Wissens-Management für Persil & Co

Henkel weiß, was Henkel weiß

08.03.2002
Der interne Informationsdienstleister des Henkel-Konzerns, Henkel Info Center, löst sein Knowledge-Management-System ab, mit dem unternehmensweit Informationen recherchierbar gemacht werden. Statt der bislang auf Lotus Notes basierenden Lösung setzt der Anwender auf Browser-Technologie und ein neues Suchwerkzeug. CW-Bericht, Jan Schulze

Interne und externe Informationsquellen sind in Unternehmen von großer Bedeutung. Doch ungefilterte Informationsflüsse bringen keinen Vorteil, sondern die sprichwörtliche Informationsflut. In der englischen Sprache hat sich dafür bereits der Slogan "Overnewsed but uninformed" durchgesetzt. Das zu verhindern ist ein wesentlicher Bestandteil eines effektiven Umgangs mit Nachrichten und Wissen im Unternehmen und ein zentraler Punkt im Knowledge-Management (KM).

Bei der Henkel-Gruppe mit Stammsitz in Düsseldorf ist für das Aufbereiten und Verteilen von Informationen die Fachabteilung Henkel Info Center zuständig. Der hauseigene Informationsdienstleister versorgt die Henkel-Mitarbeiter weltweit mit Wissenswertem und Wichtigem aus internen und externen Quellen. Dazu gehören neben dem Zeitschriftenumlauf auch aufwändige Recherchedienste wie etwa Patentinformationen. Ebenso wertet das Info Center Nachrichtendienste entsprechend den Kundenwünschen aus und beobachtet Hunderte verschiedener externer Datenbanken und Websites.

Information ist Service für KundenInnerhalb des Konzerns ist das Henkel Info Center als Cost-Center aufgestellt: Konzernmitarbeiter, die den Dienst der Abteilung nutzen, müssen auch dafür bezahlen. So ist die Informationszentrale in der Pflicht, Dienstleistungen anzubieten, die sich von den Services externer Informationsdienste und Nachrichten-Broker abheben und für die sich im Unternehmen Kunden gewinnen lassen.

Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass die Kunden schnell und einfach in den Datenbanken des Info Centers die für sie relevanten Informationen finden oder automatisch geliefert bekommen. Dazu müssen Suchprofile möglichst exakt definiert sein. Ein Mitarbeiter aus dem Waschmittelbereich, der einen Wettbewerber in diesem Segment beobachten will, kann nichts mit Informationen zu dessen Kosmetikprodukten anfangen. Auch die zahlreichen internen Quellen müssen entsprechend den individuellen Wünschen gefiltert werden.

Zur Informationsaufbereitung setzt Henkel Info Center bislang das Wissens-Management-Tool "Grapevine" ein, das die Kunden mit den gewünschten Nachrichten beliefert und die nötigen Funktionen zur Eigenrecherche bietet. Grapevine wurde vom australischen Hersteller Grapevine Technologies entwickelt und ist mittlerweile in den Besitz von Iplanet übergegangen.

Da innerhalb des Henkel-Konzerns Lotus Notes als Groupware Standard ist, kommt auch eine Grapevine-Lösung unter Notes zum Einsatz. Das Tool dient in erster Linie dazu, Informationen, die aus verschiedenen Quellen stammen und im Info Center auf Lotus-Domino-Datenbanken vorgehalten werden, für die Kunden recherchierbar zu machen. Nicholas Kennedy, Information Manager des Henkel Info Centers, ist zufrieden mit der Wissens-Management-Lösung.

Trotzdem sieht sich das Info Center gezwungen, das System durch eine neue Lösung zu ersetzen. Obwohl Grapevine von Iplanet weiterhin angeboten wird, können die Düsseldorfer nicht länger darauf aufbauen und neue Produkte entwickeln: Künftige Versionen der Software unterstützen Lotus Notes nicht mehr. Für den Informationsdienstleister war das der Anlass, sich nach einer Alternative umzuschauen.

