Schweizerische Ollvetti-Tochter will sich nur noch auf Büromaschinengeschäft konzentrieren:

Hermes Precisa kappt deutschen DV-Vertrieb

25.02.1983

YVERDON/ESCHBORN (ha) - Nach Managementschlappen und einer verfehlten Hard- und Softwarepolitik hat sich die schweizerische es Precisa International S.A. jetzt aus dem deutschen DV-Markt zurückgezogen. Mit einer 55prozentigen Beteiligung übernahm der bisherige Geschäftsführer der Hermes Precisa Ruf Computer GmbH (HPR), Gerhard Jörg, den Vorsitz des Eschborner Unternehmens. Als Grund für ihren Computerausstieg gibt die Olivetti-Tochter aus Yverdon an, die "rasante Entwicklung" im Markt für Büromaschinen und elektronische Schreibmaschinen erfordere eine verstärkte Konzentration auf diese Bereiche.

Kaufte sich Hermes Precisa Anfang 1980 noch mit großem Engagement bei der Ruf Computer AG ein, so kommt den Schweizern das recht kurze Gastspiel in der deutschen DV-Landschaft im nachhinein teuer zu stehen. Der nach einer mehrjährigen Produktodyssee zerrüttete MDT-Anbieter sei HPR-Insidern zufolge zwar damals zu einem "Schleuderpreis" in eidgenössischen Besitz übergegangen, habe aber in der folgenden Aufbauphase erhebliche Gelder geschluckt.

Doch trotz des weit geöffneten Geldbeutels der Hermes-Manager, rissen die bereits zu Ruf-Zeiten grassierenden Managementprobleme nicht ab. Auch unter Regie der Schweizer gaben sich die Eschborner Unternehmenslenker die Türklinke regelmäßig in die Hand. Durch das Führungshickhack verprellte Händler suchten daraufhin das Weite; HPR-Benutzer führten Klage wegen Nichterfüllung der Verträge (CW berichtete darüber in der Ausgabe 3 vom 15. Januar 1982).

Das Durcheinander in der hessischen Deutschlandzentrale führten leitende HPR-Mitarbeiter seinerzeit auf den Starrsinn der Hermesbosse bei der Durchsetzung ihrer hiesigen Marketingstrategie zurück. In Yverdon wollte man das eidgenössische Vertriebskonzept auf den bundesrepublikanischen Markt übertragen. Das ging schief: Zahlreiche Mitarbeiter verließen das schlingernde Hermes-Precisa-Ruf-Schiff.

Erst mit dem Eintritt von Ex-CTM-Chef Gerhard Jörg im Januar 1982 wurde in der GmbH nach und nach eine klare Linie sichtbar. Jörg stieß die veralteten Ruf-Produkte ab und orderte eine 16-Bit-Maschine beim kalifornischen Mikroanbieter Onyx-/Mercator in San José, die er seit knapp einem Jahr unter der Bezeichnung Ruf 3000 vermerktet. Glaubt man dem ehemaligen Nixdorf-Vertriebsmanager, so habe er in 1982 bereits siebzig dieser Systeme abgesetzt. Managementprobleme in seinem Haus bezeichnet Jörg heute als "Schnee von gestern".

Ursprünglich beabsichtigte Hermes, nachdem die Entwicklungsabteilung für DV-Equipment in Yverdon geschlossen wurde, die Rechner der Konzernmutter Olivetti zu vertreiben. Doch die Italiener hatten Jörg zufolge in der angestrebten Preis-/Leistungsklasse nichts zu bieten. Wie es zudem in einem VWD-Bericht heißt, habe sich die Koordination der Hermes-Produkte mit denen von Olivetti nicht so schnell entwickelt wie erwartet.

Optimistisch gibt sich HPR-Chef Jörg nunmehr bei seinem Schritt in die Selbständigkeit. Zwar habe das Geschäftsjahr 1982 für sein Unternehmen im Zeichen der Reorganisation und einer abschließenden Sanierung gestanden und wegen des Hardware-Preisverfalls sowie der allgemeinen Investitionszurückhaltung seien keine Gewinne eingefahren worden. Dennoch blicke er auf ein "ausgeglichenes Ergebnis" zurück.

Im nächsten Jahr will der neue HPR-Lenker mit seinem Team, das nur noch zu zwanzig Prozent aus alten Ruf-Mitarbeitern besteht, gar bis zu 250 Ruf-3000-Systeme an den Mann gebracht haben. Eine Umfirmierung im "üblichen Sinne" strebt Jörg indes nicht an. Nachdem in einer etwa halbjährigen Übergangsphase noch gewisse Dienstleistungen für die Schweizer abgewickelt werden müßten, will er Hermes Precisa in der Firmenbezeichnung streichen, jedoch die Kürzel HPR beibehalten. Auch an der bereits eingeschlagenen Marschrichtung soll festgehalten werden. Indessen wollen sich die Eschborner künftig wieder mit "deutschem Image" präsentieren.

Auch mit einem schweizerischen Partner wie der Gebefina GmbH, einer 100-Prozent-Tochter der "Eidgenössischen Bank", die 45 Prozent Anteile an der neuen HPR Ruf Computer GmbH halten wird, sei dies, laut Jörg, durchaus möglich.