Hier hinken Client-Server-Architekturen hinterher Die Kostenrechnung faellt im zentralen RZ am leichtesten

16.07.1993

*Jochen Michels ist Unternehmensberater am Konrad-Adenauer-Ring 74 in 41464 Neuss. Er veranstaltet regelmaessig Seminare und Arbeitskreise zum Thema RZ-Abrechnung.

NEUSS (CW) - Sind Mainframe-Rechenzentren wirtschaftlich noch sinnvoll? Diese Frage stellen sich nicht nur immer mehr DV-Leiter, sondern zunehmend auch die kaufmaennischen und technischen Fuehrungskraefte der Anwenderbereiche sowie Eigentuemer und Vorstaende. Das gilt fuer alle Unternehmensgroessen. Jochen Michels* sieht in der Abschaffung des zentralen RZs nicht das Allheilmittel.

1992 kann als das Jahr gelten, indem sich die bestehende DV-Welt wie nie zuvor der oeffentlichen und internen Kritik ausgesetzt sah. Diese Entwicklung wurde begleitet von einem schweren Einbruch der grossen Hersteller, die erstmals in ihrer Geschichte rote Zahlen schrieben und Massenentlassungen vornahmen.

Umso wichtiger ist heute fuer Anwender die Entscheidung fuer oder gegen DV-Systeme geworden. Eine Investitionsentscheidung sollte wenigstens so lange tragen, bis sie normal abgeschrieben worden ist. Da der IT-Massanzug viele Millionen Mark kostet, sollten Schnitt, Stoffe und Zutaten mit grosser Sorgfalt ausgewaehlt werden.

Ermutigt durch die guten Erfahrungen mit kleinen Rechnern wagen sich immer mehr Verantwortliche an Bereiche heran, die zuvor eindeutig dem Grossrechner zugeschrieben wurden. Zwar wird die technische Grossleistung noch immer respektiert, doch die Unternehmen koennen und wollen nicht mehr jedes Kostenvolumen einfach hinnehmen. Das DV-Thema wird mit einer bisher nicht gekannten kaufmaennischen Nuechternheit gesehen - dabei schiessen viele Anwender nicht selten ueber das Ziel hinaus.

Die Anlegung betriebswirtschaftlicher Massstaebe an die DV fuehrt DV-Controller und Unternehmensleiter oft zu der Frage, ob Mainframe-Computing ueberhaupt noch das Richtige sei. Fuer manchen ist die Schlacht laengst entschieden: Nach Ablauf der Vertraege und nach Erledigung der sozialen Verpflichtungen moechte man die "Fesseln der zentralen Gaengelei" abwerfen. Das Rechenzentrum soll durch eine flexiblere Client-Server-Umgebung ersetzt werden.

Auf der anderen Seite ist den Praktikern aber durchaus bekannt: Lokale Netze haben im Schnitt eine Ausfallzeit von sechs Prozent (IDC-Informationen). Damit ist das Netz durchschnittlich an 15 von 250 Arbeitstagen im Jahr nicht verfuegbar - diese Ausfallhaeufigkeit wuerde im Mainframe-Umfeld niemals akzeptiert. Ein weiteres Problem: Die Menge der Daten und die verflochtenen Ablaeufe koennen nicht einfach auf ein PC-Netz eingedampft werden. Verteilte Intelligenz ist wichtig, aber die zentrale Ordnung im Datenkapital muss gewahrt bleiben.

In vielen Unternehmen geht es einfach nur darum, der DV-Abteilung ein Optimum an Wirtschaftlichkeit abzuverlangen. Dort, wo es moeglich ist, soll wie in anderen Abteilungen auch automatisiert und das investierte Kapital optimal genutzt werden. Jede Abteilung muss bekommen, was sie benoetigt - aber die Leistungen sind nicht zu verschenken, sondern gerecht zu bepreisen.

Dass PC-Netze und Client-Server-Architekturen nicht nur Vorteile bringen, zeigen auch neueste serioese Untersuchungen, nach denen das Herumprobieren mit Software- und Hardwareprodukten weit mehr kostet als bisher angenommen. Diese unter dem Stichwort "Futzing" bekannt gewordene Zeitvergeudung fuehrt zu Kosten, die die urspruengliche Investition in ein DV-System um das Dreifache uebersteigen.

Hinzu kommen der PC-User-Support, der mit hohen Personal- und Schulungskosten unterstuetzt werden muss, sowie erhebliche Ausgaben fuer Tests und Evaluierungen. Manche Firmen sind schon dazu uebergegangen, diese Aufgaben an einen Dienstleister abzugeben.

Auf absehbare Zeit wird es in vielen Unternehmen voraussichtlich ein geordnetes Nebeneinander der verschiedenen Rechnerwelten geben. Damit aber ruecken die Fragen der Lastverteilung zwischen PCs, Workstations, Abteilungsnetzen, Minicomputern und dem Mainframe-Rechenzentrum in den Vordergrund.

Damit Investitionen richtig gesteuert werden koennen, duerfte eine ausgefeilte Transparenz der Kostenrechnung und Preisbildung immer wichtiger werden. Waehrend sich im Grossrechenzentrum die Kosten heute verursachungsgerecht auf einzelne Benutzer umschlagen lassen, ist dieses Problem bei Client-Server-Architekturen noch weitgehend ungeloest.