Bemerkungen eines Messebesuchers:

"Heute für 5000 Mark zu haben"

02.05.1975

HANNOVER - Etwas unerwartet kam die Frage der CW-Redkteure, ob ich nicht meine Eindrücke als Computeranwender über die diesjährige Hannover Messe wiedergeben könnte.

Selbstverständlich fährt man mit einer vorbereiteten Zielsetzung auf eine solche Mammut-Veranstaltung. Hat man diese Zielsetzung nicht, läuft man Gefahr, sich in dem Angebotswirrwar in dem Angebotsüberfluß zu verlieren. Diese Zielsetzung war begrenzt auf den Teil B der CeBIT-Halle, in dem das Computerangebot übersichtlich konzentriert ist Zuerst einmal suchte ich all die Firmen auf, mit denen wir in Geschäftsbeziehung stehen; bei dem Hauptlieferanten zum Beispiel seit mehr als vier Jahrzehnten. Die Frage gilt zuerst dem Unvermeidlichen, nämlich den Neuankündigungen der betreffenden Firma. Bei der IBM, unserem Hauptlieferanten, ließ ich mir eingehend die neuen Kleincomputersysteme vorführen. Das sind bei IBM das System /32 und das Kommunikationssystem 3790. Selbstverständlich sieht man sich als Fachmann auch die Überraschung dieser Messe, nämlich den IBM-Schnelldrucker Type 3800, an. Als Angehöriger eines Großunternehmens der Papierindustrie besichtigt man mit Wohlwollen einen Schnelldrucker mit einer Leistung von bis zu 755 000 Zeilen in der Stunde. Welch eine Wonne und welch eine Chance, die gesamte Umwelt mit bedrucktem Papier sozusagen zu überschwemmen!

Die Anwendungsmöglichkeiten für solch ein Ungetüm an Leistung sind sicherlich vielseitig; allerdings muß ich ganz offen sagen: für die Industrie und große Teile der Wirtschaft sehe ich keine Anwendungsmöglichkeit, aber sicherlich werden sich bei den Dienstleistungs-Branchen Banken, Versicherungen, Rentenversicherungsträger Einsatzmöglichkeiten anbieten. Für die Industrie rückt mehr und mehr die Dezentralisierung des Computereinsatzes in den Vordergrund; mit anderen Worten, der Computer Output muß den Anwendern unmittelbar dort zur Verfügung stehen, wo er benötigt wird. Das bedeutet zwar weitgehend zentrale Verarbeitung, aber dezentralen Output über intelligente Terminals und auch Klein- und Mittelcomputeranlagen (je nach der Aufgabenstellung).

Dies war auch der Schwerpunkt meines diesjährigen Messeaufenthaltes, und ich habe alle Firmen, die speziell derartige Systeme anbieten, besucht. Das Ergebnis der Messegespräche ist sehr erfreulich. Selbstverständlich gab es bereits in den früheren Jahren Terminals und Kleincomputersysteme für diese Aufgabenstellung Ich muß jedoch feststellen, daß auf diesem Sektor ein enormer Fortschritt erzielt wurde. Dies gilt vor allem für das Preis-/Leistungsverhältnis. Computeranlagen, für die wir noch 1967/68 20 000 Mark monatliche Miete bezahlt haben, bekommen wir heute für eine Monatsmiete von 5000 Mark. Hierzu muß noch erwähnt werden, daß diese neuen Computersysteme eigentlich in vielen Dingen vielseitiger und leistungsfähiger sind als eine Computeranlage von vor acht Jahren mit 20 000 Mark und mehr monatlicher Miete. Dies gilt weiter für die unwahrscheinlich gewachsenen Möglichkeiten des Multiprogramming und des Multiteaking und den großen Möglichkeiten, das System den wachsenden Aufgabenstellungen (oder auch sich verringernden Aufgabenstellungen) jeweils preisgünstig anzupassen. In unserem weitverzweigten Unternehmen sind noch Klein-Computeranlagen der Firma Nixdorf seit vielen Jahren eingesetzt, denen nun durch die beiden neuen Systeme IBM /32 und 3790 eine nicht zu verachtende Konkurrenz erwachsen wird. Ferner galt mein Besuch der Firma Honeywell Bull, von der wir Datensammelsysteme eingesetzt haben und auch Datenübertragungsstationen sowie der BASF mit ihren Neuentwicklungen auf dem Sektor der Magnetplatteneinheiten. Das Problem der Mixed Hardware steht selbstverständlich immer an: für alle die Firmen, die gezwungen sind, mit scharfem Rechenstift zu arbeiten und wer ist das heute nicht mehr.

Mein Gesamteindruck über den Besuch im Teil B der CeBIT-Halle war überaus positiv; ich will damit ausdrückend daß ich aufgrund der konjunkturellen Lage der vergangenen Zeit doch mit einem schwächeren Messebesuch gerechnet habe. Dies entsprach Gott sei Dank nicht den Tatsachen, teilweise waren die Messestände so stark überfüllt wie in den sechziger Jahren. Auch die Stimmung bei den Ausstellern war überaus positiv, teilweise wurden erhebliche Aufträge gebucht oder aber positiv angebahnt. Rationalisierung ist Trumpf und gerade In Zeiten schlechter Konjunkturlage hat manches Rationalisierungsprojekt die Chance, schneller realisiert zu werden.

Hugo Schwenk ist EDV-Leiter der PWA Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg, Raubling bei Rosenheim