Help desk, Problem-Management und Netzdokumentation bei Ciba Geigy Ohne Fleiss bringen Tools fuer das Netz-Management keinen Preis

11.03.1994

Das Unternehmen Ciba Geigy, einer der groessten europaeischen DV- und Netzanwender, geht strategisch neue Wege. Der DV-Betrieb fuer die einzelnen Divisionen wurde zum Profit-Center mit entsprechenden Leistungsangeboten umstrukturiert. Dies bedeutet auch im Netzbetrieb, kostenguenstiger, flexibler und mit garantierten Services an die einzelnen Divisionen herantreten zu muessen. Petra Borowka* beschreibt in diesem Beitrag, wie Help desk, Problem- Management und Netzdokumentation als Elemente eines integrierten Netz-Management-Konzepts bei Ciba Geigy die Netzaktivitaeten und den Personaleinsatz effizienter koordinieren sollen.

Die Ciba Information Services (IS) sind ein zentraler Dienstleistungsbereich mit 350 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 130 Millionen Schweizer Franken. Fuer das eigenstaendige Cost- Center im freien Wettbewerb mit Drittanbietern entstand die Notwendigkeit, auf individuelle Anforderungen der DV-Anwender in den einzelnen Ciba-Divisionen flexibel zu reagieren. Dies betrifft Konzeption, Realisierung, Vernetzung und Betrieb der DV bei Ciba.

Das Netzwerk in Basel umfasst rund 7500 Endgeraete im lokalen Verbund, inklusive der SNA-Terminals fuer etwa 12000 Mitarbeiter. Es erstreckt sich ueber zwei grosse Areale, auf denen 150 Gebaeude mit DV-Relevanz stehen. Insgesamt sind in der Schweiz zwoelf Standorte in das Netz integriert. Im Ciba-Network werden /9000- Rechner von IBM, VAX-Maschinen im Cluster-Verbund, HP- und Sun- Workstations sowie PCs betrieben.

Grosse Netze sind ohne Tools nicht ueberschaubar

Die wichtigsten Protokolle sind Netbios, SNA, Decnet Phase V und TCP/IP. Die Anwendungspalette reicht von rund 150 Host- Applikationen auf 3270-Basis ueber eine Reihe von Unix-Anwendungen im F+E-Bereich bis hin zu Electronic Mail ueber Snads, Dissos, All- in-1, MS-Mail und X.400 mit entsprechenden Gateways als Verbindungsgliedern. Die zunehmende Installationsgroesse barg jedoch fuer die Netzadministratoren die Gefahr, den Ueberblick zu verlieren und den Teameinsatz nur noch unzureichend koordinieren zu koennen. Deshalb wurde der Einsatz von Tools zur Betriebsunterstuetzung zwingend erforderlich, um eine gleichbleibende Betriebsqualitaet mit vertretbarem Personalaufwand zu garantieren. Nach Spezifizierung der Anforderungen und einer Marktuntersuchung der verfuegbaren Loesungen entschieden sich die Ciba IS fuer den Comconsult Communication Manager (CCM).

Netzdokumentation und Problem-Management (PM) mit Trouble- Ticketing (TT) laufen jetzt auf dem CCM. Die Implementierung erfolgte auf verteilter Hardware (siehe Abbildung 1). Das CAD- System liegt auf einer HP9000/735-Workstation als Server. Dieser ist File- und Boot-Server zugleich fuer drei weitere Diskless- Workstations (Autocad-Front-ends), auf denen die Verkabelungsdokumentation und -planung betrieben wird. Die zu archivierenden Daten basieren ausnahmslos auf der VAX-Datenbank. Der Zugriff auf das Problem-Management oder die CCM-Dokumentation erfolgt ueber sechs X-Terminals und etwa 30 PCs mit X-Windows- Emulation und TCP/IP. Von Aussenstellen aus kann zur Datenbankab- frage beziehungsweise fuer einen Zugriff auf das Problem-Management mit einem Terminal-Server oder eine Asynchronemulation ueber TCP/IP auf den CCM zugegriffen werden. Generell ist der Datenbankteil deutlich performanter als die CAD-Applikation.