Bereits im Januar 2000 begann das Info Center mit der Suche nach einer neuen KM-Software. Im Anforderungskatalog stand unter anderem die Fähigkeit zur plattformunabhängigen Suche, auch als "Spidern" bezeichnet, über verschiedene Systeme wie Notes-Datenbanken, Novell-Dateisysteme oder normale CD-ROMs hinweg. Auch sollte die neue Lösung den Kundenzugriff statt über Lotus Notes mittels eines herkömmlichen Internet-Browsers ermöglichen, um auf möglichst vielen Computern genutzt werden zu können.

Einfache SucheDie wichtigste Anforderung an ein neues System war jedoch, dass die Software natürlichsprachige Abfragen verstehen muss. "Die Suchfunktion soll an Google erinnern", beschreibt Kennedy sein Ideal. Der Informationsdienstleister entschied sich für das "Portal in a Box" des britisch-amerikanischen Herstellers Autonomy. Als Integrator wählte Henkel im Mai 2000 die Augsburger Conwave GmbH. Im März des Folgejahres musste dieser Partner allerdings Konkurs anmelden. Henkel entschied sich dafür, das Projekt mit dem Münchner IT-Dienstleister Global Linxs weiterzuführen.

Die Einführung des neuen Suchwerkzeugs und des Browser-basierenden Frontends soll sukzessive erfolgen. Deswegen entschieden sich die Projektverantwortlichen, das Erscheinungsbild der neuen Lösung möglichst dem Aussehen des Altsystems anzupassen.

Interessenprofil für jeden AnwenderDazu änderte der Integrator die im Produkt vorgesehenen Bezeichnungen der einzelnen Funktionen und die Symbole des Systems. Was in der Autonomy-Terminologie zum Beispiel ein "Channel" ist, trägt in der Version des Henkel Info Centers den aus Grapevine übernommenen Namen "Alert". Dahinter verbirgt sich die automatische Zustellung von Informationen aus definierten Themenbereichen, die der Kunde individuell vorgeben kann. Diese Themen werden von der KM-Lösung dann automatisch beobachtet.

Für Kennedy liegt hier auch eine Stärke der neuen Lösung: Im Notes-gestützten Tool konnte ein Kunde, der die Dienste des Info Centers in Anspruch nimmt, zwar ein individuelles Profil vorgeben, musste dieses aber manuell programmieren. Das neue KM-Tool bilde mit der Zeit selbsttätig ein Interessenprofil jedes Anwenders durch die Analyse der Inhalte, die er sucht und anschaut. Die daraus generierte Themenliste mit einer Zusammenfassung der bislang gelesenen Dokumente kann der Anwender im Browser bei Bedarf auch selbst bearbeiten.

Das neue Merkmal ist aus Sicht des Informationsdienstleisters zwar ein Mehrwert, mit dem die Anwender gelockt werden sollen, gleichzeitig sind die zusätzlichen Funktionen aber auch eine Herausforderung. "Ob und wie das bei den Kunden ankommt, weiß ich noch nicht", räumt Kennedy ein.

Um die Suche für die Anwender möglichst einfach zu gestalten, beschränkt sich die Suchmaske im Browser auf ein einziges, großes Eingabefeld. Eine Recherche über Boolesche Operatoren, die in Internet-Suchmaschinen meist möglich ist, sieht die KM-Software nicht vor. Die Henkel-Mitarbeiter sollen mit natürlichen Ausdrücken im Suchfeld zum gewünschten Ergebnis kommen. Im Unterschied zum Vorbild Google ist die Eingabe von nur ein bis zwei Wörtern wie bei einer Internet-Suchmaschine jedoch nicht der beste Weg, um Informationen zu finden: Je mehr Text der Kunde in das Suchfeld eingebe, desto besser arbeite das System, erläutert Kennedy.

Browser statt NotesEin weiteres neues Merkmal ist das Finden von Konzernmitarbeitern, die an ähnlichen Themen arbeiten oder interessiert sind. Unter der Rubrik "Get Together" bietet die Plattform die Möglichkeit, dass Benutzer ihr Interessenprofil im Konzern veröffentlichen. Kollegen mit verwandten Wissensgebieten können so standort- und bereichsunabhängig zusammenfinden und sich austauschen. Die Teilnahme ist allerdings freiwillig.

