HDI entscheidet sich fuer objektorientierte Client-Server-Loesung Standardsoftware ersetzt altes Finanzbuchhaltungs-Programm

25.08.1995

Von Christian Kvech*

Bei traditionellen Versicherungs-Grossrechneranwendungen wie etwa dem Rechnungswesen waechst die Bedeutung des wettbewerbsorientierten strategischen Controllings. Daher entschloss sich der Haftpflichtverband der deutschen Industrie (HDI), seine althergebrachte Finanzbuchhaltungs-Software durch ein Client-Server-Konzept mit Standardsoftware abzuloesen.

Beim HDI (Stammsitz in Hannover) wurde 1993 beschlossen, die bis dahin verwendete Grossrechnerloesung durch eine zeitgemaessere Anwendung zu ersetzen, die auf einer Standardsoftware basieren sollte.

Als Selbsthilfeorganisation 1905 von sechs Unternehmen gegruendet, ist der HDI heute mit einem Beitragsvolumen von mehr als 2,7 Milliarden Mark (1994) eine der fuehrenden deutschen Versicherungen. Ueber 90 Prozent der deutschen Grossunternehmen sind dort Mitglied.

SW funktionierte, war aber nicht zukunftstraechtig

Darueber hinaus nutzen auch zunehmend Privatkunden die Angebote des Versicherungskonzerns, zu dessen Dienstleistungen Kraftfahrt-, Haftpflicht-, Transport-, Feuer-, Technik-, Unfall- und Hausratversicherungen gehoeren. Einen Schwerpunkt bildet traditionell die Beratung der Mitglieder in Sicherheitsfragen und Schadensverhuetungsmassnahmen. Der HDI beschaeftigt im Jahresschnitt mehr als 2600 Mitarbeiter an ueber 40 Standorten in Deutschland. "Unsere existierende Finanzbuchhaltungs-Software hat zwar gut funktioniert, war aber nicht zukunftstraechtig, da das System technisch und fachlich ausgereizt war", erinnert sich Dieter Augustin, Leiter Rechnungswesen fuer Versicherungsunternehmen beim HDI. Die Anforderungen, die vom Vorstand und von externen Stellen an die Abteilung gestellt wurden, waren mit dem bestehenden, auf einem Nixdorf-Rechner laufenden Programm auf Dauer nicht mehr zu erfuellen.

Gezielte Abfragen mussten unterbleiben

"Wir konnten mit der vorhandenen Anwendung nicht in die noetige Tiefe gehen. Gezielte Abfragen und Statistiken waren nur mit erheblichen manuellen Eingriffen zu erhalten, individuelle Selektionen ueberhaupt nicht moeglich." Mitte 1993 fiel daher die Entscheidung, ein neues System zu beschaffen. Da es keine Eigenentwicklung sein sollte, erstellte eine Arbeitsgruppe, der neben Fachleuten aus dem Rechnungswesen Vertreter der Anwendungsentwicklung und der Betriebsorganisation angehoerten, einen Anforderungskatalog. In die Grobauswahl kamen zwoelf Produkte. Nach Auswertung der Unterlagen blieben vier davon uebrig, die von HDI-Mitarbeitern in umfangreichen Praesentationen gesichtet wurden. In die Endauswahl gelangten schliesslich zwei Loesungen, die jeweils zwei Tage lang im Rahmen einer Testinstallation intensiv geprueft wurden. Dabei wurde auch der Anforderungskatalog noch einmal erweitert. Wichtige Kriterien der rund 80 Punkte umfassenden Checkliste waren zum Beispiel Schnittstellen, die Faehigkeit zur Fremdrechnungswaehrung oder auch das Vorhandensein eines Musterkontenplans fuer Versicherungen (siehe Abbildung auf Seite 36).

Vor dem Angebot des fuehrenden deutschen Standardsoftware- Herstellers machte schliesslich Ende 1993 das Programm "Allis Fin/Co" von Alldata das Rennen. "Wir haben uns fuer dieses Produkt entschieden, weil die Benutzerfreundlichkeit und der Bedienungskomfort deutlich besser als beim Konkurrenten ausfielen", resuemiert Augustin.

"Den Angeboten zufolge lag der vorsichtig geschaetzte Einfuehrungsaufwand beim Wettbewerber mindestens dreimal so hoch wie bei Alldata." Dies und die Tatsache, dass bei den Rechnerressourcen wie Prozessor und Plattenbedarf und dem Wartungsaufwand bei laufendem Betrieb die Daten fuer Allis Fin/Co sprachen, gaben letztlich den Ausschlag. Positiv wurde darueber hinaus gewertet, dass diese Loesung bereits bei anderen Versicherungen im Einsatz war, waehrend beim Konkurrenzprodukt noch etwa 20 bis 30 Prozent von den fuer die Assekuranz wichtigen Funktionen fehlten. "Wir wollten bei der Entwicklung der fachlichen Inhalte nicht als Pilotanwender taetig werden", erinnert sich Hans Ahrens, Leiter des Bereichs Zentrale Anwendungssysteme beim HDI.

