie einer Kabelinfastruktur, die theoretisch Bandbreiten im Terabit-Bereich verkraftet, glauben sie, allen künftigen Anforderungen begegnen zu können. Daß sie sich dennoch nicht beruhigt zurücklehnen, dafür sorgt ein schon seit Jahren diskutiertes Ereignis - die Expo 2000.

Da die Weltausstellung zum Großteil auf dem jetzigen Messegelände veranstaltet wird, ist das verlegte Backbone auch dafür nutzbar. Allerdings fallen Erweiterungen an, weil das Areal um Länder-Pavillons und um einen Ausstellungspark ausgeweitet wird. Die passiven Elemente wie Kabelschächte sind bereits verlegt, die Installation der Systemtechnik und der Leitungen soll im dritten Quartal 1999 abgeschlossen werden. Bei der Dimensionierung stützen sich Telekom und Messe auf Erfahrungswerte, denn die künftigen Anforderungen sind derzeit kaum abschätzbar. "Wir können nur in die Glaskugel blicken", beschreibt Bade die Situation, "beobachten aber zusammen mit großen Anbietern permanent die neuesten Entwicklungen, um vorbereitet zu sein." Doch auch für die Expo 2000 gelten heutige Regeln: Die im Februar 2000 veranstaltete CeBIT ist Maßstab für alle folgenden Messen, inklusive der Expo.

Das Netz der Messe AG

Die Deutsche Messe AG hat ihre technische Kommunikationsinfrastruktur an die Deutsche Telekom AG ausgelagert. Um den Anforderungen nach uneingeschränktem Netzzugang mit stets aktuellen Techniken entsprechen zu können, entschied sich der Carrier dafür, ein ATM-Backbone und SDH-Ringe zu verlegen. In dieser Konstellation liefert ATM flexible Übertragungsleistungen bis zu den Ständen, während SDH für Breitbandlösungen mit festdefinierten Raten zuständig ist. Das Backbone durchläuft alle 26 Hallen, wobei die Leistung auf die wichtigsten Hallen mit TK- und Netzanbietern konzentriert wurde.

Die verlegte Kabelinfrastruktur beinhaltet von Kupferdraht bis zu Monomode-Leitungen das gesamte Medienspektrum. Aneinandergereiht erstrecken sich die Kupferleitungen über eine Länge von 798 000 Kilometern, also etwa 20mal um die Erde. In diese Architektur können sich die Aussteller einklinken und dabei die üblichen Verfahren wie Ethernet, Token Ring, FDDI oder drahtlose Verbindungen nutzen.

Für den WAN-Anschluß gibt es am Messegelände einen ATM-Knoten der Deutschen Telekom mit 34 Mbit/s. Sollte dessen Kapazität nicht ausreichen, lassen sich zwei weitere ATM-Zugangspunkte in Hannover kurzfristig bis nach Laatzen verlängern. Die Anbindung an das nationale ATM-Netz beinhaltet zudem die permanente remote Verwaltung durch die Management-Niederlassungen des Carriers. Zu den zentralen Veranstaltungen setzt die Telekom darüber hinaus eine Überwachungs-Crew auf dem Messegelände ein.