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Thema des Tages

Hickhack um Domain-Registrierung

28.06.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Zwischen der bis vor kurzem exklusiv für die Registrierung der wichtigsten Top-Level-Domains (Adreßbereiche des Internet) ".com", ".net" und ".org" zuständigen Network Solutions Inc. (NSI) und der umstrittenen neuen Aufsichtsbehörde Icann (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) ist ein heftiger Disput entbrannt. Die Pläne für eine globale Neuordnung der Registrierungsstruktur verzögern sich damit - möglicherweise sind sie sogar generell gefährdet.

Icann wurde gezwungen, den Testlauf für das neue Registrierungsverfahren, bei dem neben NSI fünf weitere Unternehmen Domain-Namen vergeben dürfen, bis zum 16. Juli zu verlängern. Ursprünglich sollte der Versuch am 24. Juni 1999 enden. Bis dahin hatte allerdings mit Register.com gerade einer der vorgesehenen Testkandidaten begonnen, Domain-Namen zu verkaufen. Die übrigen Bewerber - America Online, CORE, die France-Télécom-Tochter Oleane sowie der australische Anbieter Melbourne IT - lassen noch auf sich warten. Ursache dieser Verspätung waren die nach Aussagen der Betroffenen "unvermeidlichen technischen Probleme". Zwei Monate seien viel zu knapp bemessen gewesen, um den gemeinsamen Zugriff auf die Registrierungsdatenbank zu realisieren. Details der Tücken der Technik dürfen die vier Nachzügler aufgrund eines Non-Disclosure-Agreements (NDAs) mit Network Solutions allerdings nicht

verraten.

NSI hatte 1992 einen Exklusiv-Vertrag mit der US-Regierung abgeschlossen und durfte bis vor kurzem die begehrtesten Adreßbereiche des Internet allein verwalten. Das Unternehmen hat nach Berichten des "Wall Street Journal" aus seiner Sonderrolle auch ordentlich Kapital geschlagen und seither mehr als fünf Millionen Domains mit einer Jahresgebühr von 35 Dollar vergeben. Die internationale Organisation Icann wurde im vergangenen Jahr von der Clinton-Regierung initiiert, um den lukrativen Markt endlich auch der Konkurrenz zu öffnen. Seither geriet das gemeinnützige Gremium unter Führung der Internet-Expertin Esther Dyson unter massiven Druck von Lobbyisten und ins Kreuzfeuer der Kritik sowohl von NSI als auch beispielsweise seitens des renommierten Verbraucherschützers Ralph Nader. Die einen sind der Ansicht, die US-Regierung sei zu stark in die Angelegenheit involviert, andere fordern eine stärkere Regulierung. Wieder andere sind der Auffassung, Icann schließe

Gruppen mit berechtigtem Interesse von wichtigen technischen Weiterentwicklungen des Internet aus.

NSI will auf seine bisherigen Pfründe natürlich ungern verzichten und sägt bereits seit Monaten am Image von Icann. Jüngster Grund der Aufregung sind die Regeln, die die Organisation für die Akkreditierung von Registraren aufgestellt hat. Aus der Sicht von Network Solutions stellen diese einen "Alptraum" für das Unternehmen und seine Aktionäre dar. In ihrer derzeitigen Form werde sich NSI diesen Regeln keinesfalls unterwerfen. "Warum sollten wir Ihnen [der Icann] das Recht einräumen, zu entscheiden, ob wir in diesem Business mitmachen dürfen oder nicht - ein Geschäft, das wir seit sechs Jahren betreiben? Das ist doch verrückt", ereiferte sich Don Telage, Senior Vice-President bei Network Solutions.

Icann trägt die Vorwürfe mit Fassung. "Die Vereinbarung mit der US-Regierung besagt eindeutig, daß NSI die neue Organisation anerkennen und einen entsprechenden Vertrag unterzeichnen muß", stellt Interims-President Mike Roberts klar. Die Attacken von NSI haben aus seiner Sicht einen simplen Hintergrund: Network Solution habe massive Vertragsschwierigkeiten mit der US-Regierung. Weil das Unternehmen aber schlecht die Regierung direkt angreifen könne, müsse nun die Icann als Prügelknabe herhalten.

Beobachter befürchten bereits, daß die gesamte Neustrukturierung gefährdet sein könnte, wenn es NSI weiterhin ablehnt, sich offiziell von der Icann zertifizieren zu lassen. Die eventuell resultierenden rechtlichen Streitigkeiten könnten demnach sowohl den Fortbestand der Aufsichtsbehörde in Frage stellen als auch das bislang noch partnerschaftliche Verhältnis zwischen Regierung und Network Solutions auf eine ernste Probe stellen. Es ist offensichtlich keine einfache Angelegenheit, ein Monopol abzulösen. "Unser Bestreben, daß bisherige System global zu privatisieren, ist etwas völlig Neues, für das es keine Vorbilder gibt", räumt Joe Sims, General Counsel der Icann, ein.