Die Hardware beim HDI war urspruenglich fuer eine groessere Loesung, als sie jetzt installiert ist, ausgelegt, denn zunaechst war geplant, das Programm unter Unix mit einer Unix-Emulation auf den PCs laufen zu lassen. Dafuer sollten ein HP-Unix-Server mit 12 GB Speicherplatz und Siemens-PCs mit Windows verwendet werden.

Als Alldata im Mai 1994 im Rahmen des Einfuehrungsplans den Vorschlag machte, die angebotene Unix-Loesung zu einer echten Client-Server-Anwendung unter Smalltalk weiterzuentwickeln, stimmte der HDI zu. "Wir haben intern diskutiert, ob wir diesen Schritt gehen sollten, und haben uns schliesslich dafuer entschieden", sagt Ahrens. "Ausschlaggebend war, mit diesem Projekt den Einstieg in die Objektorientierung zu bekommen." Dafuer war man beim HDI auch bereit, einen vorlaeufigen Kompromiss bei der Datenbanksoftware einzugehen. Waehrend im Konzept eine Informix- Anwendung vorgesehen war, standen fuer die neue Client-Server- Version zunaechst nur Schnittstellen fuer Sybase und Oracle zur Verfuegung. Die Schnittstelle zur Informix-Datenbank wird derzeit erarbeitet und soll bis zum Jahresende eingesetzt werden. Im Zeitplan war vorgesehen, das Programm puenktlich zum Geschaeftsjahresbeginn am 1. Januar 1995 in Betrieb zu nehmen. Ab November 1994 sollten die noetigen Tests laufen, so dass der Dezember als Puffer fuer Verbesserungen dienen konnte. Der Januartermin konnte gehalten werden, und das, obwohl man sich inmitten des Projekts vom damaligen Entwicklungspartner trennen musste. "Das Softwarehaus hat es unter erheblichem Einsatz und grossem Zeitdruck geschafft, das Projekt in Eigenregie erfolgreich fertigzustellen. Und das ohne Mehrkosten fuer uns", berichtet Augustin. Lediglich die Zeit fuer die Tests musste reduziert werden. So entschloss sich das HDI-Team, das Programm nach kurzem Testlauf in Betrieb zu nehmen: Ab Januar 1995 wurden konsequent alle Daten mit dem neuen System erfasst. Die Anwendung war von Anfang an stabil und lieferte sofort die gewuenschten Ergebnisse.

"Uns hat die Software von Anfang an ueberzeugt. Die volle Dialogfaehigkeit erlaubt es uns, unabhaengig vom Tagesabschluss jederzeit Informationen zu erhalten", lobt Augustin. Dass der Start gelang, lag nicht zuletzt auch am geringen Schulungsaufwand. "Es entstand groesserer Einarbeitungsbedarf durch den Umstieg von der SNI-Grossrechnerumgebung auf die PC-Welt mit Windows und Excel im allgemeinen als durch Allis selbst", ergaenzt Ahrens. Das Programm wird Augustin zufolge gut akzeptiert. Die Software bietet dem Anwender die Moeglichkeit, individuelle Abfragen und Auswertungen innerhalb der Anwendung vorzudefinieren und damit allen Benutzern zu Verfuegung zu stellen. Diese Definitionen beziehen sich auf die Selektionsmoeglichkeiten ueber den Datenbestand (Query by Example) sowie die Layoutgestaltung der Ergebnislisten. Insgesamt wird heute an rund 40 Arbeitsplaetzen mit dem Programm fuer Auskuenfte und Abfragen gearbeitet, zwei Arbeitsplaetze sind als Erfassungsstationen im Einsatz.

Auch mit der Client-Server-Technologie ist HDI zufrieden:

"Fuer uns war es wichtig, unabhaengig vom Grossrechner zu sein", unterstreicht Ahrens. Ueber eine Vielzahl von Schnittstellen ist es moeglich, mit wichtigen versicherungstechnischen Systemen wie Schaden, Bestand oder Ex-/Inkasso zusammenzuarbeiten. Der Supportaufwand, den das Programm verursacht, ist dafuer vergleichsweise gering. "Die Fibu-Software selbst macht kaum Betreuung notwendig. Wir brauchen nur einen Mitarbeiter, der sich im Bedarfsfall um die Administration fuer das gesamte System kuemmert. Bisher war allerdings nur ein minimaler Einsatz erforderlich", bilanziert Ahrens. "Mit unserem System sind wir heute technologisch gesehen gegenueber zentralistischen Anwendungen, wie sie in anderen Versicherungen noch vorhanden sind, deutlich im Vorteil." Die gesamte Programmierung und Release-Pflege wird von Alldata uebernommen.

* Christian Kvech ist Fachautor in Muenchen.