Helpdesks binden die Kollegenhilfe ein

08.12.2005
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Nach jahrelangem Bemühen, die Anwendungsunterstützung im Helpdesk zu zentralisieren, verlagern erste Unternehmen spezielle Aufgaben wieder in Fachabteilungen zurück.

Nach wie vor ist die IT Infrastructure Library (Itil) das Hilfsmittel der Wahl, um die Abläufe im Helpdesk in den Griff zu bekommen. Dies zeigte einmal mehr das von IIR veranstaltete "User Helpdesk Forum 2005" in Karlsruhe. "Funktionierende Prozesse und motivierte Mitarbeiter sind die wichtigste Voraussetzungen für einen guten Servicedesk", betonte auch Guido Baur, Leiter Customer Center bei der Landesbank Baden Württemberg (LB BW) in Stuttgart. In seiner Abteilung bearbeiten rund 30 Mitarbeiter 8000 bis 10000 Vorfälle pro Monat. Baur strebt einen Heldesk an, der "Kunden zu begeisterten Fans macht". Dabei setzt er vor allem auf seine Mitarbeiter. Dieser höhere Stellenwert, den die Unternehmen inzwischen offenbar bereit sind, ihren erfahrenen Mitarbeitern im Helpdesk einzuräumen, war auch in anderen Beiträge auf dem Helpdesk Forum zu bemerken.

Hier lesen Sie...

  • warum Nearshoring von Helpdesks schwierig ist;

  • warum Unternehmen IT-Support in die Fachabteilungen verlagern;

  • welche Aufgaben die Key User übernehmen.

Wenig Nearshore-Projekte

Möglicherweise ist die Wertschätzung der eigenen Leute auch der Erkenntnis geschuldet, dass das Near- und Offshoring in diesem Bereich nur bedingt machbar ist. Dabei verhindert nicht zwangsläufig die Sprachbarriere eine Verlagerung, denn in Ländern wie Ungarn, Tschechien und Polen gibt es viele deutschsprachige und gut ausgebildete Experten. In jüngster Zeit empfiehlt sich zudem Istanbul als Standort für Anrufzentralen, weil junge Deutschtürken neue Beschäftigungsmöglichkeiten in der Türkei suchen. Abschreckend wirkt jedoch der mit dem Auslagern verbundene Aufwand.

Einer Einschätzung der Marktforscher von Gartner zufolge verlagert sich in den kommenden Jahren immer mehr IT-Know-how in die Fachabteilungen. Das Modell, Key User in die Supportstrukturen einzubinden, macht sich diesen Trend zunutze.
Einer Einschätzung der Marktforscher von Gartner zufolge verlagert sich in den kommenden Jahren immer mehr IT-Know-how in die Fachabteilungen. Das Modell, Key User in die Supportstrukturen einzubinden, macht sich diesen Trend zunutze.

"Bis ich in Istanbul bin, dauert es eine ganze Weile", winkte etwa Andreas Pflieger, Programm Manager Operation Services bei der Robert Bosch GmbH, Stuttgart ab. Der Konzern beschäftigt für die eigenen SAP-Anwender einen externen Helpsesk-Dienstleister in Berlin und bietet von dort aus Anwendern in Tschechien, Spanien und Frankreich Support in der jeweiligen Landessprache an, zum Teil sogar mit lokalen Akzenten. Das war nicht immer so, erst seit dem Jahr 2001 gibt es beispielsweise einen Single Point of Contact (SPoC) für deutsche IT-Nutzer. Seitdem streben die IT-Verantwortlichen von Bosch eine derartige Supportstruktur für alle europäischen Niederlassungen an.

Know-how-Transfer klappt nicht

Im Zuge der geplanten Zentralisierung und Internationalisierung des Helpdesks unternahm Bosch im Jahr 2003 den Versuch, die Anrufzentrale von Berlin nach Portugal zu verlegen, doch kurze Zeit später wurde der Test abgebrochen. "Als schwierig hat sich der hohe Steuerungsaufwand erwiesen, zudem hat es im Zwischenmenschlichen nicht geklappt", schilderte der Bosch-Experte. Diese Probleme hätte man lösen können, doch als sich auch noch herausstellte, dass der Know-how-Transfer nach Portugal nicht klappte, beendete Bosch das Projekt.

Die Verantwortlichen entschlossen sich daher, weiter mit dem alten Dienstleister zu arbeiten und die Partnerschaft noch auszubauen, insbesondere weil sich seine Mitarbeiter enormes Know-how für Bosch-spezifische Applikationen und Abläufe angeeignet haben. Unter Aufsicht und Kontrolle von Bosch suchte der Dienstleister zusätzliche Mitarbeiter für den internationalen Support. "Berlin ist ein internationaler Standort, und die Kostenstrukturen sind nicht mit den schwäbischen vergleichbar", nannte Pflieger die Beweggründe, den Support dort zu belassen.

Hilfe vom Key User

Die neue Struktur hat Pflieger zudem durch Key User ergänzt. Das sind IT-affine Anwender in den Fachabteilungen, die bei Bedarf schnelle und unkomplizierte Hilfe vor Ort leisten. Sie sollen einfache Probleme lösen, die vom weit entfernten SPoC schwer zu erkennen und zu beheben sind, wenn etwa Netz- und LAN-Adapter nicht richtig stecken. Wichtiger sind jedoch Supportaufgaben für Applikationen und Prozesse, die aufgrund des oftmals sehr speziellen und erforderlichen Fachwissens vom Heldpdesk nur unter großem Aufwand zu leisten wären.

Damit wendet sich Bosch von der jahrelangen Praxis der Branche ab, unterstützende IT-Dienste aus den Fachabteilungen in einen zentralen Helpdesk zu verlagern. Das Unternehmen steht mit diesem Ansinnen keineswegs allein da: "Die schnelle Kollegenhilfe an den üblichen Supportprozessen vorbei hat es immer gegeben", bekräftigte Ulrich Mohr, Leiter Service Delivery Management bei der Henkel KgaA in Düsseldorf und Mitglied des Fachbeirats des User Helpdesk Forums. Was früher als "Hey-Joe"-Effekt verteufelt wurde, aber offenbar nie komplett unterbunden werden konnte, soll nun institutionalisiert werden.