Betriebliches Gesundheits-Management

Hier joggt der Chef noch selbst

23.08.2013
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.

Ein Apfel hilft nicht gegen Stress

Wie sinnvoll solche betrieblichen Programme sind, daran haben einige Zweifel. "Der Effekt der meisten betrieblichen Gesundheitsprogramme ist gering bis moderat", sagt Psychologe Weigl. "Das heißt nicht, dass eine Firma sie nicht machen sollte." Das sieht die Telekom genauso. Im Unternehmen hat nach eigenen Angaben das BGM den Krankenstand nicht signifikant gesenkt. Wie fast überall ist auch hier die Gesundheitsquote konstant bei 95 Prozent. Einstellen will man das "Grundrauschen" an Fitnessaktionen, bei denen auch Chef René Obermann ab und an mitmacht, aber auf keinen Fall. "Würden wir uns nicht um die Gesundheit unserer Mitarbeiter kümmern, würde das kein gutes Bild auf unser Unternehmen werfen", sagt Telekom-Sprecher Fischer. "Es gehört nicht nur zum guten Ton, dass wir uns darum kümmern, dass der Mitarbeiter fit bleibt. Es ist fester Bestandteil der unternehmerischen Verantwortung." Das BGM trage entscheidend dazu bei.

Etwas anderes ist bei der Gesundheitspflege der Mitarbeiter entscheidend: "Häufig fehlt Firmen bei ihrem Gesundheitsmanagement eine klare Strategie: Was will ich erreichen?", sagt Psychologe Weigl. Viele Firmen richteten bei hohem Krankenstand ein Fitnessstudio ein und wunderten sich, warum die Leute immer noch krank würden, sagt Weigl. "Das trifft einfach nicht den Kern der Probleme. Was nützt dem Mitarbeiter ein Apfel oder ein Aufkleber am Lift, der einen zum Treppensteigen auffordert, wenn die unmittelbaren Arbeitsbedingungen unzureichend sind?", fragt Weigl. "Eine Wohltat gleicht eine Misere am Arbeitsplatz nicht aus."

Wie auch der TK-Report 2013 bestätigt: Stress im Job macht krank. Das Risiko, an einer schweren Krankheit zu leiden, steigt. Zipperlein wie etwa Erkältungen wirken sich schlimmer aus und dauern länger. "Dem Chef muss klar sein, dass die Arbeitsbedingungen den Mitarbeiter krank machen können", sagt Weigl dazu. Liegt die Schuld also beim Chef? Nicht unbedingt. Der Vorgesetzte hat oft nur begrenzten Einfluss auf Strukturen und Prozesse im Unternehmen. "Entscheidend ist, wie der Arbeitsplatz gestaltet ist", sagt Weigl. "Kann sich ein Mitarbeiter entfalten und wird gefördert, ist das an sich schon gut für Gesundheit." Der Chef sollte, wenn das möglich ist, Gestaltungsfreiheit und Selbstständigkeit geben.

Zudem kann er darauf achten, dass sein Kollege im Job nicht völlig ausbrennt. Steckt der Mitarbeiter mehr Energie in den Job, als er Anerkennung und Erfolg zurückbekommt, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Burnout und Depression. Zuviel Frust im Job kann zu "Frustfressen" führen, was wieder neue gesundheitliche Probleme mit sich bringt.

Ältere nicht vernachlässigen

Firmen mit einigen älteren IT-Mitarbeitern rät Weigl, diese bei Fortbildungen nicht außen vor zu lassen. Oft werden gerade Ältere in Unternehmen nicht mehr zur Weiterbildung geschickt. "Fühlen sich die Beschäftigten für technologische Entwicklungen nicht ausreichend qualifiziert, macht die Überforderung auf Dauer krank", sagt Weigl. Ohne die Älteren in Betrieben werden Firmen bald ein Problem haben. Je eher sich Chefs darauf einstellen, ältere Mitarbeiter ebenso zu fördern, desto besser ist das für das Betriebsklima.

Tipps für ITler

Gerade in der IT-Branche ist es wichtig, den Bewegungsmangel auszugleichen. Weigl hat für ITler noch zwei andere wichtige Tipps parat: "Vermeiden Sie unnötige Arbeitsunterbrechungen." Wer das Telefon oder den Email-Account auch mal abstellen kann, arbeitet konzentrierter. So kann der ITler, der täglich einer Informationsflut ausgesetzt ist, selbst Prioritäten setzen. "So hat er wieder die Kontrolle über seine Arbeit. Das hält gesund", sagt Weigl. Wenn möglich, sollte ein ITler versuchen, nicht mehrere Sachen gleichzeitig zu machen. Unter Multi-Tasking leidet meist die Qualität. "Nacheinander möglichst unterschiedliche Dinge erledigen, das stresst weniger", sagt Weigl. Das fällt Informatikern zwar schwer, senkt aber den Stressfaktor und vermindert so das Risiko zu erkranken.

Jeder ist für sich selbst verantwortlich

Der Entscheider hat Verantwortung für seine Mitarbeiter. Trotzdem ist er nicht für alles verantwortlich: "Den Chefs wird so viel Verantwortung übertragen", sagt Weigl. "Natürlich sitzt er an den Stellhebeln - aber man kann ihm auch nicht alles zumuten." Die Gesundheit des Mitarbeiters kann nur bis zu einem gewissen Grad Chefsache sein. Ein wenig Eigenverantwortung müssen die Mitarbeiter schon übernehmen. Natürlich will und darf keiner zu Sport und besserer Ernährung gezwungen werden.

Joggen ist nur eine von vielen Möglichkeiten, den berufsbedingten Bewegungsmangel auszugleichen.
Joggen ist nur eine von vielen Möglichkeiten, den berufsbedingten Bewegungsmangel auszugleichen.
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Nicht alle Mitarbeiter sind beim Lauftreff von DV-Ratio mit dabei. Ihnen versucht Vorstand Vetter andere Möglichkeiten der Bewegung anzubieten, etwa Subvention von Gesundheitskursen. "Wenn der ein oder andere mehr Sport macht, dann ist da schon ein großer Schritt erreicht", sagt Vetter. Letztlich bleibt aber jeder Mitarbeiter selbst für seine Gesundheit verantwortlich. "Ich kann versuchen, ihn zu motivieren oder mit ihm zusammen im Gespräch Lösungen zu finden", sagt Vetter. "Und wenn ich selbst mit ihm ins Fitnessstudio gehe." Alles andere muss jeder selbst wissen.