Bei rund 30000 Eintraegen, die zur Zeit in der Datenbank abgelegt sind, dauern Abfragen bis zu drei Sekunden. Dieser Zeitaufwand ist durchaus akzeptabel, immerhin erfolgt der X-Zugriff ueber das Netz.

Die Performance des CAD-Teils ist typischerweise schwaecher. Sie haengt von der Zahl der aufzubauenden Vektoren und dem Mehrfachzugriff auf Autocad uebers Netz ab.

Nun zur Funktionsweise des Problem-Managements: Es gibt parallele Help desks fuer verschiedene Systembereiche sowie einen zentralen Help desk fuer den Netzwerkbereich, die in Stoerfaellen gegenseitig Informationen austauschen. Die Benutzer waehlen bei einer Stoerung entweder den System-Help-desk oder den Netzwerk-Help-desk an, je nach Symptomatik der Probleme. Gegebenenfalls wird das Problem an den anderen Help desk weitergeleitet (siehe Abbildung 1).

Management-Loesung ersetzt SNA Netman

Gravierende Fehler, die allerdings nur selten auftauchen, koennen mehrere Stunden Ausfallzeit verursachen, Routineprobleme sind nach maximal einer halben Stunde behoben. Im Einzelfall kommt es jeweils darauf an, wie komplex das Problem ist und ob das jeweils erforderliche Betreuungspersonal gerade erreichbar ist. Mit der Bewaeltigung eines Stoerfalls ist bei Ciba mindestens eine Person befasst, vorwiegend im Bereich SNA und zugehoerige Endgeraete, maximal sind es vier Mitarbeiter. Durchschnittlich wird eine Stoerung von 1,5 Personen bearbeitet, bis sie behoben ist. Sie brauchen dafuer im SNA-Bereich zwischen 30 Minuten und zwei Stunden, im LAN- und WAN-Bereich zwischen 30 Minuten und drei Stunden.

Aufgrund der Tatsache, dass alle Tickets elektronisch dokumentiert sind und auch Teilschritte von ueberall eingegeben oder abgerufen werden koennen, hat sich die Koordination bei der Stoerungsbearbeitung deutlich verbessert. Insgesamt wurde dadurch eine Zeitersparnis im LAN- und WAN-Bereich von rund 20 Prozent bewirkt. Im Gegensatz zu frueher koennen durch entsprechende Eintraege im Trouble-Ticket aus der Datenbank eingelesene Hintergrundinformationen verfuegbar gemacht werden.

Anhand der Telefonnummer der anrufenden Person laesst sich der Stoerfall bereits lokalisieren: in welchem Gebaeude, in welchem Stockwerk, welche Person betroffen ist etc. Der Netzbetreuer weiss, ohne vor Ort zu sein, dass an dieser Stelle schon haeufiger Stoerungen aufgetreten sind, wiederholte Bedienfehler vorkamen oder aehnliches.

Nach zwei Jahren Testphase laeuft seit dem Oktober 1993 der produktive Betrieb im Network-Management-Center (NMC) und fuer die Dokumentation der betreuten Divisionen. Die neue Loesung hat SNA Netman ersetzt. Mit dem CCM arbeiten bei Ciba zehn Mitarbeiter im NMC, ebenso die fuenf Mitarbeiter, die Aenderungen durchfuehren, sowie zehn Ingenieure der Planungsgruppe. Zusaetzlich benutzen fuenf externe Mitarbeiter von Kabellieferanten das Tool. Im Erfassungsbuero stehen vier Endgeraete, im NMC drei, jeweils X- Terminals. Zusaetzlich hat jeder Mitarbeiter, der den CCM benutzt, von seinem PC aus ueber eine X-Emulation Zugriff auf das System.

Netman-Daten werden nachts ins CCM gespielt

Zwar gibt es noch Bugs und Verbesserungsvorschlaege, aber nach einem Jahr, in dem immer wieder Neuerungen durchgefuehrt wurden, benutzt die gesamte Betriebsgruppe die Problem-Management- Anwendung und gibt zufriedene Rueckmeldung.

