Hat Nixdorf denn nichts dazugelernt?

31.08.1990

Wenn man gesehen hat, wie sich auf der - im wahrsten Sinne des Wortes - letzten Hauptversammlung der Nixdorf Computer AG in Paderborn die Noch- und Wieder-Verantwortlichen gegenseitig Mut zusprachen - immerhin entstehe mit der Siemens-Nixdorf Informationssysteme (SNI) AG ein deutsches Computerunternehmen mit Plazierungschancen auf dem Weltmarkt -, können einem schon ketzerische Gedanken kommen: Haben die Paderborner nichts dazugelernt? Falsche Selbsteinschätzung war es doch, die der Westentaschen-IBM zum Verhängnis wurde. Ihrem Anspruch, dem Mainframe-Monopolisten wenigstens auf Teilgebieten (dezentrale Datenverarbeitung, Banken-Terminals etc.) Paroli zu bieten, konnten die Datenerfassungs-Spezialisten beim besten Willen nicht gerecht werden - schon gar nicht, indem sie das Ungleichgewicht leugneten. Hier haben wir es übrigens mit einem Branchen-Phänomen zu tun: Die IBM, der gute Hersteller von Armonk - da werden noch andere, die sich in Sicherheit wähnen, ihr blaues Wunder erleben.

Doch zurück zu Nixdorf. Wie schön zwar, daß der kapitalstarke Siemens-Konzern nun für die Nixdorf-Verluste geradesteht (ganz billig wird's für die Münchner nicht, aber die Elektro-Banker können es verkraften) - doch einen Freifahrtschein ins Marketing-Glück haben Horst Nasko und seine Leute damit keineswegs gewonnen. Siemens Geld bringt ja keine Ideen. Wer für seine verlorene Sache bei Kunden, Interessenten und Fachjournalisten um Verständnis werben will, der muß zuerst die Karten auf den Tisch legen.

Statt dessen die Form der PR-Kampagne zu wählen, wie es Nasko getan hat (siehe oben), ist zuwenig. Als arm an Saft und Kraft entpuppt sich das SNI-Konzept, wenn man von einem solchen überhaupt sprechen kann. Daß sich für die Mitarbeiter und Kunden etwas ändert, gerade das wollten die Fusionspartner offensichtlich verhindern. Das zeigt sich bei der Auswahl des Managements, das zeigt sich bei der Produktpolitik. Was die Langfrist-Strategie betrifft: Fehlanzeige!

Bei den SNI-Vorstandsmitgliedern haben wir es mit bekannten Größen zu tun - und das muß keine positive Aussage sein. Man hätte sich vorstellen können, daß durch die Besetzung der Nummereins-Position Akzente gesetzt werden. Nichts gegen den Kaufmann Hans-Dieter Wiedig, nur: Wie will er die SNI-Verkäufer heiß machen? Keine ganz unwichtige Frage. Desweiteren: Reicht das vorhandene Produktspektrum aus? Hier haben wir es mit unbekannten Größen zu tun. Wo verläuft bei SNI die Grenze zwischen proprietären (8870, BS2000) und offenen Systemen (Sinix, Targon)? Wir wissen vorerst nur, daß die SNI-Produktplaner alles wollen - zuviel, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.