Heiße Luft

22.01.1982

Bei professionellen Beobachtern der DV-Szene hat das Wort "Ankündigung" mittlerweile eine abschätzige Bedeutung. "Announcement" wird gleichgesetzt mit "Blabla" und "Trallala", aus dem sich schwer herausfüttern läßt, ob etwas wirklich neu ist oder ob nur jemand heiße Luft abläßt.

Computerlaien, insbesondere Erstanwender, gehen jedoch noch häufig davon aus, ein angekündigtes Produkt sei bereits ausgetestet und vorzeigbar. Daß dem in der Regel nicht so ist, wird kein seriöser Herstellervertreter leugnen. Und so heißt es nicht selten: "Pack den Papiertiger in das Angebot" - auch wenn sich dabei ein ungutes Gefühl einstellt. Aber da selbst die Marktführer nicht von der Praxis der "Vor"-Ankündigung abrücken wollen, machen eben alle Hersteller mit. So neuerdings im Bereich Büroautomation, für den es das schöne englische Wort "Office Automation" (OA) gibt. Wer etwas auf sich hält, kann gleich mit einer ganzen Palette von OA-Produkten aufwarten - von der Speicherschreibmaschine bis zum intelligenten Kopiersystem. Eingebettet in ein allumfassendes OA-Konzept. Zusammengeschnürt zu einem Inhouse-Netz. Mit Gateways ins Postparadies, DFÜ-Himmelstüren ohne Innenanschlag. Alles inkompatibel, aber komplex. Und kein Wort von "Schnittstellen-Neutralität". Darum sollen sich gefälligst die anderen kümmern. In DIN-Gremien und Benutzervereinen, Forschungsministerien und Kongreß-Quasselbuden. Das Faustrecht regiert.

Oder sollte man besser sagen: regierte? Die OA-Ankündigungen der einschlägigen Hersteller werden zwar immer noch von der Überzeugung geleitet, daß Markterfolg oder -mißerfolg letztlich mehr von Bemühungen als von Produktüberlegenheit und einer klaren Konzeption abhängen. Die Behauptung der OA-Propheten, integrierte Textverarbeitung ist im Anrollen, Electronic Mail, Bild-Processing und Spracherkennung kommen, hat sich indessen als "wishfull thinking" herausgestellt - zumindest, was den Zeitpunkt betrifft.

Die große Mehrheit der Anwender hat kein Bedürfnis, sich auf Abenteuer im Bereich der Bürokommunikation einzulassen. Noch scheint vieles unausgegoren. Die Crux ist, daß die traditionellen Büroausstatter nichts von Informationsverarbeitung verstehen, die Computeure nichts von Büroausstattung. So bleibt nur die Alternative, die nächste Ankündigungswelle abzuwarten.