Das CCM-System wird parallel zu anderen Management- und Informations-Systemen betrieben. Einige Verbindungen sind schon realisiert, andere noch in Planung (siehe Abbildung 2).

Zur Ergaenzung der Informationen ueber Benutzer erfolgt ein Abgleich mit den Personaldaten, die auf der Host-Datenbank DB2 gefuehrt werden. Der Austausch erfolgt via TCP/IP-Batch taeglich.

Das bisherige Problem-Management im SNA-Bereich wird ueber Netman auf dem Host betrieben. Diese Applikation stellt ueber alphanumerische 3270-Masken Verwaltungsdaten und Fehlerinformationen zur Verfuegung. Ebenfalls taeglich werden nachts ueber TCP/IP die Netman-Daten in das CCM-System eingespielt. Festgestellte Inkonsistenzen (zum Beispiel nach Umzuegen, Neuinstallationen etc.) muessen derzeit noch manuell, das heisst per Datentraeger im Netman-System behoben werden. Zukuenftig soll Netman, auch aus Kostengruenden, ganz abgeloest und die Anwender auf CCM umgeschult werden. Zur Zeit ist jedoch noch nicht geklaert, wie die Netman-Verwaltungsdaten wie Wartungsvertraege, Kaufdatum, Garantiezeiten etc. in CCM uebernommen werden koennen.

Noch hat jede Systemwelt ihren eigenen Help desk

Eine der wichtigsten Schnittstellen ist natuerlich die Interaktion mit den IS-Kunden, wobei vom CCM aus mit Dokumentation und Problem-Management der Netzbetrieb unterstuetzt wird. Zukuenftig ist denkbar, dass IS-Kunden zur Help-desk-Koordination fuer die Stoererfassung und Vorverarbeitung selbst den CCM einsetzen. Derzeit existiert noch je Systemwelt ein separater Help desk. Die Serviceaufgaben gemaess den Vertraegen zwischen IS und Kunden sowie Accounting-Taetigkeiten werden auf einem OS/2-System mit DB2- Zugriff (auf den Host) unter Enfin gehandhabt. Dies bedeutet eine doppelte Datenhaltung in CCM und DB2. Informationen ueber Komponenten werden per Schluesselabgleich an die DB2-Anwendung weitergereicht.

Dieser Austausch soll bis 1995 automatisiert erfolgen. Werden Leistungen von IS erbracht, ohne dass ein Servicevertrag existiert, vermerkt der entsprechende Techniker die Arbeitszeit im CCM- Trouble-Ticket. Diese Information wird fuer die Serviceanalyse ausgewertet (Verrechnungssaetze pro Stunde und Person).

Die Gebaeudeverwaltung erfasst zur Zeit die Ciba-Haeuser neu, da noch nicht alle Bauten im aktuellen Zustand elektronisch dokumentiert wurden. Die Registrierung kann aus verschiedenen Gruenden veranlasst werden:

- Ein Kunde macht ein Redesign des Netzwerks und beauftragt damit die IS. Diese bietet die Erfassung als zusaetzlichen Dienst an.

- Es wird ein Servicevertrag zwischen Kunde und IS geschlossen. Bestandteil der Vereinbarung ist die Dokumentation des Netzwerks.

In einigen Faellen schafft die elektronische Erfassung auch Kompetenzprobleme: Im Rahmen eines Servicevertrages soll zum Beispiel die IS die Dokumentation per CCM fuehren. Das entsprechende Gebaeude ist jedoch vom Werkskataster noch nicht elektronisch (Intergraph, CAD) erfasst. In diesem Fall muesste die IS die Gebaeudeverwaltung mit der Erfassung beauftragen. Damit ist jedoch auch eine Kostenvorleistung zu erbringen (zum Beispiel fuer 15 spezifizierte Gebaeude 250000 Mark). Diese Aufwendungen muessten entweder in die Serviceleistungen eingerechnet werden, oder das Werkskataster muesste seinerseits fuer die Nutzung der erstellten Plaene bezahlen. Eine fuer alle beteiligten Seiten zufriedenstellende Regelung steht hier noch aus.

