Hersteller halten sich mit ihrem Angebot an Bildschirmarbeitsplätzen meist an Gebote der Ergonomie:Kompromiß zwischen Mensch und Arbeitsplatz

24.04.1981

HANNOVER (gr) - In der Ausgestaltung der einzelnen Komponenten, aus denen sich ein Bildschirmarbeitsplatz zusammensetzt, halten sich die Hersteller meist an die Anforderungen, die die Wissenschaft aus den ergonomischen Bedürfnissen des Menschen abgeleitet hat. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die von der CeBIT-Fachindustrie in Hannover ausgerichtete Sonderschau "Büro-Mensch & Arbeitsplatz". Die Schwierigkeit liegt nach Ansicht der Fraunhofer Gesellschaft (FhG), die die Aussteller informativ unterstützt, in der Integration der neuen Technik in das bestehende Büro sowie in der Organisation der Arbeit.

Die Hersteller machen nach Ansicht eines Sprechers der Fraunhofer Gesellschaft einen Fehler, obwohl sie sich an die ergonomischen Vorschriften halten. Sie lassen es an der Unterstützung des Anwenders fehlen. "Was hilft der tollste Stuhl", erläuterte ein Sprecher der FhG, "wenn der Benutzer nicht draufkommt, wie das Möbelstück der Körpergröße und Arbeitshaltung entsprechend zu verstellen ist."

Weil Büroangestellte mehr als 75 Prozent ihrer Arbeitszeit im Sitzen verbringen, muß die Gestaltung des Arbeitsplatzes helfen, Ermüdungserscheinungen und Verkrampfungen zu vermeiden. Gefordert wird von den Ergonomen eine auf den Mitarbeiter zugeschnittene Sitz- und Arbeitsflächenposition, Spielraum für Körperbewegungen sowie die Stützung und Entlastung des Körpers. Die meisten Bürostuhltypen sind nach Ansicht von Cakir, Hart und Stewart, die sich in dem vom Springer Verlag 1980 herausgebrachten Buch "Bildschirmarbeitsplätze" ausführlich mit dem Bildschirm und seinem Umfeld befassen für Terminal-Arbeitsplätze geeignet Voraussetzung sei allerdings, daß die Rückenlehnen den Bereich der Becken- und Lendenwirbel stützen.

Mobiliar am Menschen orientiert

Daß der Stuhl an den menschlichen Körper anzupassen ist, haben die Menschen mittlerweile gelernt. Versuche in umgekehrter Richtung werden auch am Bildschirmarbeitsplatz kaum noch unternommen. Der Bildschirm selbst dagegen, verglichen mit dem davorstehenden Sitzmöbel, stellt noch ein Neuland der Erfahrbarkeit dar. Im Gegensatz zum Stuhl - und darauf weist außer den Ausstellern auf der Sonderschau auch Sperry Univac mit ihrem Modellarbeitsplatz hin - ist es nicht angebracht, den Bildschirm irgendwo aufzustellen. Zwar besteht nach Ansicht des Sprechers nicht unbedingt die Notwendigkeit ein neues Bürohaus um die neu gestalteten Arbeitsplätze herum zu errichten. Doch sollten gewisse Grundregeln beim Aufstellen beachtet werden, die dem menschlichen Leib und besonders dem Auge Rechnung tragen.

Rot beruhigt

Einmal müßte die Scheibtischhöhe der Höhe der Tastatur angepaßt sein. Cakir empfiehlt eine Tischhöhe von 720 Millimetern. Die Mittelreihe der Tastatur habe dann einen Abstand von 750 Millimetern vom Boden. Bei der nun auch von Arbeitgeberverbänden geforderten mittleren Tastaturhöhe von drei Zentimetern dürfen also die Schreibtische nicht zu hoch sein. Zumindest müßten sie in der Übergangszeit verstellbar sein, falls vorhandene Tische weiter benutzt werden. Zu den Grundregeln für die Einrichtung des Bildschirm-Arbeitsraumes gehört außerdem, daß die Sichtgeräte parallel zum Fenster stehen. Andernfalls sei der Hintergrund extrem hell. Ließe sich das nicht ganz machen, so helfen Jalousien, Stellwände und eine andere Farbgebung eine bildschirmadäquate Umgebung zu schaffen. Zum Wohle der arbeitenden Menschen empfiehlt Univac hier eine Tapete in Purpur.