Für die Umstellung des Frontends von Lotus Notes auf den Web-Browser gab es aus Sicht des Info Centers gute Gründe: Obwohl Notes eine Standardapplikation im Konzern ist, sind nicht alle PCs damit ausgestattet. Jeder Client wird dagegen mit einem Browser ausgeliefert. Allerdings hat die Internet-Technologie aus Kennedys Sicht auch Nachteile: "Mit dieser Technik verlieren wir die ganz wesentliche Funktionalität von Notes, Rechte zu vergeben."

Zur Rechteverwaltung setzt das Info Center deshalb weiterhin auf ein filigranes, über mehrere Jahre entwickeltes System. Dieses ließ sich zwar weitgehend in die neue Wissens-Management-Lösung einbetten, für besonders kritische Informationen, die nur wenigen Mitarbeitern zugänglich sein dürfen, wird aber sicherheitshalber nach wie vor ausschließlich Lotus Notes benutzt.

Hardware im OutsourcingEine wichtige Anforderung an das Wissens-Management ist die Hochverfügbarkeit. Da Henkel international tätig ist, nutzen auch Mitarbeiter aus verschiedenen Zeitzonen die Angebote des Info Centers. Somit müssen diese rund um die Uhr abrufbar sein. Aus Kennedys Sicht kann das Info Center diese Aufgabe jedoch nicht selbst erfüllen. Deswegen besteht ein Outsourcing-Vertrag mit dem Dienstleister T-Systems. Von diesem hat das Info Center die notwendige Hardware im Rahmen eines Leasing-Abkommens erhalten.

Im November vergangenen Jahres begann der Henkel-Fachbereich mit der Schulung der eigenen Mitarbeiter im Umgang mit der Software. Auch das notwendige technische Know-how für den Betrieb wurde aufgebaut. Obwohl das Info Center nur rund 40 Mitarbeiter zählt und damit zu klein für eine eigene IT-Abteilung ist, beschäftigt es einige eigene IT-Spezialisten aus den Bereichen Notes- und Web-Programmierung. Diese wurden vom externen IT-Dienstleister im Umgang mit der neuen KM-Lösung geschult.

Als letzter Projektschritt steht jetzt im März der Rollout an. Dabei konzentriert sich das Info Center zunächst auf die Erschließung der großen Datenbanken, die allen Mitarbeitern offen stehen. Das alte und das neue System werden vorerst parallel betrieben. In der ersten Rollout-Phase sollen 80 User über das neue System mit Informationen versorgt werden. Über die folgenden Monate möchte das Info Center die Resonanz der Pilotanwender beobachten. "Je nachdem, wie die Akzeptanz ist, werden wir weitere Autonomy-Lizenzen zukaufen", so Kennedy. Das mittelfristige Ziel sei, die jetzt 500 Grapevine-Benutzer von den Vorteilen des neuen Angebots zu überzeugen.

Insgesamt zeigt sich der Information Manager mit dem Projektverlauf zufrieden. So sei etwa die Anbindung der Web-basierenden Lösung an die Domino-Datenbanken des Info Centers völlig problemlos verlaufen. Und auch komplizierte Verknüpfungen verschiedener Quellen zu einer Information hätten sich realisieren lassen. Lediglich das Budget sei von Softwareanbieter und IT-Dienstleister überschritten worden. Allerdings lägen die Mehrkosten"im akzeptablen Rahmen".

Kennedy ist überzeugt, dass sich die Investitionen in das neue KM-Tool rechnen. Es ermögliche dem Info Center, neue Produkte zu entwickeln und Mehrwerte für die Kunden anzubieten. "Es ist aus unserer Sicht eine Investition in die Zukunft", betont der Information Manager.

Das UnternehmenDie Henkel KGaA ist ein weltweit tätiger Konzern für Markenartikel und Technologien mit Hauptsitz in Düsseldorf. Das Unternehmen erwirtschaftete nach eigenen Angaben im Jahr 2000 einen Gesamtumsatz von über zwölf Milliarden Euro und beschäftigte in diesem Zeitraum rund 61 000 Mitarbeiter. Kernbereiche sind Wasch- und Reinigungsmittel, Klebstoffe, Kosmetika und Oberflächentechnologien. Zu den bekanntesten Marken zählen "Persil", "Pritt" und "Fa". Das Henkel Info Center ist innerhalb des Konzerns für die Aufbereitung und Verbreitung von Informationen zuständig.