Zur automatisierten Einspielung von Endgeraeteparametern, insbesondere PCs, sollen zukuenftig Third-party-PC-Agenten oder Netz-Management-Systeme fuer PC-Netze (zum Beispiel IBM LAN Netview, Microsoft Hermes etc.) genutzt werden.

Netzdaten von Layer-2-Management-Systemen im LAN sollen zukuenftig fuer einen Konsistenzabgleich mit CCM-Daten ausgetauscht werden. Hierzu zaehlen zum Beispiel aktive MAC-Adressen und aehnliche Informationen. Fuer Token-Ring-Netze ist etwa der IBM LAN-Netzwerk- Manager ein entsprechendes System; des weiteren sind RMON-basierte Systeme fuer den Konsistenzabgleich von LAN-Daten der aktiven Konfiguration denkbar.

Abbildung der Strukturen ist zu 80 Prozent gelungen

Bei der Implementierung einer integrierten Management-Loesung muessen Organisation, Netzbetrieb und Tool-Einsatz gut abgestimmt sein. Fuer das Problem-Management konnten laut Ciba die bisherigen Strukturen zu etwa 80 Prozent abgebildet werden, was einen hohen Deckungsgrad darstellt. Anfangs sollte nur Tool-gestuetzt dokumentiert werden. Hierzu wurden entsprechende Dienstanweisungen erlassen. Eine Ablaufunterstuetzung des Netzbetriebs stand noch nicht so sehr im Zentrum des Interesses.

Spaeter ging es beim Problem-Management nicht mehr nur darum, deskriptive Daten einzubringen, sondern operative Vorgaenge zu unterstuetzen. An diesem Punkt stellte sich die Frage, wie Trouble- Ticketing in die Organisation eingebracht werden kann.

Ueber den Zeitraum eines Jahres wurde dieses zentrale Projekt verfolgt, um Deckungsgleichheit zwischen Organisation und Betrieb zu erzielen. Fazit: Der Betrieb grosser Multivendor-Netzwerke bringt zunehmend Probleme bezueglich der Uebersicht ueber aktuelle Netzaktivitaeten und effektive Koordinierung des Personaleinsatzes. Dies erfordert dringend integrierte Netz-Management-Loesungen, die in der Lage sind, die Betriebsanforderungen und Organisationsstrukturen adaequat abzubilden.

Die Arbeit daran mit der entsprechenden Tool-Auswahl erfordert einen nicht unerheblichen Zeitaufwand und Know-how. Auch nach zufriedenstellender Einfuehrung einer Tool-Unterstuetzung muessen die Beschaeftigten weiterhin motiviert werden, damit sie Dokumentation und Problem-Management staendig diszipliniert durchfuehren beziehungsweise hinreichende Aktualitaet gewaehrleisten.

Stand der Technik ist heute, dass eine einzelne SNMP-Management- Plattform zur aktiven Netzkontrolle viele Betriebs-anforderungen nicht unterstuetzt, insbesondere Dokumentation, automatisiertes Trouble-Ticketing und Help-desk-Funktionen.

Eine Kombination mit Online-Dokumentationssystemen zur zentralen Bestandsverwaltung ebenso wie zur Unterstuetzung von Problemloesungen bei Fehlersituationen ist erforderlich. Effizienz und Dienstguete koennen betraechtlich zunehmen etwa durch:

- Automatisierung von Umzugsvorbereitungen,

- schnellere Fehlersuche, da in vielen Faellen die Problemuntersuchung vor Ort entfaellt,

- schnelleren Umzug,

- mittel- und langfristige Analyse des Stoerfallaufkommens durch Auswertung der ueber Trouble-Tickets erfassten, bearbeiteten und gespeicherten Stoerfaelle sowie

- Moeglichkeit des rechtzeitigen Netz-Tunings mittels Stoerfallanalyse.

*Petra Borowka ist unabhaengige Beraterin fuer Netzwerke in Stolberg.