Fixiere eine Versuchsperson ein klares, grünes Zeichen auf dem Bildschirm und blicke anschließend auf ein weißes Blatt Papier, so erkenne sie leicht das zuvor gesehene Zeichen in Purpur, also umgekehrt gefärbt, auf dem Papier wieder. Diese Erscheinung werde auch vor dem schwarzen Hintergrund des geschlossenen Auges gesehen.

Der Gegenfarbkontrast komme im Auge durch eine Ermüdungserscheinung desjenigen Farbrezeptors im Auge zustande, der auf die Farbe Grün anspricht. Abhilfe schafft nach Ansicht dieser Ergonomen eine Umgebung, die in etwa die Farbe des Nachbildes trägt.

Auf dem Musterarbeitsplatz wurden folglich die Wände mit einer gewirkten Tapete bedeckt, die sich aus rötlichpurpuren Fäden unterschiedlicher Schattierung zusammensetzt. Rot beruhige, so die Ergonomen, da die grüne Leuchtschrift auf dem Bildschirm mit der Aktivierung verbunden sei. Der Raum schaffe das Komplement.

Dauertest optimal

Während sich ein Stuhl, ein Tisch und eine Tastatur von Menschen, die täglich mit diesen Geräten arbeiten und ihre individuellen Erfahrungen einbringen, noch vergleichsweise einfach testen lassen, kostet der Dauertest des gesamten Ambientes eine Menge Zeit, Aufmerksamkeit, Wissen und Geld. Dank der besseren Schulung der Einkäufer, meint ein Sonderschausprecher, stehen die großen Betriebe besser da, was die Ausstattung mit Geräten angeht.

Problematisch gestalte sich jedoch auch hier das Zusammenwirken von gesetzlichen Vertretern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Aufgrund anderer Probleme fiele es beiden Seiten schwer, auf dem Teppich der sachlichen Diskussion zu bleiben. Der eigentliche Problembereich liege heute weniger im angebotenen Mobiliar als vielmehr in der Arbeitsorganisation.

Für diese Aussage spricht auch die Überraschung des Honeywell Bull-Vorstandes Jürg Tschirren den Schlußfolgerungen gegenüber, die auf internationaler Ebene aus den Untersuchungen arbeitsmedizinisch relevanter Sachverhalte gezogen werden. Obwohl die Menschen in den verschiedenen Ländern physisch sehr ähnlich gebaut seien, bestehe keine Einigkeit, "welche Schrift und Untergrundfarben dem am Bildschirm arbeitenden Menschen die geringste physische Beanspruchung abverlangen". Keiner wird leugnen, daß sich die Arbeitsinhalte durch den Einzug der Bildschirme ins Büro geändert haben.

Dennoch - daß die Monotonie am Bildschirm die Wurzel für das Akzeptanzproblem der neuen Technik bildet, streitet Tschirren mit Entschiedenheit ab. Er zitiert den am Terminal arbeitenden Operator oder Programmierer, der durch die Bedienerführung keineswegs seine professionelle Selbstverwirklichung einbüße.

In der täglichen Praxis beobachtet Tschirren nur Bedienungspersonal, dem es recht ist, "wenn ihm eine gescheite Software solide Brücken baut über das Risiko menschlichen Versagens". Dennoch mehren sich Vorschläge von Organisatoren, unter dem Stichwort "Humanisierung" der Arbeitsentfremdung zu entgehen. Nicht nur werden, so der Sprecher, die Großraumbüros zugunsten von Gruppenarbeitsplätzen aufgelöst.

Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Norbert Szyperski empfiehlt wie viele mit ihm - die Einrichtung sogenannter Mischarbeitsplätze, an denen die Mitarbeiter verschiedenartigen Aufgaben nachgehen. Job enrichment heißt das Schlagwort. Und reicher muß die Tätigkeit nicht mengenmäßig, sondern inhaltlich sein, um der Fließfertigung im Büro zu entgehen. Der Konsens beider Parteien, der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer, liegt nach Ansicht des FhG-Sprechers in beider Interesse. Der Arbeitgeber sei an größerer Wirtschaftlichkeit interessiert, der Arbeitnehmer strebe durch seine Tätigkeit nach Befriedigung, ohne nach acht Stunden "fertig zu sein". Beides beabsichtige die Ergonomie.

Das Fraunhofer Institut habe eine Studie in Arbeit, die Unternehmer und ihre Vertreter von den Vorteilen der verwirklichten Ergonomie überzeuge. Die Mitarbeiter seien dabei, ein Wirtschaftlichkeitskonzept für die eingehaltenen ergonomischen Regeln zu erstellen.