Heiße Weihnachten

20.12.1985

Schönfärberei in der Computerbranche, gar rückwärts gewandte, ist nichts Gutes. Zu lange war sie mit falschen Erwartungen verbunden - ist es noch, wie die weihnachtlichen Prognosen der Marktforscher zeigen. Mangel an Ehrlichkeit? Oder bloß Mangel an Information?

Gehen wir, im Interesse der DV-Industrie, von dem scheinbar ungünstigsten Fall aus. Bisher haben wir geglaubt, die Gurus der Informationstechnik nähmen es mit der Wahrheit nicht so genau, sie wüßten aber, wovon sie sprechen. Das halbe Gegenteil ist der Fall.

Ärgerlich an den Branchen-Analysten ist, daß sie keinen Kontakt zum Anwender, zum Interessenten haben, die Informationen, die sie verbreiten, schlichtweg falsch sind - auf die Moral kommt es da nicht an. Was brachte etwa die Markt-Auguren dazu, der DV-Industrie vorzurechnen, der "professionelle PC" sei ein "heißes" Produkt, der absolute Renner?

Wer einen Computerladen, eine Softwareschmiede oder ein Systemhaus betreibt, läßt sich nichts vormachen. Der würde momentan abraten, ins PC-Geschäft einzusteigen. Es ist auch schwer einzusehen, wie sich das Organisationsmittel "Computer" ohne Software und Service verkaufen läßt.

Der Anwender ist mündig geworden, in dem Sinne, daß er weiß, was er nicht will. Selbst Industrie-Insider sehen darin auch einen Vorteil. Bestehen kann nur, wer ein Konzept hat und dieses beim Interessenten rüberbringt - auch auf die Gefahr hin, den Auftrag nicht zu kriegen. Einige Anbieter haben, so gesehen, auf dem Markt nichts zu suchen. Gut zu wissen, daß (es) der Markt schon richten wird.